Auslandstagebuch
Lehrer in Ghana: Maximilian Kahl lebt ein Jahr in einem Internat in Kaleo
8. Juni 2018, 10:17 Uhr aktualisiert am 8. Juni 2018, 10:17 Uhr
Ab nach Kaleo und ins Internat: Maximilian Kahl aus Landshut geht für den Sozialen Friedensdienst Kassel ein Jahr nach Ghana. Dort unterrichtet er Schüler zwischen 15 und 18 Jahren an einer High School vor allem im Fach ICT. Er bringt ihnen also den Umgang mit Programmen wie Microsoft Word, PowerPoint oder Excel bei. Begleiten wird ihn ein zweiter Freiwilliger aus Dresden. Wo die High School ist? In Kaleo, einer Stadt in der Upper West Region von Ghana. Die Stadt ist circa 20 Kilometer von der Hauptstadt der Region, Wa, entfernt.
Was Maximilian während seines Jahrs im Ausland erlebt, lest ihr in seinem Auslandsblog.
Eintrag 21: Jagen auf Ghanaisch - 15. Juni 2018
Mit Wurfstöcken bewaffnet sind rund 50 Einheimische, zwei andere Freiwillige und ich vor Kurzem auf Jagd gegangen. Mitten im Busch haben wir nach Kleintieren wie Hasen oder Buschratten gesucht. Einige Jäger waren auch mit Gewehren bewaffnet, die sie allerdings weniger zum Jagen einsetzten. Sie schossen mit ihnen nur wild in die Luft. Begleitet wurden wir von einer Menge Hunde, die die meiste Arbeit erledigt haben.
Tiere aufscheuchen
Die Jagd hier lief wie folgt ab: Die 50 einheimischen Jäger und wir drei Weißen laufen durch den ghanaischen Busch und hauen mit Stöcken auf jeden Laubhaufen oder auf alles, was ein gutes Versteck für Tiere ist. Sollte man ein Tier aufscheuchen - meistens ist es ein Hase -, läuft es in irgendeine Richtung fort. Alle Jäger rennen dem Hasen wie gestört hinterher und verfolgen ihn. Dabei versuchen wir, das Tier mit den Wurfstöcken zu treffen, damit es stolpert und von uns gefangen werden kann. Da das meistens nicht so klappt wie geplant, kommen die Hunde ins Spiel: Sie jagen den Hasen bis zum bitteren Ende und nehmen uns damit die Arbeit ab.
Fleischfetzen mit Fell
Wenn die Hunde das Tier erwischt haben, muss man es ihnen erst entreißen. Was dann übrig bleibt, lässt sich meist nicht mehr eindeutig als Tier identifizieren. Es sind Fleischfetzen mit Fell.
Nach zweieinhalb Stunden Jagd ließ sich zum ersten Mal wieder Zivilisation blicken: Wir kamen an einer Straße vorbei. Die Freiwilligen und ich einigten uns darauf, uns von der Gruppe abzukapseln und auf eigene Faust der Straße zurück zu unseren geparkten Motorrädern zu folgen. Orientierungslos mussten wir erst mal einen Jäger fragen, in welche Richtung wir überhaupt gehen müssen. Die nächsten drei Stunden verbrachten wir damit, durch das Nichts einen Weg zurück zu finden, was trotz "Straße" nicht ganz so einfach war. Wir haben uns verlaufen. Nichtsdestotrotz hatten wir beim Wandern unter der prallen Sonne eine Menge Spaß und dem Schmarrn nach zu urteilen, über den wir auf dem Weg geredet haben, hat uns wohl alle ein Sonnenstich erwischt.
Eintrag 20: Die Osterferien (Teil 4) - 4. Mai 2018
Der Weg zurück nach Kaleo war doch ein wenig komplizierter als gedacht. Als wir nach Paga zurück in Bolga waren, hieß es ein Trotro zu finden, das nach Wa fährt. Fehlanzeige! Es gibt um diese Zeit kein Trotro nach Wa. Uns wurde dann zu einem Kleinbus geraten, der nach Tumu fährt und von dort aus man locker ein Transportmittel nach Wa findet. Nun gut, dass wir circa vier Stunden in diesem scheiß Kleinbus in der prallen Sonne warten müssen, bevor es losfährt hat uns natürlich keiner gesagt. Konnte ja auch fairerweise keiner wissen, denn die Busse fahren nur, wenn sie bis zum letzten Sitzplatz voll sind. Manchmal geht es schneller und manchmal eben, wie in diesem Fall langsamer. Nach weiteren vier Stunden Fahrt erreichten wir in der Dunkelheit Tumu und auf Nachfragen wurde uns auch recht schnell klar gemacht, dass heute keine Trotros nach Wa mehr fahren würden. Es sei zu spät. Doch für 180 Cedi (wir haben bei 300 Cedi Verhandlungsbasis angefangen) bekamen wir ein Trotro ganz für uns allein, dass uns sogar noch direkt bis nach Kaleo bringt, denn das wäre für uns sogar günstiger gekommen, als wenn wir noch eine Nacht irgendwo schlafen müssten. Was uns erst einfiel, als wir schon auf dem Weg waren, war die Gefahr von Räubern. Besonders Nachts auf nicht-viel befahrenen Straßen verstecken sich gerne mal bewaffnete Räuberbanden, die Fahrzeuge ausrauben. Und noch aus einem zweiten Grund mussten wir auf der Rückfahrt ein bischen um unser Leben fürchten: Die Fahrweise des Fahrers. Wir rasten mit einem Affentempo über die schlechten Sandstraßen und ich bin mir sicher, wir wären ein paar Mal beinahe draufgegangen. Nichtsdestotrotz sind wir alle lebendig zuhause in Kaleo angekommen.
Vielleicht mag sich jemand fragen, warum wir auf unserer Rundreise so viel Harry Potter geschaut haben (ohne Schmarrn, wir haben fast alle 7 Teile geschafft). Es ist tatsächlich so, dass es in ghanaischen Städten, vor allem die im Norden sind, nichts zu tun gibt, außer den Touristenattraktionen, falls welche vorhanden sind. Und diese füllen leider meist nicht den ganzen Tag. Für mich, wenn ich ehrlich bin, sieht fast jede ghanaische Stadt gleich aus und sie unterscheiden sich nur durch die Menschen, die dort leben. Klar gibt es Unterschiede, aber die Städte bestehen meist nur aus einer Hauptstraßen, an der sich Geschäfte sammeln, von denen die Meisten das gleiche verkaufen. Da gibt es einfach nicht viel zu sehen.
Nach unserer Rückkehr haben mich spontan noch zwei deutsche Mädchen, die ihren Freiwilligendienst in Cape Coast absolvieren und noch drei andere Mädls aus Volta und der Central Region besucht. Da Lukas ein bisschen früher abgereist ist, war ich eine Zeit lang allein mit sechs Mädls in Kaleo. Da war Spaß natürlich vorprogrammiert, wenn so viele Leute da sind und das alles gab einen schönen Abschluss der Ferien.
Seit einer Woche ist wieder Schule und meine Motivation für den letzten Term hält sich sehr in Grenzen. Das Unterrichten macht aufgrund der Umstände leider überhaupt keinen Spaß mehr. Zudem hat Julius (der auch bei der ganzen Reise nicht dabei war, weil ihn sein Vater besuchte) seinen Freiwilligendienst gekündigt und verlässt in der nächsten Zeit Kaleo. Zwar verstehe ich mich mit ihm immer noch nicht gut, aber ich denke, es wird schwierig, wenn dann gar kein Deutscher mehr da ist. Mal schauen, wie das wird. Aber es sind ja nur noch drei Monate, die ich unterrichten muss, irgendwie wird das schon!
Eintrag 19: Die Osterferien (Teil 3) - 4. Mai 2018
Nachdem wir zwei Tage in der drittgrößten Stadt Ghanas verbrachten, war es am Tag drei Zeit für die Weiterreise nach Bolgatanga. Bolgatanga, oder auch nur Bolga genannt ist die Hauptstadt der Upper-East Region und ist für ihr Kunsthandwerk bekannt. Dadurch, dass Monicas Schwester in Bolga lebt, konnte sie uns ein gutes Hotel empfehlen, mit dem wir sehr zufrieden waren. Da wir nur einen halben Tag zwecks der Weiterreise aus Tamale hatten, streiften wir nur einmal kurz durch die kleine Stadt auf der Suche nach etwas Essbarem und vergnügten uns dann im Hotel mit einem weiteren Teil Harry Potter. Der Plan für den nächsten Tag war es, die Tonga Hills zu besichtigen, doch leider ging es Kathi an dem Tag nicht allzu gut, sodass Lukas und ich allein dorthin fahren mussten.
Die Tonga Hills sind Steinformationen und Hügel nur ein paar Kilometer außerhalb von Bolga. Besonders bekannt sind diese Hills wegen ihre traditionellen Opferschreine. Um einen Einblick in die Tradition zu bekommen und überhaupt zu diesen Schreinen zu gelangen, muss man als Tourist natürlich Eintritt und einen Tourguide bezahlen. Darauf hatten wir zwar an sich nicht so Lust, aber wenn man schon mal da ist. So führte uns der Guide ein wenig durch die Landschaft und stellte uns den dort regierenden Chief (Häuptling) vor. Dieser lebt mit seinen 23 Frauen (Kein Scherz!) in einem großen traditionell gehaltenen Gebäudekomplex. Außerhalb sind die Gräber der Ahnen, die als Opferschreine für das Haus fungieren. Geopfert werden dort, eigentlich alles, was kein Mensch ist. Zu dem eigentlichen großen Opferschrein ging es auf einen der nahegelegenen Hügel. Witzigerweise darf man diesen Schrein nur barfuß und oberkörperfrei betreten. Der Ausblick von den Hügeln ist wunderschön und das war die Reise dorthin auf jeden Fall wert! Da wir schon so viel von dem Kunsthandwerk in der Upper-East Region gehört haben, lies es sich nicht umgehen einen Blick auf den Kunsthandwerksmarkt zu werfen. Naja…es war mehr oder weniger ein Platz mit zahlreichen Läden, die alle das gleiche verkauft haben und das zu horrenden Preisen. Glücklicherweise weiß man, dass die Preise immer zu hoch angesetzt sind und kann es mit ein bisschen Redekunst gut runterhandeln. Eher nervig ist dann doch, dass dich jeder Verkäufer volllabert, dass du doch in seinen Laden kommen sollst und was kaufen sollst. Wenn man sonst nur in Upper-West ist, ist man das gar nicht mehr gewohnt.
Der nächste Tag war auch der letzte Tag unserer Reise. Früh morgens machten wir uns zur letzten Attraktion auf: Die heiligen Krokodile aus Paga. Paga ist eine Grenzstadt zu Burkina Faso etwa eine halbe Stunde von Bolga entfernt. Und dort soll es Krokodile geben. Krokodile auf denen man sitzen kann. Doch bevor man zu den Krokodilen darf, muss man erst eine Führung durch die traditionellen Häuser machen. Natürlich gegen den Einwurf kleiner oder auch großer Münzen. Es war zwar echt interessant ein bisschen was über die Geschichte zu erfahren und die Häuser zu sehen, aber ja…wäre jetzt nicht nötig gewesen. Für die Krokodile selber durften wir natürlich auch noch zahlen, und das (für ghanaische Verhältnisse) nicht gerade wenig . 15 Cedi Eintritt pro Person, plus 15 Cedi für ein Hühnchen zum Opfern. Wenn man Fotos machen will muss man nochmal extra 5 Cedi pro Kamera zahlen. Naja mit Weißen kann man das schon machen. Tatsächlich haben wir nach einer halben Stunde warten in praller Sonne dann eines der größeren Krokodile zu Gesicht bekommen, dass dann an Land gelockt wurde. Und ja, wir konnten darauf sitzen und ja, es war auch irgendwie cool. Aber die Touri-Abzocke hat dem ganzen ein bisschen die Freude genommen.
Eintrag 18: Die Osterferien (Teil 2) - 4. Mai 2018
Doch nun zu unseren eigentlichen Plänen für die Ferien: Wir hatten vor, den Norden zu bereisen. Was uns allerdings anfangs nicht so ganz klar war, ist, dass es im Norden relativ wenig zu sehen gibt. Am Tag vor unserer Abreise machten wir noch ein kleines Fest, wir haben in Wa wieder ein Hühnchen gekauft (Barnabas war sein Name) und es dann anschließend gegrillt. Dazu gab es selbst gemachten Nudelsalat und Knoblauchbrot. Der pure Wahnsinn! Zum trinken gab es natürlich Bier. Und warum beschreibe ich das Essen so genau? Normalerweise esse ich in Kaleo immer dieselben Gerichte. Reis mit Stew, Polished Rice, Yam mit Stew, Kenke, Fufu, Rice and Beans, Banku…also nur ghanaisches Zeug. Zudem macht alleine kochen auch nicht so wirklich Spaß, aber wenn man das mit Freunden macht ist es die höchste Gaudi.
