Qualen für den Kampf des lebens
Boxer Tom Schwarz vor Fury-Fight: Von Himmel und Hölle
13. Juni 2019, 11:00 Uhr aktualisiert am 13. Juni 2019, 11:00 Uhr
Auf den deutschen Schwergewichtsboxer Schwarz wartet gegen Fury der Kampf seines Lebens. Dafür ging er durch echte Qualen.
Glaubt man dem traditionellen christlichen Weltbild, kommt der, der sündigt, in die Hölle.
Bei Tom Schwarz läuft es umgekehrt. Der Schwergewichtsboxer hat die Hölle gerade hinter sich - und macht sich auf in die Stadt der Sünde, um den größten Kampf seines Lebens zu bestreiten. Und im Box-Himmel zu landen?
In Las Vegas trifft er in der Nacht auf Sonntag (4.30 Uhr/MDR) auf Tyson Fury, Klitschko-Entthroner, Ex-Weltmeister - unbesiegt in 28 Profikämpfen. Gesegnet mit großen Fäusten und einer noch größeren Klappe. Oder, wie es Schwarz formuliert: "Der beste Boxer der Welt." Und nicht nur das: denn der Brite mit irischen Wurzeln boxe nicht konventionell, erklärt Schwarz. Fury stammt aus einer Familie irischer Traveller, fahrendes Volk, sein Stil ist chaotisch. Unberechenbar. "Gegen ihn kannst du nicht boxen", sagt Schwarz: "Gegen ihn musst du kämpfen!"
Gegen Fury hilft wohl nur der K.o.
Normales Training reicht nicht. Schließlich wartet nicht nur Fury auf den Magdeburger, es wartet Vegas, Baby, es wartet das legendäre MGM-Grand-Hotel, das Mekka des Boxens. Mike Tyson kämpfte hier, George Foreman oder Floyd Mayweather - nun Schwarz. "Jeder Boxer auf der Welt träumt davon, einmal im MGM zu boxen. Es ist nur wenigen vorbehalten", sagt der deutsche Underdog, der das Glück hatte, dass sich Furys Management ihn als Aufbaugegner ausgesucht hat. Doch das ist Schwarz egal. Das Fenster zur großen Karriere wird sich einen Spalt weit öffnen - Schwarz will es aufreißen.
Aber wie, gegen einen Hünen, der nochmal zehn Zentimeter größer ist als der ohnehin nicht zierliche Schwarz (1,97m)? Er weiß, dass es "gegen Fury nicht über die Runden gehen wird". Es hilft Schwarz fast nur der K.o.. Hoffnung gibt es. Zu sehen vor zwei Wochen, als der Brite Anthony Joshua, neben Fury und Deontay Wilder der Superstar des Schwergewichts, vom unförmigen Außenseiter Andy Ruiz so auf die Mütze bekam, dass er so schnell nicht mehr in den USA auf-, oder besser: zuschlagen wird. Doch im Gegensatz zu Ruiz ist Schwarz richtig fit.
Schwarz leidet Höllenqualen im Bayerischen Wald
Womit wir wieder bei der Hölle wären - besser gesagt in Höllhöhe. So heißt Schwarz' Ort der Qualen und Entbehrungen - hier hat ihn die AZ besucht. Ein traumhaftes Fleckchen Erde im Bayerischen Wald. Grün, idyllisch, ruhig.
"Es geht nicht besser", sagt Schwarz über die Bedingungen, die er hier in neun Wochen Trainingslager vorfand. "Hier ist der Hund begraben", sagt er. Denn im grünen Niemandsland sollte ihn nichts ablenken. Abgesehen von den Mitarbeitern der Sportschule Kinema, die sich in dem kleinen Ort in der Gemeinde Neukirchen beim Heiligen Blut (Landkreis Cham) befindet. Inhaber Sepp Maurer hat hier einige Leistungssportler in Form gebracht: Skifahrer, Triathleten und vor allem Boxer. Doch nie hat er jemanden auf eine solche Herausforderung vorbereitet.
"Wir haben hier die Basis geschaffen", erklärt Maurer. Im Training waren schwere Ketten und Traktorreifen im Einsatz, dazu kamen kilometerlange Wald- und Bergläufe. Alles abgestimmt mit der richtigen Ernährung, vor allem Fisch.
Tom Schwarz: Konditionstechnisch vorbereitet
"Den konnte ich am Anfang überhaupt nicht leiden", erzählt Schwarz: "Ich musste hier vieles auf mich nehmen - und auf noch mehr verzichten. Aber ich verspreche: Nach dem Kampf werde ich das alles nachholen." Zehn Kilo Fett nahm Schwarz im Trainingscamp ab, baute dafür Muskelmasse auf. "Jetzt", sagt Maurer grinsend, "schaut es konditionstechnisch ganz gut aus."
In den letzten Tagen in Vegas ging es nur noch um den Feinschliff, das schnelle Zuschlagen, die Technik. Darum kümmert sich Schwarz-Trainer René Friese. "Wir haben einige Pläne parat", sagt der: "Denn nur mit Plan A wirst du gegen Fury nicht weit kommen. Wir müssen die Tagesform abwarten, sehen, wie Fury drauf ist. Und sehen, wie Tom drauf ist." Eines kann der Coach aber versprechen. "Mental gibt es kaum einen Boxer, der so stark ist wie Tom", sagt Friese: "Als das Angebot kam, fragte ich ihn, ob er sich das zutraue. Tom meinte nur: 'René, ich bin bereit.'"
Der Weg über die Stadt der Sünde in den Box-Himmel
Dann bliebe nur noch die Frage nach dem himmlischen Beistand zu klären. Gerne behauptet Fury in seiner gänzlich unbescheidenen Art, er könne nicht besiegt werden, weil er Jesus auf seiner Seite habe. Schwarz ist das nicht mal ein Lächeln wert.
"Jesus ist auf meiner Seite", sagt der 25-Jährige trocken. "Ich bete jeden Tag und gehe vor jedem Kampf in die Kirche. Und ich habe gehört, auch in Las Vegas soll es ein paar Kapellen geben."
Samstagnacht wird sich zeigen, wer den Verbündeten im Himmel hat. Vielleicht führt Schwarz' Weg ja über die Stadt der Sünde direkt in den Box-Himmel.