Kultur

Ironisch um jeden Preis

Jan Böhmermann mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld im Zenith


Jan Böhmermann interpretiert "Husti Husti Heh" im Zenith.

Jan Böhmermann interpretiert "Husti Husti Heh" im Zenith.

Von Moses Wolff

Nach einem langen Intro vom Tonband fällt der Vorhang und die Band spielt ein Lied. Dann ertönt von ganz hinten die Andreas Gaballier-Hymne und Jan Böhmermann betritt mit blütenweißer FFP2-Atemschutzmaske die Bühne, durch die er dann seine Ischgl-Corona-Parodie "Husti Husti Heh" singt.

Freilich hält er München für eine Schicki-Micki-Stadt, die überwiegend aus Gabalier-Sympathisanten besteht und deshalb für sein Intro applaudiert. Aus seiner Verachtung gegenüber allen Städten, in denen er auftritt, macht er keinen Hehl. Jeder spürt: Dieser Mensch hält sich für unanfechtbar ironisch und originell, bleibt dabei jedoch in seiner gewollten Provokation eher im Reich der Harmlosigkeit.

Wer ein Konzert in der "Kulturhalle Zenith" besucht, erwartet wenig und wird selten enttäuscht. Wenn eine Halle technisch nicht in der Lage ist, die Beschallung zu meistern, sorgt das logischerweise für Unmut. Hinzu kommt die durch die Ebenerdigkeit des Saales sehr eingeschränkte Sicht auf die Bühne, über die sich Konzertbesucher seit 25 Jahren zurecht aufregen. So auch heute.

Ob direkt vor der Bühne, mitten im Saal oder am Rand: der Sound ist schrecklich und die Texte sind nur mit Mühe zu verstehen. Was nicht schlimm ist, weil sich Jan Böhmermann, der Star des Abends, nicht mal ansatzweise dafür zu interessieren scheint, wie er rüberkommt. Ein paar plumpe Kalauer, ungefähr 50 abgeschmackte München-Schmäh-Witze über Kokain-Reste im P1 und die Triggerwarnung vor Wörtern, "die Söder nur aus dem Privatbereich und dem Sekretariat kennt": Das war's. Der Rest des Abends besteht aus fast schon burlesker Selbstbeweihräucherung und willkürlich zusammengestellten Songs.

Obwohl das Tanzorchester Ehrenfeld uneingeschränkt großartige Musik fabriziert und einige Gastmusikanten mit netten Einlagen glänzen, springt der Funke nicht so recht über. Klar befinden sich im Publikum zahlreiche blind begeisterte Ultra-Böhmermann-Fans, die so gut wie jeden Song aus seiner Fernsehsendung kennen und oft schon in schallendes Gelächter ausbrechen, wenn er nur "Polizist" oder "Cannabis" sagt. Der Rest der Zuschauerinnen und Zuschauer besteht aus biederen Pärchen, verklemmten Hipstern und humorbefreiten Intellektuellen, deren Skepsis nur durch die Präpotenz des Frontmannes übertrumpft wird.

Das auf Plakat und Titel angekündigte Raumfähren-Konzept, oder was auch immer es sein soll, ist zudem nicht besonders schlüssig; bis auf ein paar Glitzerklamotten und der durchaus gelungenen Instrumental-Interpretation des genialen Beastie-Boys-Songs "Intergalactic", zugleich das Thema der Tour, ist nicht viel Weltraum spürbar. Böhmermann versteht sich, das betont er ununterbrochen, als politischer Sänger, was durch ein paar Nummern wie das vieldiskutierte Antikriegslied "Meinst du, die Russen wollen Krieg" aus dem Jahr 1961 beflissen unter Beweis gestellt wird.

Die Arroganz, die Böhmermann in seiner Fernsehsendung "ZDF Magazin Royale", erfolgreich praktiziert, klappt hier nur stellenweise. Wer im TV gut rüberkommt, hat nicht automatisch ein Talent für die große Bühne.

Die Show könnte möglicherweise in kleineren Räumlichkeiten gelingen, wenn der Entertainer näher dran ist und die Energie zwischen Bühne und Publikum nutzt. Aber das scheint ihn eh nicht zu interessieren. Er möchte sich selbst feiern, alles lieben, was er darstellt, sagt und tut und ein Meister der Ironie sein. Leider funktioniert das nicht so recht, am wenigsten in München, der Stadt der satirischen Urgesteine Liesl Karlstadt, Karl Valentin, Helmut Schleich, Dieter Hildebrandt und Gerhard Polt. Deshalb bleibt als Resümee nur ein Zitat des ewigen Herzens-Stenz Monaco Franze: "Ein rechter Scheißdreck wars! Altmodisch bis provinziell wars! Des wars!"