Am nächsten Morgen ging es nach Wa und von dort aus mit einem Trotro nach Larabanga, einem vier Stunden entfernten Dorf in der Northern Region. Doch was machen wir in einem kleinen Dorf in der Northern Region? Ganz einfach, Elefanten ansehen. Larabanga ist nämlich das Dorf vor dem Mole Nationalpark, eine der wenigen Touristenattraktionen, die der Norden zu bieten hat. Übernachtet haben wir in einem Hotel außerhalb des Nationalparks und wir entschieden uns zwei Nächte zu bleiben. Am selben Tag konnten wir dann noch die Attraktionen in Larabanga selbst bestaunen: Nichts. Wir setzten uns also vor das Hotel und schauten einen Teil Harry Potter bevor es dann ins Bett ging, denn am nächsten Tag hieß es früh aufstehen. Gegen halb 7 morgens fuhr uns der Besitzer des Hotels für 10 Cedi (Scheiß Touri-Preise) in den Nationalpark, wo wir dann die Wahl zwischen einer Walking-Tour und einer Jeep-Tour hatten. Aufgrund unserer Schuhwahl (wir hatten, typisch ghanaisch, für die Reise nur Flip Flops eingepackt) entscheiden wir uns für die Jeep-Tour. Ist eh entspannter als durch den Busch zu hatschen. Und tatsächlich, haben wir echt eine Menge Tiere gesehen. Elefanten, Antilopen, Warzenschweine und einen komischen Vogel, von dem ich keine Ahnung habe, was das war. Besonders schön waren die Elefanten, von denen sich die Meisten an einem Wasserloch tummelten und badeten.
Gegen 11 Uhr waren wir zurück in der Savannah Lodge (unser Hotel) und hatten nicht viel zu tun. Bei drei Bier als Mittagessen (es war ja schließlich Urlaub) entschlossen wir uns, doch schon etwas früher abzureisen und keine zweite Nacht in Larabanga zu verbringen. Schön, dass wir natürlich im Voraus bezahlt haben und der Besitzer das Geld natürlich schon ausgegeben hat und es uns deswegen nicht mehr zurückzahlen konnte. Nicht falsch verstehen, der Besitzer ist echt lieb und nett und wir haben ihm das geglaubt. Irgendwie haben wir es dann aber geschafft, die Kosten mit anderen Kosten für Verpflegung und Fahrt zu begleichen und waren somit nur ein bisschen im Minus.
Die Lange Fahrt zu unserem nächsten Stopp, Tamale, war aufgrund des frühen Bier-Mittagessens etwas lustiger als sonst. Spontan wie wir sind, hatten wir in Tamale keine Ahnung, wo wir die Nacht verbringen. Letztendlich ließen wir uns in einem zentrumsnahen Hotel nieder, das okay war. Ich hatte das Glück, dass es in meinem Zimmer mit Klimaanlage zu kalt war und die Klimaanlage extrem laute Geräusche von sich gab, sobald man sie ausschaltete. Von erholsamen Schlaf also keine Rede. Am nächsten Tag beschlossen wir dann doch, die zweite Nacht wo anders zu verbringen und im Catholic Guesthouse hatten wir ein schöneres Ambiente. Und wieder einmal sind wir Opfer unserer Spontanität geworden: Da keiner von uns an einen Reiseführer gedacht hat, und sich davor auch nicht wirklich informiert hat, wusste niemand, was man eigentlich in Tamale machen kann. Wir wussten nur von der ältesten Moschee in Westafrika, die irgendwo in der Nähe von Tamale sein soll. Wir googelten also und fanden als einziges Ergebnis die Larabanga-Moschee. Na, kommt euch der Name des Dorfes bekannt vor? Genau! Das Dorf aus dem wir gerade gekommen sind. Suuuper! Und was gibt es sonst in Tamale zu sehen? Nach zahlreichen Googleanfragen kamen wir zu einem eindeutigen Ergebnis: Absolut gar nichts! Tamale ist die drittgrößte Stadt Ghanas, und außer einem Markt gibt es dort rein gar nichts Sehenswertes. Also besuchten wir den Markt und verbrachten den restlichen Tag mit Harry Potter, bevor wir am Abend eine Bar aufsuchten.
Eintrag 17: Die Osterferien (Teil 1) - 4. Mai 2018
Ostern ist knapp einen Monat vorbei und jetzt finde ich endlich mal wieder Zeit, mich meinem Blog zuzuwenden. Was ist passiert? Viel! Ostern an sich war relativ unspektakulär, Julius und ich verbrachten den Ostersonntag bei unserer Mama Monica. Wir haben dort zwei Hähnchen geschlachtet (eines davon habe ich selber in Wa gekauft und es auf dem Motorrad bis nach Kaleo gefahren; ich habe es Hubert getauft) und diese hab ich ganz in deutscher Manier gegrillt. Der Ostermontag ist in Ghana der eigentliche Feiertag. Traditionell gibt es überall in Ghana an diesem Tag ein Osterpicknick. Das ganze Dorf versammelt sich dann an einem großen Platz und es wird gemeinsam gegessen, getanzt und Spiele gespielt.
Obwohl Ostern schnell vergangen ist, war mir auch danach nicht lange langweilig, denn ein paar Tage darauf kam der langersehnte Besuch von Kathi und Lukas, den zwei Freiwilligen vom sfd aus der Volta-Region. Die ersten paar Tage verbrachten wir sehr ruhig, da sich die beiden erst mal an das Wetter in Upper-West gewöhnen mussten (ja, innerhalb von Ghana gibt es gewaltige Temperaturunterschiede).
Ausgerechnet an den ersten Tagen ihres Besuchs, hatten wir über Nacht einen langen Stromausfall. Das klingt jetzt an sich nicht so schlimm, aber man muss bedenken, dass ohne Strom auch kein Ventilator funktioniert und es ohne Ventilator in der Nacht hier einfach nur die Hölle ist! Neben dem ausgiebigen Ausruhen verbrachten wir die Tage mit kleineren Tagesausflügen, wie zum Beispiel nach Sankana (einem Dorf in der Nähe mit einem schönen Markt und einem noch schöneren Damm), nach Wa oder nach Wechiau um die Hippos zu besichtigen. Natürlich haben wir auch das wichtigste gemacht, was man in Upper-West machen muss: Hund gegessen (NEIN, NICHT LANDSHUT!). Ich wurde eher in meiner Sichtweise unterstützt, dass Hund ein sehr gutes Fleisch ist (für mich sogar ungelogen das beste Fleisch).
In den ersten drei Tagen kam es auch zu einer Tragödie. Landshut, mein kleiner Hund ist gestorben…an was genau weiß ich bis heute nicht. Am Tag der Ankunft von Kathi und Lukas hat er angefangen sich komisch zu verhalten, war aggressiv und lag den ganzen Tag nur rum. Als das am nächsten Tag nicht besser wurde, fuhren wir nach Wa um uns beim Vetenarian Office Rat zu holen. Diese gaben uns ein Anti-Zeckenmittel und einen Entwurmer, welchen wir Landshut verabreichten. Als es ihm am nächsten Tag aber noch schlechter ging, sind Kathi und ich mit dem Hund wieder nach Wa ins Veterarian Office gefahren. Dort ist er aber nach einer halben Stunde bangen leider auf dem Behandlungstisch gestorben…wirklich Schade, denn ich hatte diesen kleinen Hund wirklich ins Herz geschlossen.
Eintrag 16: Erlebnisse in der Zwischenzeit - 27. März 2018
Die Zeit fliegt und jetzt sind schon sieben Monate in diesem schönen Land rum. Im letzten Monat ist mal wieder erstaunlich wenig passiert. Wie ich ja schon öfter einmal erwähnt habe, ist Kaleo ein Dorf und auf einem Dorf gibt es nun mal etwas weniger zu tun als in einer Stadt. Zwar bin ich das Dorfleben von Zuhause gewöhnt, aber hier ist es doch noch ein bisschen anders. Da freut man sich wirklich über jede Gelegenheit, die sich einem bietet etwas Spannendes zu machen. Es passiert nicht oft, aber hin und wieder mal und so haben sich in den letzten 2 Monaten (ich habe im letzten Blogeintrag vergessen etwas zu erzählen, sorry) doch auch neben erdrückender Langeweile ein paar witzige Geschichten ereignet.
Eine dieser Geschichten ist die, dass Julius und ich mit Noah (einem Peace Corps Freiwilligen aus dem Nachbardorf Gbankor) auf eine Jagd gegangen sind. Wir sind mit Wurfstöcken bewaffnet mit rund 50 Einheimischen mitten durch den Busch gewandert und haben nach Kleintieren wie Hasen oder Buschratten gesucht. Viele der "größeren Jäger" waren zudem auch mit Gewehren bewaffnet, die sich allerdings weniger zum Jagen als zum wild in die Luft schießen eigneten. Begleitet wurden wir von circa 50 Hunden, die wohl die meiste Arbeit gemacht haben. Die Jagt hier lief wie folgt ab: Drei Weiße und 50 einheimische Jäger laufen mitten durch den ghanaischen Busch und hauen mit Stöcken auf jeden Laubhaufen oder auf alles, wo sich theoretisch ein Tier (egal ob gefährlich oder nicht) verstecken könnte. Sollte man ein Tier aufgescheucht haben (meistens war es ein Hase), läuft das Tier natürlich in irgendeine Richtung fort. Daraufhin laufen alle Jäger wie gestört dem einen Hasen hinterher und versuchen ihn mit den Wurfstöcken zu treffen, damit dieser stolpert und gefangen werden kann. Da das meistens nicht so klappt wie geplant, kommen die Hunde ins Spiel und jagen den Hasen bis zum bitteren Ende. Wenn die Hunde das Tier erwischt haben, muss man es diesen erst wieder entreißen und, was dann übrig bleibt, lässt sich meistens nicht mehr eindeutig als Tier identifizieren. Fleischfetzen mit Fell trifft es da wohl eher. Nach circa zweieinhalb Stunden ließ sich zum ersten Mal wieder Zivilisation in Form einer Straße blicken. Wir einigten uns dann darauf, uns von der Gruppe abzukapseln und auf eigene Faust der Straße zurück zum geparkten Motorrad zu folgen. Orientierungslos mussten wir erst mal einen Jäger fragen, in welche Richtung wir überhaupt der Straße folgen müssen. Die nächsten drei Stunden verbrachten wir dann damit, durch das Nichts einen Weg zurück zu finden, was trotz "Straße" nicht ganz so einfach war, da die Leute aus den umliegenden Dörfern uns gerne mal mitten durch den Busch leiten wollten und wir uns natürlich verlaufen haben. Nichtsdestotrotz hatten wir beim Wandern unter der prallen Sonne eine Menge Spaß und dem Schmarrn nach zu beurteilen, über den wir auf dem Weg geredet haben, haben wir wohl alle einen Sonnenstich gehabt.
Kurz darauf kam eine zweite Ablenkung vom Alltagstrott nach Kaleo: Eine Freiwillige aus Cape Coast, die wir von unserem Zwischenseminar kannten, besuchte uns mit einer Freiwilligen aus Togo. Gemeinsam mit Chris (dem Freund aus Kaleo, der wieder in der Heimat war) traten wir die Reise nach Wechiau an. Im September versuchten Julius und ich schon einmal, dort Nilpferde zu sehen, was aufgrund der Regenzeit aber nicht möglich war. Da zu diesem Zeitpunkt die Trockenzeit auf ihrem Höhepunkt war, standen die Chancen gut und tatsächlich konnten wir auch aus sicherer Entfernung zwei gewaltige Köpfe im Black Volta sehen. Dadurch, dass die Haut von Flusspferden sehr schnell austrocknet, müssen diese tagsüber unter Wasser bleiben und so konnten wir "nur" die Köpfe bestaunen.
Kurz nachdem die zwei Mädchen wieder Richtung Heimat aufgebrochen sind, gab es bei uns im Haus eine kleine Veränderung. Bislang haben Julius und ich aufgrund der spärlichen Wohnsituation immer noch in einem Raum gewohnt, doch dadurch, dass er sich damit nicht mehr wohlgefühlt hatte, entschied er sich, in die andere Haushälfte zu ziehen. Somit war ich zwei Tage damit beschäftigt, meine eigene Haushälfte auf Vordermann zu bringen und ich bin ziemlich stolz auf mich, dass ich das so schön hinbekommen habe. Mittlerweile fühle ich mich in meinem Raum richtig wohl. Dadurch, dass es durch die Veränderung der Wohnsituation auch einen kleinen Streit zwischen Julius und mir gegeben hat, dessen Auswirkungen sich bislang noch ziehen, gehen wir seitdem getrennte Wege. Das ist natürlich schade, aber das kann man nicht ändern. Man wird mit einem fremden Menschen zusammen in ein Land geschmissen und dem Motto, du musst das nächste Jahr mit dieser Person verbringen - da kann man Glück oder auch eben Pech haben.
Vor etwa zwei Wochen bekamen wir erneut Besuch von einem "Narsala" (Weißem Mann). Ein ehemaliger Freiwilliger, der seinen Dienst 2010/2011 in Kaleo absolviert hat, besuchte alte Freunde und neue Freiwillige. Gemeinsam mit Christopher sind wir zu seinem alten Pito-Spot gegangen und haben eine alte Tradition wiederbelebt. Es heißt, dass fast alle deutschen Freiwilligen (bis auf ein paar Ausnahmen) immer zu Celestina zum Pito trinken gegangen sind und ja, jetzt gehe ich auch dort hin. Außerdem habe ich von einem seiner alten Freunde aus dem Dorf etwas gelernt, was ich mir schon lange vorgenommen hatte: das Schlachten. Mir wurde also beigebracht, wie man hier in Ghana ein Hähnchen schlachtet und ausnimmt. Natürlich wollte ich nicht das Schlachten lernen, um irgendwelche sadistischen Neigungen zu befriedigen, nein, ich wollte das Schlachten aus zwei Gründen lernen: Zum Einen hat man kein Bewusstsein darüber, dass man Fleisch, also ein einst lebendiges Tier, isst. Somit habe ich mir gedacht, wenn man selber ein Tier schlachtet, zubereitet und isst, dass einem dadurch vielleicht etwas bewusster wird, was man eigentlich isst. Für mich schmeckt es immer noch gleich, nur dass ich weiß, dass es 100 Prozent frisch ist. Der andere Grund ist, dass man ja auch in Deutschland bis vor wenigen Jahren selber geschlachtet hat. Also warum es nicht einfach auch lernen, vielleicht kommt es einem irgendwann zu gute?
