Schaumschläger oder Superstar?
So tickt Fury-Herausforderer Tom Schwarz
14. Juni 2019, 11:00 Uhr aktualisiert am 14. Juni 2019, 11:00 Uhr
Der Deutsche Tom Schwarz bestreitet in Las Vegas gegen Box-Ass Tyson Fury den Kampf seines Lebens. Hat der 1:17-Underdog eine Chance? Promoter-Ikone vergleicht Fury mit Muhammad Ali.
Ein bisschen Humor kann im testosterongesteuerten Boxsport, in dem sich die Protagonisten so gerne in Macho-Allüren ergehen, nicht schaden. Und wo Tyson Fury ist, da ist das Clowneske nicht weit. So nutzte der in 28 Kämpfen unbesiegte britische Schwergewichtler die Pressekonferenz vor seinem Showdown in Las Vegas gegen den deutschen 1:17-Underdog Tom Schwarz (Sonntag, 4.30 Uhr, MDR) als seine Bühne.
Der geborene Showman, der 2015 dem damaligen König des Schwergewichts Wladimir Klitschko mit seinen Mätzchen derart auf die Nerven gegangen war, dass dieser sie im Kampf verlor und nach erschreckender Nichtleistung seine WM-Gürtel an Fury abgeben musste, warf sich in Schale und ins Zeug. In einem extra angefertigten Anzug poste er ab.
Schwarz, der selber auf Bling-Bling und Versace-Klamotten steht, hielt dagegen. Besser als ihm das viele im Ring zutrauen. Sie alberten rum, veräppelten sich. Fury deutete ein dickes Bussi für Schwarz an.
Welche Chancen hat Tom Schwarz gegen Tyson Fury?
Catwalk statt Boxring? "Ich kann mich auf dem Anzug gar nicht entdecken", so Schwarz. Furys Konter: "Klar, das ist eine Hommage an die größten Boxer." Danach trällerte der "Gipsy King", der Zigeunerkönig, ein Liedchen und meinte: "Ich werde ihn nicht unterschätzen, aber Schwarz ist nur ein weiterer Mann mit Boxhandschuhen, der versucht, mich zu schlagen. So, wie 28 vor ihm. Ich werde Schwarz den Kiefer brechen - und die Rippen noch dazu. Danach gibt es eine große Party hier in Vegas. Wenn ich hingegen gegen ihn verliere, gehe ich gleich in Rente."
Fury ist wie gemacht für Las Vegas, die Glitzermetropole. Er bietet große Show, er ist die Show. Schwarz spielt mit. Doch welche Chance hat der Magdeburger, der selber ein Selbstbewusstsein an den Tag legt, das an Selbstüberschätzung grenzt? Ist Schwarz nur ein Schaumschläger - oder hat er das Zeug zum Superstar?
Unwürdige Box-Farce beim Kampf Tom Schwarz gegen Senad Gashi
Kann er wie der unförmige Andy Ruiz jr., der vor zwei Wochen die Boxwelt geschockt und den Muskel-Adonis Anthony Joshua vom Boxthron gestoßen hat, für die Sensation sorgen? Schwarz hat alle seine 24 Profikämpfe gewonnen. Doch beeindruckend waren die Vorstellungen des 25-Jährigen, der mit seiner Familie und Freundin Tessa, die einen Friseursalon besitzt und sich um Toms Styling kümmert, keineswegs.
Gerade sein Fight im April 2018 gegen Senad Gashi wird immer als unwürdige Box-Farce in Erinnerung bleiben. Nach einem Kopfstoß ging Schwarz viel zu spät theatralisch zu Boden, ließ sich minutenlang behandeln, bis ihm der Ringrichter sagte, dass er so verlieren würde. Erst dann stand er auf, kämpfte weiter, verlor aber fast jede Runde.
Nach zwei weiteren Kopfstößen wurde Gashi disqualifiziert. Danach prügelten sich die Boxer und die Betreuerteams im Ring weiter.
Tom Schwarz kassiert für den Megakampf 800.000 Euro
"Ich will meinen Traum hier in Las Vegas wahr werden lassen", sagte Schwarz, der sich vor dem Kampf in Touristenmanier vor allen möglichen Wahrzeichen der Spielerstadt fotografieren ließ. "Fury ist der beste Boxer der Welt. Wenn ich ihn schlage, werde ich erstmal heulen und drei Monate nichts machen."
800.000 Dollar kassiert Schwarz für den "Kampf meines Lebens" in Las Vegas. Bisher war er nie näher an das Mekka des Boxens herangekommen, als im März. Da promotete der Veranstalter den Kampfabend als "Las Vegas in Magdeburg". Nach dem Fight gegen Kristijan Krstacic kam dann der Anruf des Fury-Managements - und das Angebot für den Megakampf. Da musste auch Schwarz, der sonst so gerne große Sprüche klopft, erstmals eine Nacht drüber schlafen. Denn Fury ist einer der Superstars des Boxens - und eben ein begnadeter Entertainer.
Tyson Fury kämpft gegen mentale Erkrankungen
Einer mit einer Message. Nach seinem Triumph über Klitschko holten ihn die Dämonen, die ihn seit seiner Kindheit begleiten, ein. Er verfiel in eine schwere Depression, hatte 70 Kilo Übergewicht, nahm Drogen, wurde erwischt und gesperrt. "Ich war so tief unten, wie man sein kann. Ich wollte mich umbringen. Aber ich habe es da raus geschafft. Wenn ich es kann, kannst du es auch", sagte Fury, "ich bin nichts Besonderes. Ich bin nicht besser als all die, die solche Probleme haben. Was ich sagen kann: Auch wenn ihr sie vielleicht nicht seht, es gibt die Hand da draußen, die man euch entgegenstreckt, um zu helfen. Ihr müsst sie nur annehmen."
Der Kampf gegen mentale Erkrankungen ist Furys Agenda. Und die amerikanische Promoter-Legende Bob Arum meinte: "Tyson hat eine Botschaft, die genauso wichtig ist wie die von Muhammad Ali, der gegen Rassismus gekämpft oder George Foreman, der sich Gott zugewandt hat und Priester wurde. Er ist der größte Boxer seiner Generation, aber er ist mehr. Er ist ein Mann auf einer Mission und mit einer Botschaft. Fury erinnert mich an Ali und Foreman."
Lesen Sie auch: Boxer Tom Schwarz vor Fury-Fight - Von Himmel und Hölle