Vorstoß der FDP

Organspende auch nach Herz-Kreislauf-Stillstand?


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Hirntod oder Herztod - was sollen Ärzte für eine Organentnahme feststellen müssen? (Symbolbild)

Von dpa

Soll statt des Hirntods künftig der Herztod reichen, damit Ärzte bei potenziellen Organspenderinnen und -spendern Leber, Lungen oder andere Organe entnehmen dürfen? Mit diesem Vorstoß macht die FDP im Bundestag auf sich aufmerksam - und erntet bei Weitem nicht nur positive Reaktionen.

Die wichtigsten Voraussetzungen für eine Organspende sind die Zustimmung und dass bei der verstorbenen Person der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen festgestellt worden ist - der Hirntod. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betont weiter: "Sind diese Voraussetzungen erfüllt, prüfen Ärztinnen und Ärzte im Einzelfall, ob der Gesundheitszustand eine Organspende zulässt."

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Katrin Helling-Plahr (FDP) tritt für eine neue Todesdefinition ein. (Archivbild)

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Setzt sich für die Widerspruchslösung in der Organspende ein: Gesundheitsminister Karl Lauterbach. (Archivbild)

Wichtige Teile des Gehirns arbeiten nicht mehr und seine Funktionsfähigkeit ist für immer verloren. Der Hirntod bezeichnet den Zustand, dass der Tod eines Menschen nach neurologischen Kriterien eindeutig eingetreten ist, das Gehirn seine Steuerungsfunktion nicht mehr ausübt. Nur mithilfe intensivmedizinischer Maßnahmen kann das Herz-Kreislauf-System künstlich aufrechterhalten werden. Ohne künstliche Beatmung würde auf den Hirntod zeitnah der Herz-Kreislauf-Stillstand folgen. Der Hirntod ist ein seltenes Phänomen und kann nur auf einer Intensivstation festgestellt werden.

Die Todesdefinition als Voraussetzung für eine Organspende erweitern. Künftig soll auch der Herz-Kreislauf-Stillstand Grundlage für eine vorher selbstbestimmte Entnahme von Organen sein. Ein entsprechendes Positionspapier von Rechts- und Gesundheitspolitikern wurde in der Fraktion besprochen. Potenzielle Spender sollen ihren Willen dann über ein explizit dafür vorgesehenes zusätzliches optionales Feld im Organspende-Register oder auf Organspendeausweisen festhalten können.

Damit könnten die Spenderzahlen erhöht werden, sagte die Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr der "Welt". Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion und Mediziner Andrew Ullmann sagte der Zeitung: "Aus medizinischer Sicht gibt es keinen Goldstandard bei der Erklärung des Todes." Der Tod nach einem anhaltenden Kreislaufstillstand sei mit dem Hirntod gleichzusetzen. "Ein wesentlicher Unterschied ist allerdings, dass der Herztod einfacher, aber dennoch sicher festzustellen ist." Der Aufwand zur Feststellung des Hirntods sei immens hoch und schränke so die Zahl der potenziellen Spender von vornherein ein.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wirft der FDP vor, mit dem Thema Hirntod auf Stimmenfang zu gehen. Dafür sei das Thema aber viel zu differenziert, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. "Der Hirntod und der Herztod nach einem nicht behandelten Herzstillstand sind nicht das Gleiche. Doch genau das suggeriert der FDP-Vorstoß." Die Unumkehrbarkeit wie beim Hirntod gebe es beim Herzstillstand nicht.

Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will, dass anders als heute die Widerspruchslösung in der Organspende kommt. Dabei gilt eine Zustimmung zu einer Entscheidung als getroffen, wenn der Betroffene nicht explizit widerspricht. Heute gilt die Entscheidungslösung: Eine Organ- oder Gewebeentnahme darf nur erfolgen, wenn die oder der Verstorbene dem zu Lebzeiten zugestimmt hat oder stellvertretend die nächsten Angehörigen nach dem Tod ihre Zustimmung erteilen.

Lauterbach auf X: "Als Arzt und klarer Befürworter einer Widerspruchslösung halte ich doch den Hirntod für das sichere Verfahren für das Feststellen des Todes. Mit dem Hirntod sind Fehler ausgeschlossen. In Kombination mit der Widerspruchslösung würden wir viele Leben retten."

Der Hirntod ist irreversibel, also wirklich unumkehrbar. Menschen mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand können manchmal wiederbelebt werden. Aber wenn das Herz nicht schlägt, wird das Gehirn nicht mit Sauerstoff versorgt, und nach drei bis fünf Minuten beginnen Gehirnzellen abzusterben. Irgendwann wird der Hirntod eintreten - wie lange das dauert, hängt von vielen Faktoren ab, etwa dem Alter.

Eine wichtige Frage also lautet: Wie lange soll der Herz-Kreislauf-Stillstand anhalten, damit die Organe entnommen werden können? Dazu macht die FDP keinen Vorschlag. Deswegen erklärt die Gesellschaft für Kardiologie: "Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir leider zu wenig über den Vorschlag der FDP, um uns dazu fundiert äußern zu können." Sobald mehr über das Positionspapier bekannt wird, wollen sich die Herz-Fachleute intensiv damit beschäftigen.

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) erklärte im vergangenen Jahr in einem Positionspapier, wie eine Organspende nach kontrolliertem Herz-Kreislauf-Stillstand ablaufen könnte: Ein aussichtslos kranker Patient muss zuvor erklärt haben, dass er nicht reanimiert werden will. Die Therapie erfolgt nicht mehr kurativ, sondern palliativ, es geht also nicht mehr um Heilung, sondern um Linderung. Die intensivmedizinischen Maßnahmen werden eingestellt.

Wenn der Herz-Kreislauf-Stillstand festgestellt wurde, schließt sich eine Beobachtungszeit an, die sogenannte No-Touch-Time, in welcher der Patient nicht berührt wird. Die Divi spricht von fünf Minuten, in anderen Ländern wird länger gewartet. Dann wird der Tod festgestellt, oft mit zusätzlichen Tests, und die Organe entnommen.

Mehr Organe wie Nieren, Lebern oder Herzen für schwer kranke Patienten werden seit Jahren dringend benötigt. Im vergangenen Jahr gaben 965 Menschen nach ihrem Tod ein Organ oder mehrere Organe für andere frei, wie die koordinierende Deutsche Stiftung Organtransplantation ermittelte. Zugleich standen aber 8.400 Menschen auf Wartelisten. Damit Spenden überhaupt infrage kommen, müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinander den Hirntod eines Verstorbenen feststellen.

Ja. Die Deutsche Transplantationsgesellschaft betont, die Spende nach Tod durch Herz-Kreislauf-Stillstand und folgendem Hirntod sei in vielen Nachbarländern bereits etabliert - "und hat dort zu einer deutlichen Zunahme des Spenderpools geführt". "In kaum einem anderen europäischen Land ist das Missverhältnis zwischen Spenderorganen und Patientinnen und Patienten, die dringend ein neues Organ benötigen, so groß wie in Deutschland", so Präsident Utz Settmacher.

Längst erprobte Alternativen sollten eingeführt werden - dazu gehört die sogenannte DCD-Spende (Donation after circulatory death), die Organspende nach einem primären Herz-Kreislauf-Stillstand und folgendem Hirntod. Fast alle Nachbarländer ermöglichen solche Spenden.


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