Das war nun aber auch das letzte "Spannende", was passiert ist.Seitdem ist es in Kaleo wieder sehr fad.
Nun noch ganz kurz etwas zum Wetter: Ende Februar bis März/April ist das Ende der Trockenzeit. Und das Ende der Trockenzeit ist so ziemlich das Schlimmste, was man wettertechnisch hier erleben kann. Im Gegensatz zur Mitte der Trockenzeit, wo es vielleicht Temperaturen von 35 bis 40 Grad hat und angenehm trocken ist, hat es am Ende der Trockenzeit Temperaturen von mehr als 40 Grad mit dem kleinen Extra, dass es zudem noch schwül ist. Das heißt, in Räumen ohne Ventilator kann man es kaum aushalten und, wenn man draußen ist, fühlt es sich an, wie wenn dir jemand mit einem Baseball-Schläger auf den Kopf schlägt. Weil es das Ende der Trockenzeit ist, hat es vereinzelt auch schon einmal geregnet. Nein, es hat sogar geschüttet. Das ist eigentlich ganz angenehm, wenn da nicht ein kleines negatives Detail wäre: Neben dem monsunartigen Regen geht zudem auch noch ein starker Wind. Besonders schön wird es, wenn es gegen mein Fenster regnet, weil dieses nicht dicht hält. Somit regnet es gerne mal in mein Bett, was besonders nachts sehr angenehm ist. Ein anderer witziger Fakt ist, dass es, wenn es regnet, wahnsinnig abkühlt auf 25 Grad. Dann friert es mich sehr und ich sitze im Pulli da.
Seit zwei Wochen fällt das Unterrichten aufgrund der Terminal-Exams (Examen am Ende eines jeden Terms) aus und ich muss nur einmal pro Tag für circa zwei Stunden bei einem Examen Aufsicht machen. Den Rest des Tages habe ich nichts zu tun und ich muss mir immer was suchen um die Zeit totzuschlagen. Glücklicherweise nur noch bis Ostern, denn Anfang April kommen Kathi und Lukas, die Freiwilligen aus der Volta Region nach Upper-West, um uns zu besuchen. Da kommt dann endlich mal wieder Leben nach Kaleo und darauf freue ich mich schon narrisch.
Eintrag 15: Beerdigung, Tarantel und vieles mehr - 15. Februar 2018
Bislang ist nicht viel Spannendes passiert, außer einem Ereignis: Eine Beerdigung in Jirapa. Ich dachte ja, dass mich nach fast einem halben Jahr in Ghana nichts mehr so schnell zum Kopfschütteln bringt, aber da habe ich mich getäuscht. Aber warum genau?
Auf dem Bild sieht man einen Mann, der auf einem Podest sitzt. Um ihn herum laufen Leute und jammern. Der Mann der auf dem Podest sitzt heißt Justine Abobo Tabong und ist bereits seit über einem Monat tot (natürlich sitzt er nicht seit einem Monat dort!). Die Leute die um ihn herumgehen und jammern bewerfen ihn mit Münzen. Justine Abobo Tabong sitzt da nicht für eine Stunde, oder zwei, nein, er sitzt da den ganzen Tag und die ganze Nacht über, also fast 24 Stunden. Bevor der gute Mann aber eingegraben wird, findet auf dem Platz noch eine Art Autorennen statt. Das heißt, Autos, Motorräder, Busse und LKWs driften mit Vollspeed um das Podest herum und erzeugen damit fast ein paar neue Leichen. Das war das erste Mal, dass ich den Totenkult in der Upper-West Region live miterleben durfte und ich finde es nach wie vor makaber. Heutzutage wäre es in Deutschland undenkbar, eine Leiche so öffentlich zur Schau zu stellen und diese dann auch noch mit Geld zu bewerfen, geschweige denn mit Autos um den Körper herumzufahren und alles einzustauben. Ich bin zwar, wie alle Anderen auch ein paar Mal um den Toten herum marschiert, dennoch habe ich mich gehütet ihn mit Münzen zu bewerfen, dazu konnte ich mich nicht überwinden.
Das ist der erste Grund der mich zum Kopfschütteln brachte, der Zweite war die Rolle der Frauen, welche mit dem Toten verwandt sind und die Beerdigung so gesagt organisieren. Wir wurden zu der Beerdigung von Monica, unserer Mama, eingeladen, da sie mit dem Toten irgendwie verwandt ist, fragt mich nicht! Sie und ihre Schwestern, die extra deswegen aus Bolga und Tamale angereist sind, haben schon die komplette Woche davor das Kochen angefangen. Ich, da ich eh nix zu tun hatte, habe geholfen, wo ich konnte. Doch die eigentliche Wahnsinnstat der Frauen war die Beerdigung selbst. Dort arbeiten sie ungelogen über 24 Stunden durch, kochen, putzen, bedienen Gäste, trauern, feiern und das alles ohne eine Minute Schlaf. Ich frage mich wirklich wie sie das aushalten, so ganz ohne Kokain oder anderen erregenden Drogen. Für mich fast unmenschlich, aber es scheint, die ghanaischen Frauen sind härter gesonnen als die europäischen.
Afrika ist doch ein wenig gefährlicher als ich dachte, letztens krabbelte ein circa handgroßes Vieh neben mir an der Wand. Vollkommen fasziniert von der riesigen Spinne holte ich meinen ghanaischen Mitbewohner und zeigte es ihm. Völlig entsetzt sagte er, ich solle schnell weg, das sei eine Tarantel (SEHR GIFTIG)! Nun ja, das Vieh wurde dann mit dem Schuh erschlagen und die Ameisen kümmerten sich um den Rest.
Eintrag 14: Landshut auf vier Beinen - 15. Februar 2018
Landshut ist nicht nur eine Stadt in Niederbayern, nein, Landshut ist auch der Name eines Hundes in der Upper-West Region in Ghana. Ich weiß, man kann sich jetzt über dieses Vorhaben streiten, und es gibt viele Punkte, die dagegen sprechen, dennoch habe ich mir hier einen Hund zugelegt und ihn Landshut getauft. Nein, meine Damen und Herren, ich werde ihn nicht essen! Erstens isst man hier nie seinen eigenen Hund (höchstens den des Nachbarn) und zweitens ist an dem eh nix dran. Er ist noch klein und deswegen peppen wir ihn auf, bis er groß und stark wird. Mitnehmen werde ich ihn leider nicht können, deswegen werde ich ihn nach diesem Jahr zu Freunden geben, von denen ich weiß, dass sie tierlieb sind und er dort gut aufgehoben ist, oder die nächsten Freiwilligen (falls welche kommen), übernehmen ihn.
Eintrag 13: Malaria und andere Krankheiten - 15. Februar 2018
Es scheint, dass ich mir von jedem Urlaub eine kleine Sache mitbringe, die sich negativ auf meine Gesundheit auswirkt. Letztes Mal war es eine Lebensmittelvergiftung, dieses Mal war es die Krankheit schlechthin, die man sich holt, wenn man schon mal in Ghana ist: Malaria. Etwa eineinhalb Wochen nach der Ankunft in Kaleo habe ich Fieber bekommen. Nicht so schlimm, da haut man sich eine Paracetamol und eine Ibo 400 rein, dann geht das schon wieder, kein Grund ins Krankenhaus (das ersetzt hier den in Deutschland üblichen Hausarzt)zu gehen. Als mir dann untertags neben dem hier nahezu allgegenwärtigem Durchfall, gelegentlich noch übel wurde und ich vor dem Einschlafen Schüttelfrost bekam, hatte ich alle Malariasymptome beisammen und so blieb mir nichts anderes, als am nächsten Tag doch ins Krankenhaus zu schauen. Dort wurde dann meine Befürchtung bestätigt. Als mir die Krankenschwester nach dem Malaria-Schnelltest mit besorgtem Blick mitteilte, dass ich Malaria habe, habe ich mich sogar ein klein wenig gefreut, dass es mich jetzt endlich, nach fast halbjähriger Wartezeit auch erwischt hat und ich von mir jetzt auch behaupten könnte zu den "glücklichen" Auserwählten der Mücken gehören zu dürfen. Doch glaubt mir, diese Euphorie hält nicht lange an! Um euch jetzt unschöne Details zu ersparen, fasse ich Malaria nur ganz knapp zusammen: Für mich war es bis jetzt das Schlimmste, was ich jemals hatte. Eine gewöhnliche Grippe ist nichts dagegen. Ich lag nur im Bett und hatte nicht mal die Kraft aufs Handy zu schauen. Dazu kam noch eine ebenfalls schreckliche Nebenwirkung des Malaria Medikaments: Ich wurde für kurze Zeit taub. Natürlich nicht ganz, aber fast. Es fühlte, oder beziehungsweise, es hörte sich an, als ob mir jemand Oropax in die Ohren steckt. Also alles in Allem: Falls ihr mal in eine Malariaregion kommen solltet, hofft nicht, dass ihr Malaria bekommt. Witzigerweise haben neben mir noch acht andere Freiwillige nach dem Seminar an der Küste Malaria bekommen, also die Chancen stehen gut, dass die Mücken dort so böse waren. Jetzt geht es mir wieder gut und ich bin gesund. Also fast. Es hat hier letzte Woche wieder einen Wetterumschwung gegeben. Was heißt das? Das Wetter ist von leicht bewölkt und Temperaturen um die 30-35 Grad auf unerbittlich brüllenden Sonnenschein bei 40 Grad plus umgeschwungen. Dies hat das Ende der Harmattan Saison und somit den Anfang der Hitze-Phase eingeläutet. Ob man's glaubt oder nicht, aber die Leute werden hier auch von Hitze krank. So auch ich. Mal wieder. Seit ein paar Tagen nehme ich wieder fleißig Antibiotika und hoffe, dass mein Schupfen und die daraus resultierende Mandelentzündung bald wieder verschwinden.
Eintrag 12: Schluss mit lustig (Auf Rundreise Teil 5) - 16. Januar 2018
Irgendwann geht auch die schönste Zeit vorbei und die Pflicht ruft. Wir hatten ein verpflichtendes Zwischenseminar, um über unseren Freiwilligendienst und zum Beispiel über den Kolonialismus zu reden. Dieses fand wieder in der Nähe von Cape Coast statt, und es ging den altbekannten Weg über Accra zurück, wo unsere Reise begonnen hat. Über das Seminar gibt es relativ wenig zu berichten, außer dass uns gesagt wurde, dass die Rolle, die wir in Upper-West als Lehrer haben, zu viel ist und so nicht sein sollte. Also blöd gesagt, wir sollten auf keinen Fall so viel Verantwortung haben und so viele Klassen unterrichten, da dies nicht das Ziel eines Freiwilligendienstes sein sollte. Uns wurde auch geraten, uns an unsere Organisation zu wenden, damit das gegebenenfalls geändert werden könne. Klar, wir haben viel Verantwortung und sind für die Zukunft der Schüler mitverantwortlich, aber es gibt nun mal keine andere Option. Mit Julius und mir sind es genau vier ICT-Lehrer für über 1600 Schüler. Da kann man es sich nicht leisten, zu sagen: "Ne, also das ist mir jetzt zu viel, das ist nicht meine Aufgabe." Es ist eine Zwickmühle, die man wohl nie korrekt lösen können wird. Dann ging auch das Seminar mit viel Spaß, guter Laune und netten Menschen zu Ende. Glücklicherweise haben uns vier Mädchen von unserem Seminar, die wir bis dato nicht kannten, angeboten, dass wir eine Nacht bei ihnen in Ashaiman in der Nähe von Accra verbringen könnten, bevor es zurückgeht. Sonst hätten wir es zeitlich nicht geschafft. So wurde unsere fast vierwöchige Reise um einen Tag verlängert. Unverhofft kommt oft, und so haben wir neue Freunde gefunden, die uns hoffentlich auch bald in Kaleo besuchen kommen.
In der Früh sind wir endlich angekommen und sahen uns gleich mit unschönen Überraschungen konfrontiert.
1. In unsere Küche wurde anscheinend eingebrochen und unser Reiskocher wurde geklaut.
2. Aufgrund des Harmattans lag in unserem Haus eine dicke Sand- und Staubschicht über ALLEM!
3. Unsere Toilette funktionierte nicht mehr, weil der Spülkasten ausläuft.
Und 4. Der Verschluss unserer Gasflasche ist kaputt gegangen und läuft aus. Jetzt heißt es erstmal putzen und reparieren...
Obwohl ich nicht weiß, was ich den Schülern in ICT in den zwei theoretischen Stunden beibringen soll und ich dafür auch so schnell keine richtige Lösung finden werde, freue ich mich doch auf den neuen "Term" und bin gespannt, was die restlichen siebeneinhalb Monate so alles bringen!
Eintrag 11: Haarsträubender Aufstieg (Auf Rundreise Teil 4) - 16. Januar 2018
Silvester verbrachten wir ganz ruhig daheim, da anscheinend die Ghanaer erst in der Nacht zum 2. Januar feiern. Also haben wir bloß ein paar Bier getrunken und für uns selber gefeiert. Den 1. Januar haben wir dann jedoch in Ho, einer größeren Stadt etwa eine Stunde mit dem Tro-Tro entfernt, verbracht. Wir konnten bei einem Lehrerkollegen von Kathi und Lukas übernachten und hatten einen schönen Abend. Auch wenn er für mich wegen kleinerer gesundheitlicher Beschwerden schon etwas früher enden musste.
Da es mir am nächsten Tag wieder besser ging, machten wir einen Ausflug: Mit einem Moto-Taxi ging es in ein anderes Dorf (ich kann mir die ganzen Namen leider nie merken), wo eine Feier stattfinden sollte. Das Dorf versammelte sich und ging zu einem Wasserfall "ganz in der Nähe". In Flip-Flops wanderten wir also eine Stunde lang mitten durch den Dschungel. Schließlich kamen wir bei einem eher kleineren Wasserfall an. Um es doch noch ein bisschen schöner zu machen und den Vorschlägen der Einheimischen folgend, badeten Lukas und ich und "duschten" im kühlen Wasser des Wasserfalls (ja, Mama, ich weiß, dass es gefährlich ist!).
Eines der schönsten Dinge, die man in Volta machen kann, ist die Monkey Sanctuary in Tafi Atome zu besuchen. Man bezahlt einen Guide und kauft ein paar Bananen. Dann geht es in den Wald. Der Guide macht ein paar Geräusche, und von überall her kommen Affen, die man mit den Bananen füttern kann. Ich hatte selten so viel Spaß wie dort!
Der letzte und wohl anstrengendste Ausflug, den wir in der Volta-Region unternahmen, ging zu den Wli-Falls. Sie sind mit die größten Wasserfälle, die es in Ghana zu sehen gibt. Wir liehen uns also ein Motorrad aus und fuhren rund eineinhalb Stunden durch die kühle Morgenluft durch das grüne Volta. Doch was uns bevorstand, hätte ich mir nicht ausmalen können. Wir entschieden uns für die kürzere vierstündige Tour zu den oberen Wasserfällen. Die lange Tour wäre ein gemütlicher Weg über die Berge gewesen, doch der kurze Weg ging direkt durch den Dschungel, und zwar steil bergauf, sodass man ohne Wanderstock (den man uns glücklicherweise davor gegeben hat) oft verloren wär. Bergsteigen in den Alpen ist nichts dagegen, doch der Lohn ist umso besser. Oben hat man eine wunderschöne Aussicht auf die dicht bewaldeten Berge von Ghana. Der Ausblick mit den Geräuschen des Wasserfalls und dem Vogelgezwitscher ergibt ein atemberaubendes Bild.
Nur eine Sache erinnerte an die Alpen: Dort oben geht ein richtig kalter Wind, das Baden im oberen Becken ist nur was für Hartgesottene. Mir war's zu kalt, deswegen sind wir im unteren Becken schwimmen gegangen. Was allerdings immer noch saukalt war.
Auf dem Rückweg brachte einem der Wanderstock nicht mehr viel. Natürlich bin ich hingeflogen. Und zwar genau auf die Stelle, die ich mir am Tag zuvor am Auspuff von Lukas Motorrad verbrannt hatte. War ja klar, oder?
Auf dem Rückweg kamen uns zwei Amerikaner entgegen. Ich hörte die Frau schon von weitem rufen: "Max? What a nice place to run into you!". Ich traf also mitten im ghanaischen Dschungel eine Peace Corps-Freiwillige, die ebenfalls in der Upper-West-Region arbeitet und mit der ich bereits ein Bier getrunken habe. Zufälle gibt's!
Eintrag 10: Dreadlocks für mich (Auf Rundreise Teil 3) - 16. Januar 2018
Unser nächster planmäßiger Halt wäre Fume in der Volta-Region gewesen, das Dorf, in dem Kathi und Lukas wohnen. Da aber diese Reise von Cape Coast aus sehr lange gedauert hätte und wir uns nicht allzu viel Stress antun wollten, machten Julius und ich noch einen dreitägigen Zwischenstopp in Big Milly's Backyard in Kokrobite, während unsere zwei Freunde aus Fume schon zurückfuhren. Über Kokrobite habe ich ja in meinem letzten Blogeintrag geschrieben, und weil es bis auf das Reise-Mitbringsel schön war, sind wir einfach nochmal dort hingefahren. Es war sehr schön, dass sich die Leute dort, obwohl ich nur ein paar Tage dort gewesen war, an mich erinnerten. Ich habe mir ja meine Haare lang wachsen lassen, weil ich mir Dreadlocks machen wollte. Zufälligerweise habe ich in Kokrobite einen Rasta getroffen, der das hauptberuflich macht (das hat er mir zumindest gesagt). Jedenfalls bin ich dann mit zu seinem Shop und er hat sich an die Arbeit gemacht… Naja, man siehe selbst das Ergebnis…
Nachdem wir uns genügend entspannt hatten, machten wir uns auf den Weg in die Volta-Region. Und wer hätte es gedacht, unser Weg führte uns wieder mal nach Accra. Nach ein bisschen Rumgefrage haben wir aber dann die richtigen Tro-Tros gefunden, und langsam fing ich an, Accra gar nicht mehr so zu hassen. Ganz glatt lief natürlich nicht alles: Auf dem viereinhalbstündigen Weg nach Fume ging unser Tro-Tro kaputt. Bei einem Schlagloch ist einfach der hintere Stoßdämpfer abgefallen. Wir saßen eine Weile fest, bis sich der Fahrer entschlossen hat, trotz fehlendem Stoßdämpfer bis zum nächsten Dorf weiterzufahren. Nach über einer halben Stunde Wartezeit sind wir doch zur Erkenntnis gekommen, dass es noch wesentlich länger dauern würde. Wir schnappten also unser Gepäck und sind, begleitet von einem Ghanaer, dem es ebenfalls zu blöd wurde, ein anderes Fahrzeug suchen gegangen.
Die Volta-Region in Ghana ist großenteils sehr bergig, die Landschaft unvergleichbar schön, und Julius und ich hatten jetzt knapp über eine Woche Zeit, uns die schönsten Ecken von Kathi und Lukas zeigen zu lassen. Das erste, was man uns zeigte, war quasi direkt vor unserer Haustür: der Mount Gemi. Zu dritt auf Lukas Motorrad ging es eine hügelige Piste bergauf zum nächsten Dorf. Auf dem Weg wären wir fast ein paar Mal umgekippt. Von dort aus ging es etwa eine Stunde einen kleinen, steilen Trampelpfad mehr oder weniger direkt durch den lichten Wald bis zum Berggipfel. Da der Harmattan mittlerweile auch die Volta-Region erreicht hat und deswegen recht viel Staub in der Luft ist, war die Aussicht eher bescheiden. Doch nichtsdestotrotz war es ein schöner, wenn auch anstrengender Ausflug.
Am nächsten Tag kam eine etwas weniger schöne Aufgabe auf uns zu: Wäsche waschen. Wir hatten zwar beide für mehr als eine Woche Wäsche gepackt, allerdings ist das Klima im Süden anders als im Norden. Im Norden ist es zwar extrem heiß, aber dafür staubtrocken. Man schwitzt nicht viel, trotz hoher Temperaturen. Im Süden ist es anders: Die Temperaturen sind nicht so hoch, dafür herrscht eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit. Da wir das nicht gewohnt sind, waren unsere T-Shirts und Hemden nach einem Tag komplett durchgeschwitzt und nicht mehr tragbar. Wir schnappten uns ein paar Wannen und liefen zu einem kleinen Wasserfall in der Nähe von Fume. Begleitet von lauten ABBA-Liedern wurde das Waschen lustig und gar nicht mehr so schlimm, vor allem, wenn man nebenbei noch im Wasser badet. Allerdings hatten wir eine Sache nicht bedacht: Nasse Wäsche wiegt mehr als trockene. Wir schleppten sie auf die ghanaische Art zurück: auf dem Kopf. Damit zogen wir allerhand ungläubige Blicke von den Einheimischen auf uns.
Eintrag 9: Weihnachten unter Palmen (Auf Rundreise Teil 2) - 16. Januar 2018
Weihnachten verbrachten wir großenteils am Strand unter Palmen. Abends haben wir bei Lisa und ihrer Mitbewohnerin Maike Würschtl gegrillt und Nudelsalat gemacht. Wir verbrachten einen wirklich schönen und besinnlichen Abend mit Weihnachtsliedern, sodass sogar Weihnachtsstimmung aufkam. Natürlich war es nicht dasselbe wie daheim, und auch, wenn ich meine Familie beim Essen und bei der Bescherung vermisst habe, war es ein wunderschöner Abend mit Leuten, denen es wahrscheinlich genau so ging. Jedoch war Ablenkung nahe: Nach dem Essen ging es in eine Bar direkt am Strand, wo wir Weihnachten noch ausgiebig mit anderen Freiwilligen, Einheimischen und einer Menge Bier feierten. Es war ein einzigartiges Weihnachtsfest. Vorziehen würde ich es dem traditionellen Weihnachten daheim nicht. Aber einmal im Leben geht das schon.
Die Tage nach Weihnachten verliefen ziemlich ruhig. Auch in Ghana sind die Weihnachtsfeiertage wirkliche Feiertage, und somit war in den Straßen nicht allzu viel los. Wir schauten also ein paar Filme, gingen zum Strand, entspannten und genossen einfach die Zeit, die wir alle miteinander haben. Dadurch, dass Cape Coast eher westlich geprägt ist, konnten wir ein bisschen dem Ghana-Lifestyle aus der Upper-West-Region entkommen und auch mal westliches Essen, wie Pizza und Waffeln, genießen. Zwar liebe ich das ghanaische Essen sehr, und ich könnte jeden Tag Fufu essen. Aber ein bisschen Abwechslung tut wirklich gut!
So verstrichen die Tage. Lukas, Kathi, Julius und ich machten noch einen letzten Ausflug, bevor die Reise weiterging. Wir fuhren zum Kakum National Rain Forrest, einem Nationalpark, der, wie der Name schon erahnen lässt, sich im Regenwald befindet. Das Besondere daran ist der sogenannte Canopy Walk. Dort wandert man auf Hängebrücken 40 bis 60 Meter über dem Regenwald. Auch wenn der Weg nicht besonders lang ist, hat man von dort oben aus einen einzigartigen Ausblick über den tropischen Regenwald. Höhenangst sollte man jedoch nicht haben.
Auf unserer Tour haben uns eine amerikanische Großfamilie begleitet, von der sich einige nicht getraut haben, den Canopy Walk zu besteigen. Leider konnte ich die Angst von einem jungen Mann nicht nehmen, der meinte, dass er da nie wieder runterkommen werde.
Eintrag 8: Endlich wieder bayerisch! (Auf Rundreise Teil 1) - 16. Januar 2018
Eine kleine Ewigkeit ist's her, seit ich meinen letzten Blogeintrag geschrieben hab. Der Grund dafür ist zum einen die Ereignislosigkeit in der Vorweihnachtszeit und zum anderen der Stress, den ich hatte. Dafür entschuldige ich mich.
Zunächst einmal: Warum war denn die Zeit vor Weihnachten so ereignislos und doch so stressig? Vor den Weihnachtsferien haben die Schüler der Kaleo Senior High Technical School die sogenannten "End-of-Term-Examinations" geschrieben. Nach jedem "Term" (es gibt drei davon in einem Jahr) kommt ein Examen auf die Schüler zu. Genauso, wie die Schüler dafür lernen und sich vorbereiten mussten, hatte ich auch nicht wenig zu tun. Ich, als "vollwertiger Lehrer", musste mir Fragen für die Examen ausdenken, ein paar extra Unterrichtsstunden geben, damit meine Schüler bestehen, und dann so gut wie jeden Tag bei anderen Examen Aufsicht machen. Privat wurde es passend zur Vorweihnachtszeit auch alles andere als entspannt. Ich habe mich bemüht, unser Haus etwas weihnachtlich zu dekorieren, damit auch bei über 30 Grad Weihnachtsstimmung aufkommt. Als dann aber kurz vor Weihnachten die Beziehung mit meiner Freundin ein Ende gefunden hat, war es natürlich endgültig vorbei mit der Weihnachtsstimmung, und da konnte auch kein Plastik-Christbaum, kein Lametta, nicht die selbstgemachten Platzerl, die mir meine Mama geschickt hat, und auch nicht die Weihnachtsmusik, die ich seit November gehört habe, mehr helfen. Somit konnte ich mich nur damit begnügen, über 200 Examen meiner Schüler zu korrigieren und bei gefühlt jedem zweiten meine Kompetenz als Lehrer in Frage zu stellen. Nein, natürlich war es nicht ganz so schlimm. Dennoch musste ich mich bei manchen Schülern fragen, ob diese überhaupt meinem Unterricht beigewohnt haben…
Doch glücklicherweise war die ersehnte, freudige Ablenkung und auch das Hauptthema dieses Blogeintrags nahe: eine Reise durch halb Ghana. Als die Ferien für die Schüler und somit auch für uns anfingen, machten wir uns abends mit dem Nachtbus auf die Reise zu unserem ersten Ziel: Cape Coast. Wie bei so gut wie jeder Reise, die man von der Upper-West-Region in den Süden unternimmt, führen alle Wege erst mal in die Hauptstadt Accra, mit der wir ja anfangs so gute Erfahrungen hatten (man siehe den zweiten Blogeintrag). Dieses Mal ging es überraschenderweise eher reibungslos vonstatten. Wir fragten einen Mann, der mit uns im Bus gefahren ist, einfach nach dem Weg. Der setzte sich mit uns in ein Taxi zur nächsten Tro-Tro-Station. Nach einer halben Stunde Wartezeit ging es also los und wieder raus aus Accra. Auf dem Weg Richtung Cape Coast stehen am Straßenrand Schilder, die vor dem Zuschnellfahren warnen sollen. Diese Schilder zeigen eine grausame Wahrheit: Dort standen Sätze wie "6 persons died here - Overspeeding kills". Und von diesen Schildern gibt es auf dem Weg leider Gottes nicht gerade wenig, und der Fahrstil unseres Tro-Tro-Fahrers ließ erahnen, warum es so viele Schilder gibt. Nach drei Stunden unter teilweise Todesangst konnten wir unbeschadet in Cape Coast aussteigen, wo wir vorhatten, Weihnachten mit den anderen Ghana-Freiwilligen unserer NGO zu verbringen. Nachdem wir unsere aufregende Fahrt am Strand und im Meer verdaut hatten, trafen wir uns mit Lisa, die in Cape Coast ihren Freiwilligendienst absolviert und bei der wir für die Zeit unterkamen, Lukas und Kathi, die beide in der Volta-Region wohnen. Ganz besonders habe ich mich auf Kathi gefreut, weil ich endlich wieder jemanden hatte, mit dem ich bayrisch reden kann!
Eintrag 7: Ein schönes Reisemitbringsel - 23. November 2017
Vergangene Woche waren Mid-Term-Ferien in Ghana. Das heißt, ich hatte offiziell eine Halbe Woche frei zum Relaxen. Also fragte ich schon ein paar Wochen davor bei Klara, einer Freundin, mit der ich gerade das Abitur gemacht habe und die zufällig auch ein freiwilliges soziales Jahr in Ghana macht, ob ich sie nicht besuchen kommen könnte. Sie lebt derzeit mit einem weiteren Mädchen aus Nürnberg und vier Jungen aus Österreich in der Institution der Brüder Don Bosco in der Nähe von Sunyani. Da sie aber auch Mid-Term-Ferien hatten und gerne an die Küste wollten, einigten wir uns darauf, dass ich mit ihnen an die Küste fahre.
Da die Gruppe aus Sunyani schon Mittwochabend die Reise an die Küste antreten wollte, beschloss ich, schon am Dienstag anzureisen. Man weiß nie, wie lange man in Ghana für eine Strecke von über 300 Kilometern braucht. Der Bus sollte um 6 Uhr morgens abfahren und so war ich auch pünktlich an der Busstation. Nur der Bus war nicht da. Die Frau am Schalter versicherte mir jedoch, dass der Bus bald kommen würde und ich dann mein Ticket kaufen könnte. Allerdings könnte ich auch mit dem Bus nach Kumasi fahren, müsste aber dann umsteigen. Nach einer halben Stunde, in der der Bus nach Sunyani immer noch nicht gekommen war, sagte die Frau am Schalter, dass sie jetzt auch nicht mehr wisse, ob der Bus überhaupt noch kommt. Also beschloss ich widerwillig ein Ticket nach Kumasi zu kaufen. Gerade als ich das Ticket gekauft hatte und meinen Sitzplatz einnahm, fuhr natürlich der andere Bus ein, den ich eigentlich hätte nehmen müssen. Tja, zu spät!
Dieses Glück verfolgte mich dann noch ein bisschen weiter: Nachdem wir nicht einmal 20 Minuten gefahren sind, ging der Bus kaputt und wir mussten fast zwei Stunden auf einen Ersatz warten. Währenddessen fuhr natürlich der Bus nach Sunyani an uns vorbei und ich kam mir ziemlich verarscht vor. Der Rest der Reise verlief dann recht reibungslos, bis zu dem Punkt, als mich ein älterer Mann dazu aufforderte in irgendeiner Stadt auszusteigen, weil er auch nach Sunyani müsse. Also bin ich ihm einfach mal gefolgt und so stiegen wir in ein Taxi, das uns dann auch tatsächlich dorthin brachte, wo wir hin wollten.
Den nächsten Tag verbrachte ich damit, mir die Arbeit von Klara zeigen zu lassen und über den so genannten Wednesday-Market zu schlendern, bevor es mit dem Nachtbus Richtung Accra ging. Der Markt war in Sachen Größe nicht zu vergleichen mit dem Markt in Wa und so konnte ich mich erst gar nicht an den verschiedenen Sachen satt sehen.
Ich durfte sogar noch einen Blick in die Arbeit der Don-Bosco-Freiwilligen erhaschen. Klara, die Freundin aus Landshut, hat in Sunyani nachmittags oft die Aufgabe, auf kleine Kinder aufzupassen. Dabei durfte ich live dabei sein. Das hat sich ungefähr so abgespielt, wie man es sonst nur aus Dokumentationen kennt: Alle Kinder kommen auf dich zugerannt, umarmen dich, oder klettern an dir hoch. Dabei rufen sie ganz laut "Obruni", was "weißer Mann" auf Twi, die am weiten verbreiteteste Sprache in Ghana heißt. Es ist zwar verdammt anstrengend und ich habe keine Ahnung, wie Klara das jeden Tag aushält, aber es ist doch auch irgendwo schön, wenn man in glückliche Kinderaugen schaut.
Abends kletterten wir dann auf die Ladefläche eines Pickups und fuhren darauf zur Busstation, um den Nachtbus nach Accra zu nehmen. Unglaublicherweise hat dies einwandfrei geklappt und so kamen wir um halb vier in der Nacht in Accra an. Eine Zeit, in der man normalerweise besonders als Weißer NICHT in Accra herum streifen sollte!
Glücklicherweise stand uns auch gleich ein Tro-Tro zur Verfügung, dass wir nach einigem Verhandeln um den Preis, nach Kokrobite nahmen.
Lage Rede, kurzer Sinn: Eine Stunde später standen wir standen wir in unserer Herberge, Big Milly's Backyard, welche direkt am Strand war und bezogen unsere Betten in einem Schlafraum für 33 Cedi (weniger als 7 Euro) die Nacht.
Da wir für die erste Nacht, die ja schon fast vorbei war, nichts bezahlen mussten, investierten wir das Geld gleich darauf in ein Bier, setzten uns an den Strand und warteten auf den Sonnenaufgang. Als endlich die ersten Sonnenstrahlen das morgendliche Ghana küssten, "füllte" sich der Strand auch schon mit Gras rauchenden Rastas und den ersten Fischern. Einer der Rastas stieß mit einem Stock ein Paar Kokosnüsse von der Palme, unter die wir uns gesetzt haben, und gab uns die Kokosmilch zu trinken, bevor wir im Meer baden gingen. Besser konnte der erste Tag nicht beginnen!
Die restlichen Tage verbrachten wir meistens am Strand und im Wasser, was jedoch nicht ganz ohne ist. Zwar ist das Meer, obwohl es der Atlantik ist, angenehm warm. Die Wellen sind jedoch saugefährlich. Sie sind teilweise zwei Meter hoch und bei Ebbe wird man schnell ins offene Meer gezogen, so dass man wirklich kämpfen muss, um zurück zu kommen. Für Surfer ein Paradies, für Schwimmer eher schlecht! Wenn wir nicht gerade im Wasser waren, sind wir mit ein paar Einheimischen abgehangen oder in Kokrobite herumspaziert, wobei mir ein großer Unterschied zum Norden aufgefallen ist: Dort an der Küste ist, wer hätte es gedacht, alles sehr touristisch ausgelegt und die Leute versuchen wirklich, dich bei allem abzuzocken. Wenn man aber schon fast drei Monate in Ghana lebt, bekommt man dafür bereits ein kleines Gespür.
Gefrühstückt haben wir immer in unserer Unterkunft - nicht ganz billig, aber dafür "gut". Unter anderem gab es dort auch ein Breakfast-Baguette, mit Bohnen, Ei und Wurst, das einer meiner Mitreisenden zwei Mal zum Frühstück gegessen hatte und das verdammt gut aussah. Zwar hatte er sich danach immer über kleine Magenprobleme beklagt, aber das war es mir am vorletzten Morgen wert… Meine Damen und Herren: Ein Fehler! Anfangs hatte ich zwar auch nur ein flaues Gefühl im Magen, aber über Nacht transformierte sich dieses Gefühl in starke Bauchkrämpfe, die bis zum nächsten Tag nicht besser wurden, der Tag, an dem ich über zwölf Stunden mit dem Bus nach Wa fahren musste…
Weil es aber alles nix half machte ich mich Sonntagvormittag wieder auf den Weg zurück nach Accra und rief Chris an, meinen besten Freund aus Kaleo, der gerade in Accra studiert. Spontan wurde ich dann von ihm auf die Hochzeit im familiären Kreis seines Onkels eingeladen, bei der ich überraschenderweise viele bekannte Gesichter aus Kaleo zu sehen bekam. Die eigentliche Hochzeit wäre am Tag zuvor gewesen, bei der über 1000 Leute eingeladen waren. Ich habe mal in einem Blogeintrag geschrieben, dass einer von Chris' Onkel ein wichtiger Mann in der ghanaischen Polizei ist. Am Sonntag war nur eine Art Nachfeier im engsten Kreis. Nichtsdestotrotz war es schön und ich wurde ein wenig von meinen Bauchproblemen abgelenkt. Dennoch musste ich mir vor der Busfahrt noch ein Medikament für die nächsten 12 Stunden holen und die Apothekerin gab mir eines gegen Amöbenruhe. Ich war erst ein bisschen verwirrt, aber mir blieb nichts anderes übrig, als es zu nehmen. Im Bus legte ich mich gleich schlafen, um die qualvolle Zeit so gut wie möglich zu überstehen. Als sich mein Gemütszustand zurück in Kaleo noch verschlimmerte, musste ich ins Krankenhaus. Und mein Lieblings-Mitbringsl aus Kokrobite war dann eine Lebensmittelvergiftung. Zwar wollte mich der Arzt über Nacht noch im Krankenhaus behalten, aber lieber sterbe ich daheim als in einem Krankenhaus.
Eine Hiobsbotschaft folgte der anderen: Am nächsten Tag musste ich erfahren, dass während ich weg war, meine Lieblingsbar einfach abgebrannt ist… Es heißt, es war Brandstiftung, aber wer würde denn eine Bar anzünden und vor allem, meine Stammbar? Nun ja, jetzt habe ich alles überstanden und heute sind die ersten drei Monate um, das heißt: Ein Viertel meines Freiwilligendienstes ist bereits vorüber. Wenn ich jetzt Bilanz ziehen müsste, würde ich sagen, dass es hier wirklich schön ist und es geht mir meistens gut. Warum nur meistens? Natürlich gibt es immer wieder Probleme hier, vor allem, was den Unterricht angeht. Es fällt mir echt schwer, in eine Klasse reinzugehen, ohne zu wissen, was ich ihnen jetzt eigentlich noch beibringen soll. Wenn man mit der Theorie schon längst fertig ist, man schon zum zehnten Mal alles wiederholt hat und man vor einer Klasse steht, die endlich mal Computer benutzen wollen und du es ihnen einfach nicht ermöglichen kannst, ist das ziemlich deprimierend. Oft hat man hier nicht viel zu tun und man muss sich die Zeit irgendwie todschlagen. Dann kommt es natürlich auch mal vor, dass man zu denken anfängt, ob die Entscheidung, nach Ghana zu gehen, richtig war, vor allem wenn man sich gerade mit der Freundin über WhatsApp streitet. Manchmal vermisst man Deutschland, die Familie, die Freunde und die Freundin. Manchmal denkt man sich hier einfach nur: "What the fuck?" Manchmal hat man hier tagelang kein fließendes Wasser und man möchte doch so gerne mal wieder richtig duschen und sich nicht mit einem Eimer Wasser waschen. Aber meistens bin ich hier glücklich und genieße jeden einzelnen Augenblick meines Auslandsjahres, weil ich mir denke, dass das hier eine einzigartige und einmalige Zeit ist und ich jetzt schon Ghana und das Leben hier vermisse, wenn ich nur daran denke wieder in Deutschland zu sein
Eintrag 6: Der Alltag kehrt ein - 14. November 2017
Lang, lang ist's her, seitdem ich was geschrieben habe. Grund dafür ist der Alltag, der sich langsam aber sicher hier breit macht. Es passiert nicht jeden Tag ein neues Abenteuer, eher setzt eine Art Trott ein. Aber ganz ereignislos waren die letzten paar Wochen natürlich auch nicht.
Kurz nachdem ich meinen letzten Blogeintrag hochgeladen habe, haben Julius und ich einen Ausflug in die Stadt Jirapa gemacht. Sie ist circa eine Stunde mit dem Motorrad entfernt und dies war sozusagen unsere erste "größere" Tour mit dem Motorrad durch die Savanne Westafrikas. Leider konnte ich mich aufgrund meiner Rolle als Fahrer nicht wirklich auf die atemberaubende Natur konzentrieren. In Jirapa selber trafen wir uns dann mit Thaddeus, unserem Lehrerkollegen, der dort wohnt und die Stadt wie seine Westentasche kennt. Als erstes führte er uns zu seiner Stamm-Bar, wo er uns auf ein kaltes Getränk einlud. Neben uns köchelte etwas in einem großen Topf und wir kamen nicht umher, einen Blick hinein zu werfen. Drinnen lag ein Hund… Kein allzu schöner Anblick!
Danach zeigte uns Thaddeus die Besonderheiten der Stadt, welche sich auf eine Kirche aus dem 19. Jahrhundert und einem Luxushotel, dem Jirapa Dubai, begrenzten. Zwar ist Jirapa fünf Mal so groß wie Kaleo, dennoch sind hier Städte nicht besonders sehenswert. Jede Stadt hat sozusagen dieselben Punkte: eine oder mehrere asphaltierte Straßen, an denen sich die immer gleichen Läden konzentrieren, ein paar Bars, welche sich kaum von ihrem Aussehen unterscheiden, ein paar Stellen, wo man öffentlich Pitu trinken kann und natürlich die kleinen Wohnhäuser. Alles sieht ziemlich gleich aus und unterscheidet sich nur durch die Menschen, die in der Stadt wohnen. Aber dennoch ist es schön, mal aus der mittlerweile gewohnten Umgebung herauszukommen.
Auch wenn wir mittlerweile in Kaleo oder Wa unsere Leute kennen, mit denen wir gerne etwas unternehmen, lernen wir doch auch immer wieder neue und interessante Menschen kennen. Einer von ihnen heißt Culture. An unserer Stamm-Bar neben der Schule haben wir ein paar Lehrer gehört, die über ihn geredet haben, und uns erzählten, dass er ein guter Freund von einem ehemaligen Freiwilligen ist und immer gerne mit Leuten von außerhalb redet. Außerdem sei er eine Art Fetischeur, der einem die Zukunft voraussagen könne. Da wir die Mentalität der Ghanaer schon fast komplett übernommen haben, beschlossen wir, ihn einfach zu besuchen - mal schauen, was rauskommt. Am nächsten Tag standen wir also einem großen Rastamann gegenüber, der uns fröhlich seine ganze Farm zeigte. Er lebt mehr oder weniger als Einsiedler, er baut sein Gemüse selber an und hält sich selber seine Tiere, und so muss er so gut wie nie auf den Markt gehen und etwas kaufen. So hat er es uns zumindest erzählt. Und weil Culture halt ein echter Rastamann ist, hat er uns erzählt, dass er natürlich auch Gras raucht. Er hat uns erzählt, dass er keine Angst von der Polizei hat, weil die ihn alle kennen und alle mögen und ihn niemals deswegen verhaften würden (In Ghana ist die Mindeststrafe für Drogenbesitz, wie Marijuana o. Ä. bei sechs Monaten angelegt). So zeigte er uns auch froh und munter, was er sonst noch so neben seinem Gemüse und Bananen anbaut. Wir haben uns Stunden unterhalten und er erzählte uns seine eigenen Lebensweisheiten. Von irgendwelchen Wahrsagungen haben wir allerdings nichts mitbekommen.
Uns ist in Kaleo nicht langweilig. Einerseits liegt es daran, dass wir überall Freunde haben, die wir besuchen können, andererseits liegt es daran, dass es seit ein paar Wochen auch bei uns "daheim" nicht mehr langweilig ist. Wir haben einen neuen Mitbewohner. Die Schulleitung hatte uns gefragt, ob wir nicht unser Haus mit einem weiteren Lehrer teilen könnten und wir waren natürlich sofort offen für alles, da wir ohnehin zu viel Platz haben. Als man uns dann sagte, dass Abu bei uns einziehen würde, stieg unsere Motivation auf das neue Zusammenleben ungemein. Abu ist ein kleiner Mann und extrem lustig drauf. Bei unserer ersten Begegnung sagte er gleich zu Anfang, dass er Moslem ist, aber kein Bombenleger, und schon war das Eis gebrochen. Wir sind froh, dass sich jetzt im Haus etwas bewegt und uns, wenn wir denn einmal zuhause sind, nicht langweilig ist. Und einen weiteren großen Vorteil hat es, dass Abu bei uns eingezogen ist: Er ist ein verdammt guter Koch!
Obwohl es in Kaleo, wie schon gesagt, so gut wie nie langweilig ist, suchen wir dennoch immer nach Möglichkeiten, das Land kennenzulernen und andere Ecken von Ghana zu sehen. Eine solche Möglichkeit bot sich uns spontan vergangenes Wochenende. Die Schule machte mit ein paar Schülern eine Exkursion in die Stadt Nandom, da dort ein katholisches Festival mit dem Namen "Jesutanga" stattfand. Nun bin ich ja nicht katholisch und belächle recht oft ihre Rituale, dennoch war ich interessiert daran. Der Trip war auf zwei Tage angesetzt und man warnte uns vor, dass dabei nicht viel oder gar nicht geschlafen werde, da man die ganze Nacht durchfeiert. Freitagnachmittag stiegen wir also in den kleinen Schulbus und machten uns mit vielen Schülern (von denen viele im Bus stehen mussten, in Deutschland absolut undenkbar!) auf in das circa zwei Stunden entfernte Nandom. Die ganze Busfahrt über wurde getrommelt und gesungen und allein das gab mir das Gefühl, im tiefsten Afrika zu sein. Dort angekommen überschlag sich dieses Gefühl. Wir standen plötzlich inmitten eines riesigen Marktes, wo Händler Essen, Trinken, Pitu, oder andere Waren anboten.
Menschen wuselten herum und man wusste gar nicht, wo man überall hinschauen sollte. Die ganze Szene spielte sich am Fuße eines großen Hügels (die Ghanaer nennen das schon einen Berg) ab, auf welchem eine Kirche steht. Die zwei mitgereisten Lehrer führten uns mit den Schülern herum und auf einem Haus las ich ein Stück Heimat: "Straubing". Daneben war eine Tafel angebracht, worauf zu lesen war, dass die Häuser hier vom ehemaligen Straubinger Bürgermeister gespendet worden seien. Ja, man findet überall ein Stück Bayern. Nach der kurzen Führung erklommen wir den Berg und uns bot sich eine wirklich atemberaubende Aussicht: Wir hatten wieder einmal eine Aussicht über die Savanne, nur mit dem Unterschied, dass dieses Mal die Sonne langsam über dem Land unterging. Die Trockenzeit ist schon längst angebrochen und es hat seit über einem Monat nicht mehr geregnet. Alles ist sandig und staubig. Und genau dieser Staub lag jetzt bei diesem wahnsinnigen Sonnenuntergang zwischen den endlosen Baumkronen und verlieh der ganzen Szene etwas Mystisches. Während eine Messe auf dem Berg abgehalten wurde, saß ich mindestens eine Stunde auf einem Stein in Richtung Sonnenuntergang und bestaunte die fremde Welt. Als die Messe vorüber war und die Sonne endgültig untergegangen war, ging auf dem Gelände erst richtig die Post ab. Auf dem Berg wurde zwar die ganze Nacht durchgebetet, aber unten am Markt wurde ausgelassen gefeiert, getrommelt und getanzt, und das die ganze Nacht durch. Wir wanderten mit ein paar Schülern herum, die wir zufällig in der Menschenmasse wiederentdeckten, aßen gemeinsam und tranken Pitu. Irgendwann gegen 3 oder 4 Uhr, wurden wir dann müde und wanderten zum Bus zurück. Der Bus war voll mit Schülern, die sich ebenfalls gerade ausruhten und so nahm ich meine Decke und legte mich unter den freien Sternenhimmel. Geschlafen habe ich vielleicht zwei Stunden und als ich am Morgen aufwachte, war die Party immer noch in vollem Gange. So feierten wir noch ein bisschen, bevor wir die Rückfahrt antraten, welche ein Desaster war. Zuerst sprang der Bus aus unbekannten Gründen eine halbe Stunde nicht an. Als wir dann doch zur Abfahrt bereit waren und einige Kilometer gefahren sind, drehte sich der Busfahrer zu mir und sagte, dass die Bremsen nicht mehr funktionieren. Dabei lachte er. Ich fand das weniger lustig, da ich genau wusste, dass auf ghanaischen Straßen eine funktionierende Bremse lebenswichtig ist. Dennoch haben wir es irgendwie lebendig nach Hause geschafft.
Eintrag 5: Lehrer sein ist schwer - 12. Oktober 2017
Um gleich einmal die Spannung zu vernichten, die sich nach dem letzten Eintrag angestaut hat, muss ich euch sagen, dass das Mädchen, das von einer Schlange gebissen wurde, zum Glück überlebt hat. Wie es ihr jetzt geht, weiß ich nicht. Aber was ist in den letzten zwei Wochen so passiert?
Wir haben endlich unsere Stundenpläne bekommen. Ich darf jetzt in neun verschiedenen Klassen ICT unterrichten und Insgesamt habe ich in der Woche 23 Unterrichtsstunden. Das klingt jetzt zwar nicht viel, aber die Stunden sind ziemlich komisch aufgeteilt. Montags habe ich frei. Das Gute daran ist, dass ich ein verlängertes Wochenende habe. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass sich dann diese 23 Schulstunden auf den Rest der Woche aufteilen. Verglichen mit der Situation als Schüler in Deutschland sind das zwar immer noch relativ wenig Stunden, aber als Schüler hat man den Vorteil, dass man in einer langweiligen Stunde auch mal abschalten kann. Als Lehrer ist das nicht ganz so gut möglich. Zumindest kann ich jetzt meine ehemaligen Lehrer verstehen, wenn sie mit ihren nervigen Gruppenarbeiten angekommen sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass für sie der viel gelobte "pädagogische Effekt" zweitrangig war. Wenn man den Schülern Gruppenarbeiten gibt, muss man selber nicht so viel reden und man kann für ein paar Minuten Pause machen. In Ghana wurde ab diesem Jahr ein neues Schulsystem eingeführt, die "Free SHS". Bis letztes Jahr waren die Senior High Schools kostenpflichtig und ab diesem Jahr wird jedem der Weg zu Bildung eröffnet. Das klingt im ersten Moment zwar sehr gut, in der Praxis ist es aber schrecklich, so wie ich am Rande mitbekommen habe. Die Schule ist komplett überfordert, hat so gut wie keinen Platz, um die Schüler unterzubringen, kein Geld, um die Schüler zu versorgen, und die Klassenzimmer sind auch eher dürftig eingerichtet.
Die Klassenzimmer für die neuen Schüler sind in einem Rohbau, manchmal sogar ohne Licht und ohne Tafel. In meinen ersten Stunden musste ich vor einer Klasse mit 47 Schülern mit Kreide an eine Wand schreiben. Da kann man sich vorstellen, wie die Unterrichtsatmosphäre ist.
Aber wie ist der Unterricht denn sonst so für mich? In meinen ersten Stunden war ich noch voller Euphorie, die Schüler kennenzulernen und ihnen Wissen zu vermitteln. Doch gegen Anfang der zweiten Woche sank die anfängliche Motivation der Schüler drastisch. Immer, wenn ich eine Frage stelle, muss ich diese gefühlt zehn Mal stellen, bevor sich irgendjemand meldet. Zum Unterricht kommen nur die wenigsten pünktlich und die Schüler, die dann wirklich da sind, schlafen auch gerne mal ein. Ich drohe ihnen dann immer, ihnen mit einem Edding einen Schnauzer zu malen und, wenn das noch öfter passiert, habe ich mir vorgenommen dass ich das auch wirklich. Allerdings kann ich ihnen auch nicht verübeln, dass sie einschlafen. ICT heißt ja Information and Communication Technology und ist darauf ausgelegt, praktische Arbeiten am Computer zu vollziehen. Nun ist es aber so, dass es an der Schule nur einen Computerraum für 1.600 Schüler gibt. Mit jeder Klasse habe ich nur eine Stunde wöchentlich im Computer Lab und diese reicht kaum, ihnen praktische Erfahrung in Sachen Word, Excel, Powerpoint und Internet zu geben. Zudem gibt es in der Schule nicht mal Internet. Diese Sachlage stellt mich vor eine große Herausforderung und noch bin ich mir nicht sicher, wie ich diese bewältigen soll.
Eigentlich hatte ich vor, ein cooler "chilliger" Lehrer zu werden und eine Art freundschaftliches Verhältnis mit den Schülern aufzubauen, so wie es im besten Fall auch sein sollte. Das ist hier aber leider Gottes nicht möglich. Die Schüler haben, nicht wie es eigentlich geheißen hat, ein Alter von 16 bis 18 Jahre, sondern eines von 13 bis 30. Das heißt nichts anderes, als dass ein Großteil der Schüler älter ist als ich. Zwar reden sie mich mit "Sir" oder "Master" an, aber irgendwo fehlt dann doch die Autorität, habe ich manchmal das Gefühl, besonders, wenn sie in meinem Unterricht einschlafen und überhaupt nichts tun. So fühle ich mich manchmal gezwungen, doch etwas strenger zu sein als ich eigentlich will, und drohe ihnen an, sie aus dem Unterricht zu schmeißen, wenn sie schlafen. Und das wirkt schön langsam.
Hier ist es nämlich üblich, dass die Schüler, wenn sie nicht hören, oder irgendwas Verbotenes machen, geschlagen werden. Vor circa zwei Wochen haben Schüler versucht, über die Mauer zu klettern, was strengstens verboten ist, und wurden dafür beim Morgenappell vor der ganzen Schule mit einem Stock ausgepeitscht, bis der Stock kaputt war. Bei sowas kann ich gar nicht hinsehen, aber was soll ich denn dagegen tun? Man kann die Lehrer davon nicht abhalten und meinen, nur weil man ein Weißer aus einem fortschrittlichen Industrieland ist, hat man das Recht dazu, sie zu belehren. Man muss das einfach akzeptieren, das ist eben eine ländliche Region in Afrika. Auf jeden Fall, wenn ich sie also aus meinem Unterricht schmeißen würde und sie von einem anderen Lehrer gesehen werden, ist es gut möglich, dass ihnen eine Strafe droht. Deswegen zeigen meine Androhungen Wirkung.
Mit den Lehrern komme ich sehr gut klar. Nach der Schule trifft man sich eigentlich fast täglich an der Bar und trinkt gemeinsam ein Bier. Das schöne ist, auch wenn die Schüler einen manchmal nich so ganz als vollständigen Lehrer akzeptieren, tun es die Kollegen umso mehr. Für diese bist du ein vollwertiges Mitglied des Lehrerkollegiums, welches zwar hin und wieder einmal Hilfe braucht, aber trotzdem voll und ganz dazugehört.
In unserer Freizeit sind wir meistens daheim, sitzen mit Lehrern an der Bar oder düsen mit meinem Motorrad durch die Gegend. Mindestens einmal in der Woche fahre ich damit nach Wa, um Obst oder die nötigsten Sachen, die man nicht in Kaleo findet, zu kaufen. Vergangenen Sonntag haben Julius und ich uns zum ersten Mal so wirklich die Stadt angeschaut. Wir haben uns unser Motorrad geschnappt und sind einfach losgefahren. Dank Google Maps haben wir uns nie wirklich verfahren und haben die schönsten Plätze sowie eine riesen Moschee gefunden, die wir uns sogar von innen und oben ansehen durften. Zwischen Kaleo und Wa ist eine Polizeisperre, bei der ich regelmäßig angehalten und nach meinem Führerschein gefragt werde. Natürlich werde dort bloß ich angehalten, weil ich weiß bin und die Einheimischen meistens sowieso keinen Führerschein haben. Aber mittlerweile kennen sie mich und lassen mich oft einfach durchfahren.
Nun noch etwas, was für deutsche Leser wahrscheinlich sehr unverständlich klingt: Ich habe Hund gegessen. Doch bevor das hier einen Shitstorm gegen mich auslöst, versuche ich das zu erklären. Thaddeus, einer der Lehrer, hat mich zum Essen eingeladen und die Bedienung stellte uns einen Teller Fleisch hin, der äußerlich sehr gut aussah. Das kommt hier nicht so oft vor, denn zu sagen, die Leute hier würden bis auf die Knochen alles essen, ist falsch. In Sachen Hühnchen essen sie sogar alles: Fleisch, Innereien, Knochen, also alles bis auf die Federn. Und so ist das bei Rind und Schwein auch, da wird alles gegessen. Wir haben das Fleisch also gegessen und danach sagte er mir, dass das Hund sei. Natürlich war ich im ersten Moment geschockt, aber nicht weil das Hundeflesch war. Ich habe schon zuvor gewusst, dass man das hier isst. Ich war geschockt, weil das Fleisch das beste Fleisch ist, das ich bislang hier gegessen habe. Ich habe mir immer gedacht, dass Hundefleisch schlecht schmecken müsste, weil Hunde ja Haustiere sind und ich Hunde wirklich gern mag, aber Fehlanzeige. Hundefleisch schmeckt gut. Ich habe keine Gewissensbisse, hier Hund zu essen, weil Hunde hier eben keine Haustiere sind wie in Deutschland. Ein Hund ist hier ein Tier wie ein Schaf, eine Ziege, ein Schwein oder eine Kuh und kein Familienmitglied. Hunde leben hier nicht im Haus, sind verspielt und lassen sich streicheln, Hunde leben hier draußen, sind scheu und streunen. Diese Tiere haben hier einfach einen anderen Stellenwert. Aber keine Angst: Wenn ich zurück komme, werde ich keinen von euren Hunden essen - versprochen!
Eintrag 4: Afrika - gefährlich? - 26. September 2017
Wir haben jetzt ein Schloss an unsere Eingangstür gemacht, um präventiv dagegen vorzugehen, dass uns wieder jemand um viertel nach sechs Uhr morgens aus dem Schlaf reißt, doch meistens sind wir zu faul, das Tor in der Nacht abzuschließen.
In den letzten zwei Wochen ist leider recht wenig passiert, deshalb wird dieser Blogeintrag vielleicht ein wenig kürzer und nicht so bildreich. Zwei wichtige Ereignisse sind aber doch passiert. Anfang der letzten Woche hat uns Isaac, ein Freund aus dem Dorf, spontan zu einem Geburtstag eingeladen. Obwohl wir die Person nicht kennen, meinte er, dass sie sich sicher freuen würden, wenn wir kommen. Und tatsächlich: Wir wurden sehr herzlich empfangen und man bot uns gleich etwas zu trinken an. Obwohl die Leute uns wirklich nicht kannten, bekamen wir auch gleich etwas zu essen und dann kam der lustigste Teil des ganzen Abends: ein Tanzwettkampf. Obwohl ich ein schrecklicher Tänzer bin, wurde ich dazu genötigt zu tanzen und klar, wenn in Afrika ein Weißer tanzt, ist das natürlich die Attraktion schlechthin. Es wurden Fotos und Videos von mir gemacht und ich hatte keine Chance, mich still und heimlich wieder hinzusetzten. Julius entging dem ganzen, indem er einfach draußen, vor er Tür wartete. Jedenfalls, aus welchen Gründen auch immer, feierten die Leute meinen Tanzstil und ich gewann überraschenderweise den Wettkampf. Das mag jetzt vielleicht sehr cool klingen, allerdings ist es anscheinend die Aufgabe des ersten Platzes, alleine vor der Gruppe zu tanzen. Na Super! Und wieder einmal waren alle Augen und Kameras auf mich gerichtet und ich wäre am liebsten im Boden versunken. Ich meine, wenn man betrunken ist, ist einem das ja scheißegal, aber nüchtern ist das schon eine Überwindung. Danach wurde für das Geburtstagskind gebetet und jeder hielt eine kleine Rede, in welcher man seine Glückwünsche übermittelt. So mussten Julius und ich ebenfalls eine spontane Rede aus dem Handgelenk schütteln. Doch Rhetorikunterricht sei Dank ging das ganz gut. Als die Feierlichkeiten dann vorüber waren, bedankte sich Nicholas, das Geburtstags-"Kind" und seine Frau Monica überschwänglich für unser Kommen und sagten, dass wir immer bei ihnen willkommen sind und gerne vorbeischauen können, wenn wir Zeit haben.
Wir haben uns bald darauf gedacht, dass wir einfach mal vorbeischauen, wurden wieder herzlich empfangen und haben spontan einen "Kochkurs" bei ihr gemacht. Genauer gesagt machen wir diesen Kurs so gut wie alle zwei Tage und sie lernt uns die verschiedensten ghanaischen Gerichte. Wenn wir bei ihr sind, bemuttert sie uns, als wären wir ihre eigenen Kinder. Es ist jetzt wirklich nicht so, dass wir darauf aus sind, jeden zweiten Tag ihr auf die Nerven zu gehen und bei ihr zu kochen. Es ist mehr oder weniger so, dass, wenn wir einen Tag nicht bei ihr sind, sie uns anschreibt, ob wir nicht zum Kochen vorbeikommen wollen. Diese Frau ist einfach ein richtiges Herzchen. Besonders gerührt war ich, als sie jedem von uns eines Abends einfach so zum Abschied ein Tuch geschenkt hat, falls uns mal kalt ist. In solchen Momenten ist man einfach sprachlos.
Ein zweites wichtiges Ereignis: Die Schule hat endlich angefangen. Naja, angefangen ist jetzt vielleicht zu viel gesagt, aber ich konnte schon meine ersten "Unterrichtsstunden" halten. Und noch viel wichtiger: wir haben endlich nach über drei Wochen die Rektorin kennengelernt, aber sie macht doch trotz dem anfänglichen Desinteresse an uns einen relativ netten Eindruck. Offiziell hieß es ja, dass die Schule am 11. September losgeht, das heißt aber anscheinend nicht, dass dann der Unterricht beginnt. In Wirklichkeit war es nämlich so, dass in der Woche vom 11. bis 15. langsam die Schüler eintrödelten. Damit wir wenigstens etwas Beschäftigung hatten, halfen wir bei der Registrierung der Schüler aus, was jedoch nach der Zeit so eintönig wird, dass man sich trotzdem den ganzen Tag langweilt. Von Seiten der Lehrer hieß es dann, dass die Schule, beziehungsweise der Unterricht dann am Montag, 18. September anfängt, und, dass wir uns um sechs Uhr morgens im Lehrerzimmer, den so genannten Staff-Room, einfinden sollen. Danach sei der Morgenappel für die Schüler und die Lehrer. Natürlich war um sechs Uhr noch kein Schwein da und ich musste circa eine Stunde warten, bis mir dann mitgeteilt wurde, dass das montägliche Staff-Briefing heute ausfällt. Julius blieb natürlich präventiv daheim, weil er sowas vorausgeahnt hatte.
Beim Morgenappel mussten wir uns dann vor der ganzen Schule vorstellen, vor über 1 600 Schülern. Einen Stundenplan haben wir noch nicht bekommen und so fragten wir den Academic Headmaster, Mr. Pan, ob wir heute schon unterrichten sollen. Er teilte uns zwei Klassen mit, in die wir gehen und nach dem alten Stundenplan für diese Woche ICT unterrichten sollen. Mir wurde die Klasse voc3c zugeteilt, die zufälligerweise an dem Tag ICT-Unterricht hatte- eine fast reine Mädchenklasse. Da ich eh nicht vorhatte, heute gleich mit dem Unterricht anzufangen, habe ich erst eine Vorstellstunde geplant. Aber selbst eine Vorstellstunde gestaltet sich schwierig, wenn die Schüler nicht mit dir reden. So hab' ich erst mal vergeblich versucht, Gespräche mit ihnen aufzubauen, aber erst, nachdem ich gesagt habe, dass ich gemeine Tests schreiben werde, wenn sie nicht mit mir reden, sind sie auf einmal aufgewacht. Ja, ich bin schon fies, aber immerhin war danach das Klima in der Klasse um einiges besser.
Das war aber auch die einzige Unterrichtsstunde für mich in dieser Woche - so wie mir das der Academic Headmaster mitgeteilt hat. Am nächsten Morgen bin ich gemütlich um 10 Uhr zum Staff-Room gegangen, worauf gleich schon ein Schüler auf mich zugerannt kam und meinte, ich müsste jetzt in seiner Klasse ICT unterrichten. Aha. Also musste ich mir spontan eine Stunde aus dem Ärmel schütteln, aber wenigstens war diese reine Jungenklasse sehr redselig. Aber das war's dann auch schon mit Arbeit für diese Woche. Ich hab noch hin und wieder bei der Online-Registrierung der Schüler ausgeholfen, aber sonst war diese Woche recht ereignislos, bis auf einen Abend, wo uns Isaac wieder einmal auf einen Geburtstag, dieses Mal nach Wa, eingeladen hat.
Dieser Geburtstag war sehr verschroben. Das lag zum einen daran, dass alles sehr gestellt war, aber anscheinend hat es die Frau (Ich glaube sie wurde 25) sehr gefreut. Zum anderen predigte dort ein tiefreligiöser Zwerg. Mich störte nicht, dass er ein Zwerg war, aber das, was er von sich gab, störte mich schon. Er predigte von Liebe und, dass in einer Beziehung nur von Liebe gesprochen werden kann, wenn Gott involviert ist. Daraus folgerte er natürlich, dass zwischen zwei Menschen, die verschiedene Religionen haben beziehungsweise keine Christen sind, niemals Liebe entstehen kann und riet allen Leuten ab, sich nie mit Menschen von anderen Glaubensrichtungen einzulassen. So ein Depp!
Gerade als ich diesen Blogeintrag schreibe, kommt Joseph zu uns und berichtet, dass anscheinend eine Schülerin hier auf dem Schulgelände von einer Schlange gebissen wurde. Sie ist jetzt im Krankenhaus, aber anscheinend haben die Ärzte kein Gegengift. Es heißt, dass wenn sie nicht rechtzeitig dieses Gegengift auftreiben können, die Schülerin sterben wird. Noch dazu haben sie die Schlange noch nicht gefunden. Ich bekomme gerade einen ersten Eindruck davon, wie gefährlich Afrika ist.
Eintrag 3: Man versucht sich zu integrieren - 26. Oktober 2017
Mittlerweile fühle ich mich bereits ein bisschen in die Dorfgemeinschaft integriert. Ja, wirklich integriert, nicht nur akzeptiert. Das liegt großenteils an Chris, der einer unserer besten Freunde hier ist und uns zu jeder passenden Gelegenheit die "Do's" und "Don'ts" sowie die Gepflogenheiten und Gefahren in Ghana erklärt. Zu Chris muss man noch sagen, dass er im Dorf aufgrund seiner Familie sehr angesehen ist. Er stammt direkt aus Kaleo und hat in der Dorfgemeinschaft die Aufgabe Streits und Konflikte ohne das Mitwirken der Polizei zu lösen. Sein Vater ist bei der Polizei in Accra ganz oben und hat deswegen mit allerhand wichtigen Leuten zu tun. Dadurch, dass er demnach ein sehr gutes Verhältnis zur Polizei hat, hat er uns mehr oder weniger vollkommene Sicherheit versprochen. Sein Onkel, den ich mittlerweile auch kennengelernt habe, ist einer der reichsten Männer von Wa, aber anscheinend sehr egoistisch. Jedenfalls kümmert sich Chris wahnsinnig gut um uns und wir treffen uns fast täglich mit ihm am Chief Palace und trinken dort eine Runde Pitu mit den ältesten des Dorfes.
So wurden wir spontan auch auf die Beerdigung seiner Schwester eingeladen. Beerdigung klingt jetzt natürlich nicht so nach einem freudigen Ereignis. Das ist aber auch nur so, wenn man deutsche Beerdigungen im Kopf hat. In Ghana sind Beerdigungen das komplette Gegenteil von einem Trauerspiel. Dort wird gelacht, gegessen, getanzt, getrunken und sie Stimmung ist ausgelassen fröhlich, bis zu dem Punkt, wo alle eine Runde um das Grab gehen. An diesem Punkt wird wie auf Knopfdruck geweint und dann geht es weiter mit der Fröhlichkeit. Anders als in Deutschland kommt zu so einem Ereignis einfach jeder. Egal, ob Familie, Freunde, Bekannte, oder Fremde - jeder der Zeit hat, kommt und feiert mit. Auf dem ersten Blick scheint das makaber zu sein, aber es ist doch auf seine eigene Weise schön mit anzusehen, dass die Leute auf den Beerdigungen ihr oder das Leben der Verstorbenen feiern.
Da die Schule erst im Laufe der kommenden Woche anfängt (Wann genau kann uns irgendwie keiner sagen), haben wir bis jetzt viel Freizeit, die wir möglichst produktiv nutzen wollen. Das heißt, wir bieten unsere Hilfe an, wo wir nur können - sei es auf Erdnussfarmen mitzuhelfen oder die Leute in computertechnischen Fragen zu unterstützen.
Das Gebiet in der Upper-West-Region wird primär für Agrarwirtschaft genutzt. Das heißt, entlang der "Straßen" findet man überall Erdnuss-, Jam-, Mais- oder Mango-Farmen. Derzeit ist Erntezeit der Erdnüsse und ein befreundeter Lehrer hatte uns gefragt, ob er nicht einen Teil seiner Erdnüsse bei uns im Hof zum trocknen lagern könnte. Ende der Geschichte: Wir hatten bis vor kurzem circa eine Millionen Erdnüsse bei uns im Hof liegen.
Um die Erntezeit hautnah mitzuerleben, boten wir Joseph, einen anderen befreundeten Lehrer, an, ihm bei der Ernte zu helfen. Am nächsten Tag standen wir früh vor seinem Haus und wollten mit dem Motorrad zu seiner Farm fahren. Da Julius bereits bei mir hinten auf dem Motorrad hockte, dürfte ich nach deutschen Verkehrsregeln natürlich niemand mehr mitnehmen. Haben wir gelacht… Kurz vor der Abfahrt setzte mir Joseph wortlos seine sieben Jahre alte Tochter vorne auf den Tank. Hätte ich gewusst, was für eine Strecke auf mich erwartet, hätte ich nicht mal mein eigenes Kind auf die Reise mitgenommen, wenn ich eins hätte. Der Weg dauert über eine Stunde mit dem Motorrad durch enge, sandige Wege, bei denen du mit dem Motorrad alle paar Meter wegrutscht und es dich fast umhaut. Ich hatte selten so viel Angst um das Leben meiner Mitreisenden, vor allem, weil Joseph vor uns mit einem Affentempo über die Piste raste. Zum Glück sind wir sicher angekommen und niemanden ist was passiert. Den Rest des Tages haben wir damit verbracht, auf der Farm Erdnusspflanzen aus dem Boden zu reiße, und das bei über 30 Grad in der Sonne. Alle Farmarbeiter waren direkt überrascht, dass Weiße auch hart arbeiten können, und sprachen uns ihr großes Lob aus. Mittags habe ich gekonnt eine von anderen Freiwilligen gestellte Regel übersehen: im Süßwasser baden. Götz Geilhard, ein ehemaliger Freiwilliger hatte uns dies nahegelegt, da es in Süßwassern oft von Krokodilen, Nilpferden und Würmern wimmelt. Krokodile und Nilpferde waren nicht in Sicht und da die Anderen Farmarbeiter auch einfach ins Wasser gegangen sind, machte ich mir um eventuelle Gefahren auch keine Sorgen mehr und bis jetzt geht es mir noch gut. Ich habe in der vergangenen Woche viel mit den Menschen hier geredet und zwei Sachen sind mir sehr schnell vor Augen geführt worden: Ghana ist ein sehr korruptes Land, zumindest was die Politik betrifft. Vieles von dem Geld, was das Land für die Menschen und für den Aufbau bekommt, kommt niemals an, da die Politiker es für ihre eigenen Zwecke verwenden. Zudem sind viele der Ghanaer anscheinend sehr selbstsüchtig. Das heißt, sie wollen bloß ihr eigenes Wohl und schei*en auf das Wohl ihrer Mitmenschen. Ich selber habe das noch nicht wirklich mitbekommen, aber dies scheint die allgemeine, ehrliche Meinung von vielen Leuten zu sein.
Ein zweiter Punkt, der mich wirklich geschockt hat, ist, dass Ghana anscheinend ein sehr gefährliches Land sein soll - sowohl für Weiße, als auch für Einheimische. Vor allem in der Upper-West-Region, soll es oft zu Morden und Raubüberfällen kommen. Uns wurde also geraten, nie weitere Strecken alleine zurückzulegen.
Wir wurden zum Beispiel auf eine Beerdigung weit weg eingeladen und es wurde extra ein Bus organisiert, da viele aus dem Dorf an dem Ereignis teilnehmen wollten. Leider konnten wir aufgrund gesundheitlicher Beschwerden nicht mitkommen. Zum Glück! Räuber hatten nämlich versucht, den Bus auf dem Weg zu überfallen. Glücklicherweise waren zum Schutz der Reisenden zwei Soldaten mit an Bord und somit konnte der Überfall verhindert werden. Genaueres weiß ich leider auch nicht. Ich bin wirklich froh, dass die Leute hier so ehrlich zu uns sind und uns vor solchen Situationen warnen.
Nun aber zum Schluss noch etwas "Lustiges": Die Menschen hier stehen anscheinend sehr früh auf, nicht so wie wir. Auch wenn die Hähne auf dem Campus schon ab halb fünf Uhr morgens krähen, schaffen wir es doch immer bis mindestens sieben Uhr zu schlafen. Nicht so am gestrigen Tag. Ich weiß nicht, wie viele Synapsen im Hirn gleichzeitig aussetzen müssen, dass jemand um viertel nach sechs morgens an unser Fliegengitter klopft und uns aus unserem Schlaf entreißt, weil er sich einen deutschen Laptop gekauft hat und jetzt, um viertel nach sechs Uhr morgens Hilfe mit der Übersetzung braucht. Glücklicherweise konnte er kein Deutsch, denn sonst wäre er nach der Flut von Beleidigungen und Schimpfwörtern, die ihm entgegenflogen sind, sicher verunsichert gewesen. Dennoch haben wir ihm trotz fehlender Motivation doch noch geholfen und hatten dann immerhin mehr vom Tag.
Eintrag 2: Endlich angekommen - 1. September 2017
Tag 2 in Ghana: Schon um 5 Uhr morgens werden wir auf Anraten unseres Taxisfahrers an unserem Hotel abgeholt, da er sich sicher war, die Busse nach Wa würden schon sehr früh am Morgen gehen. In Wirklichkeit geht der Bus nach Wa erst um 16 Uhr, das heißt also: zehn Stunden Warten. Zehn Stunden hören sich im ersten Moment sehr viel an, aber die Zeit ist doch recht schell vergangen.
Direkt neben dem Busbahnhof war ein Markt, durch den wir abwechselnd geschlendert sind, weil einer auf unser Gepäck aufpassen musste. Der Markt war schon morgens sehr belebt mit Leuten, die etwas zu essen verkauften. Dort habe ich mein erstes Essen in Ghana probiert: Fisch mit Reis. Uns wurde auch nicht langweilig, weil uns ständig die Mentalität der Ghanaer vor Augen geführt wurde. So viele Leute sprachen uns an und redeten oft stundenlang mit uns über unsere Heimat und Ghana. Dort haben wir auch erste Kontakte geknüpft, sodass wir, falls wir mal wieder nach Accra oder Kumasi kommen, jemanden haben, der uns herumführt. Die Gastfreundschaft in Ghana ist einfach atemberaubend. Nach zehn Stunden Wartezeit, ging's dann endlich los nach Wa. In Wa angekommen kam es natürlich zu erneuten Komplikationen: Keiner holte uns ab. Nach über einer Stunde und einer ewigen Telefoniererei kam dann ein Angestellter der Schule und fuhr uns in die Kaleo Technical Senior High School. Natürlich war keiner da, der von unserer Ankunft wusste, da die Schulleiterin außer Haus war. Wann die wieder kommt? Weiß keiner. Hier verbringe ich also das nächste Jahr.
Als man uns unser Haus zeigte, folgte der nächste große Schock: Das Zimmer war bei unserer Ankunft in einem Zustand, den ich mir so nicht erwartet hätte. Es gibt nur Mehrstockbetten aus Metall mit sehr dünnen Matratzen. Decken, Kissen oder Bettzeug sind nicht vorhanden. Das Bad und die Dusche funktionieren nur spärlich. Zu dem Zeitpunkt konnte sich keiner von uns vorstellen, hier ein Jahr zu verbringen und wir wollten beide einfach nur nach Hause. Aber wir ließen den Kopf nicht hängen und versuchen seitdem das Beste draus zu machen und das klappt. Wir haben die "Möbel" - heißt die Betten - umgestellt und es uns ein wenig gemütlicher gemacht, sodass es sich ein bisschen mehr wie ein Zuhause anfühlt, aber das ist ein Schritt, der wahrscheinlich erst mit der Zeit kommt.
Am Abend haben wir uns an der Bar neben der Schule noch ein Bier gekauft und sind durch Kaleo gezogen. Dort wurden wir dann auch gleich von einer Gruppe älterer Herren angesprochen, warum wir sie - typisch deutsch - nicht gegrüßt haben. Dies endete dann in einem stundenlangen Gespräch, in dem wir auch erfahren haben, dass es nicht gerne gesehen wird, wenn man auf der Straße trinkt. Wieder was gelernt!
Eintrag 1: Day One in Ghana - 1. September 2017
Der erste Tag lässt sich kurz in einem Wort zusammenfassen: Disaster.
Der Flug von München nach Brüssel hat ja noch ganz gut funktioniert, auch wenn der Abschied von Familie und Freunden - besonders von der Freundin - schwer fiel. Zum Abschied habe ich ein Buch bekommen, in das alle meine Freunde etwas reingeschrieben haben. Das kurz nach dem Abschied im Flugzeug zu lesen, war schon eine harte Sache...
Aber weiter geht's: In Brüssel sollten wir eigentlich planmäßig um halb 10 morgens in die Hauptstadt Accra fliegen, aber natürlich nicht ohne Komplikationen. Kurz vor Abflug - wir saßen alle schon im Flieger - kam die nette Durchsage, dass unser Gepäck auf Grund eines Streiks nicht mit uns fliegen werde, genauere Informationen habe die Fluggesellschaft auch nicht und wir sollten die Angelegenheit dann mit dem Bodenpersonal klären. Nachdem sich einige Passagiere vor "Freude" über den Zwischenfall nicht beruhigen konnten, drohte Brussel Airlines damit, die nicht zu beruhigenden Passagiere des Flugzeuges zu verweisen. Nach der dritten Verwarnung war dann doch jeder still.
Eine Viertelstunde später wurde dann doch die Ansage gemacht, dass die meisten Gepäckstücke doch an Bord kommen... Dauert hald nur mindestens wieder eine halbe Stunde.
Nach einem sehr angenehmen Flug kommen wir mit eineinhalb Stunden Verspätung in Accra an. Der erste Eindruck war überwältigend. Es war genauso, wie man sich eine afrikanische Stadt vorstellt: ein bisschen dreckig, für den Laien unkoordiniert, aber doch auf seine eigene, unbeschreibliche Art und Weise wunderschön.
Schon im Voraus hatte ich ein möglichst billiges Hotel in Flughafennähe gebucht. In der Beschreibung der Internetseite des Hotels war die Rede von 6 Kilometern zum Flughafen. Als ich dem Taxifahrer die Adresse gab, wies er uns darauf hin, dass es sehr weit weg sei und er uns ein besseres Hotel in der Nähe raten würde. Da ich dahinter einen Trick vermutete, haben wir uns aber geweigert, das Angebot in Anspruch zu nehmen. Das war eindeutig ein Fehler.
Er fuhr uns zu genannter Adresse weit außerhalb der Stadt. Dort sah es ein wenig aus wie in einem Ghetto. Müll lag überall auf der Straße oder wurde dort einfach auf dem "Gehsteig" verbrannt, überall wuselten Menschen und gingen ihrem alltäglichen Tun nach. Ziegen, Hühner und Kühe liefen herum und es roch von Zeit zu Zeit sehr streng. Der Taxifahrer sagte uns, dass ihm sehr unwohl sei, uns hier rauszulassen, da dies anscheinend eine sehr gefährliche Gegend sei - besonders für Weiße.
Also ließen wir uns überreden, dass er uns doch zu einem anderen Hotel in einer besseren Gegend fährt. Die Fahrtkosten stiegen dadurch natürlich erheblich.
Auf dem Weg ins zweite Hotel konnten wir gut beobachten, welche Verkehrsregeln es hier anscheinend nicht gibt, weil sie nicht beachtet werden. Blinker braucht man nicht, in einer Spur fahren auch nicht, auf zwei Spuren fahren ist viel schöner. Als Motorradfahrer ist es prinzipiell egal, auf welcher Straßenseite man fährt - es ist überall gleich sicher. Wenn man auf die Toilette muss, fährt man einfach schnell rechts ran - egal wo man ist. Und natürlich die Grundregel Nummer eins im Straßenverkehr: immer und überall hupen.
Im Hotel angekommen, sogleich der nächste Schock. An der Preistafel Stand die Zahl 180 für ein Doppelzimmer (Gemeinsam in ein Einzelzimmer, dass nur 100 gekostet hätte, wollte uns das Hotel partout nicht lassen). Von dem Preis erleichtert legte ich dem Hotelier 180 Cedi auf dem Tisch, bis mich der Mann freundlich darauf hinwies, dass der Preis in Dollar ausgeschrieben sei. Na Super! Und noch besser: Als ich mit Karte zahlen wollte, schien diese nicht zu funktionieren. Also musste ich bar über 800 Cedi (circa 160 Euro) zahlen.
Das alles wäre ja gar nicht so schlimm, wenn meine Bankkarte funktionieren würde. So müssen wir nun einfach mal schauen, ob wir morgen noch genug Geld für die etwa 600 Kilometer weite Busreise in die Stadt Wa haben, aber das wird schon irgendwie. Auf ein reiches Abendessen habe ich aus geldtechnischen Gründen verzichtet und mir stattdessen nur zum "Feierabend" ein ghanesisches Bier gekauft, dass ich einfach probieren musste. Mal schauen, was die nächsten Tage bringen!