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Nagelsmanns Verwandlung: Wie der Coach Bayerns Triple-Chancen erhöht

Julian Nagelsmannhat bei den weichen Erfolgsfaktoren dazugelernt. Steigen nun Bayerns Chancen aufs Triple? Müller erwartet "viel bessere Rückrunde".


Es ist kein neuer, aber doch ein anderer Julian Nagelsmann, der nun beim FC Bayern an der Seitenlinie steht. Bei seinem Team kommt das gut an.

Es ist kein neuer, aber doch ein anderer Julian Nagelsmann, der nun beim FC Bayern an der Seitenlinie steht. Bei seinem Team kommt das gut an.

Von Maximilian Koch

Für Julian Nagelsmann wird der Valentinstag in diesem Jahr kein Tag der Liebe, sondern der Tag der Wahrheit sein.

Der 35-jährige Cheftrainer des FC Bayern hat am 14. Februar eine Dienstreise nach Paris vor sich, Champions-League-Achtelfinale, das Hinspiel bei der Startruppe von PSG um Neymar, Kylian Mbappé und Lionel Messi. Und beim Lesen dieser Namen wird schon klar, dass der bayerische Ausflug in die Stadt der Liebe wenig Romantik bieten dürfte.

Es geht für Nagelsmann und sein Team um die Saisonziele in dieser Saison, sportlich gesehen schon fast um alles. Denn: Ein enttäuschendes Aus in der Königsklasse wie im Vorjahr darf sich unter keinen Umständen wiederholen.

Damals war im Viertelfinale gegen Außenseiter FC Villarreal Schluss, Nagelsmann musste sich anschließend Grundsatzfragen gefallen lassen. Wird es nach dem Aufeinandertreffen mit Paris (Rückspiel am 8. März in München, Anm.d.Red.) auch so sein? "Die Chancen stehen 50:50", sagte Nagelsmann während des Trainingslagers in Doha, das der Coach dafür nutzte, seine Stars in Form zu bringen. "Ob wir in den Duellen fitter sind, weil unsere Spieler eine längere Pause hatten, wird man sehen - in solchen Spielen entscheidet eigentlich immer die Tagesform."

Die Bayern um Trainer Julian Nagelsmann im Trainingslager.

Die Bayern um Trainer Julian Nagelsmann im Trainingslager.

Es steht ein
anderer Trainer
an der Seitenlinie

Und der Teamgeist. Speziell in diesem Bereich, den weichen Erfolgsfaktoren, scheint Nagelsmann mit seinem Team Fortschritte gemacht zu haben im Vergleich zur vergangenen Saison, seiner ersten in München. Das macht allen Beteiligten Hoffnung. "Einige Mitarbeiter, die schon mehrere Trainingslager absolviert haben, haben mir gesagt: Das war das beste bislang, was die Stimmung angeht", berichtete der Coach: "Das ist immer ein guter Indikator." Stimmt!

Zu dieser guten Atmosphäre hat Nagelsmann auch selbst beigetragen. Es steht da ein anderer Trainer an der Seitenlinie als in der Vorsaison, einer, der zwar immer noch laut ist, aber vorwiegend auf dem Trainingsplatz, wenn er seine Spieler wie in Doha mit Geschrei ("Druck, Druck, Druck!") zum Pressing auffordert.

Einer, der öffentlich nicht mehr zu jedem Thema Stellung bezieht, der nicht mehr für jedes Foto und jede Pose zur Verfügung steht, der sich eine gewisse Distanz angeeignet hat, die ihm guttut und mehr Autorität verschafft.

Nagelsmanns Verwandlung. Sie ist zwar nicht ganz so krass wie in Franz Kafkas gleichnamigem Meisterwerk, in dem Gregor Samsa morgens plötzlich als Käfer aufwacht, das wäre ja auch schlimm. Aber sie ist doch deutlich zu erkennen.

"Ich habe gelernt, dass wir nicht
übertreiben dürfen"

Menschen, die fast täglich mit Nagelsmann zu tun haben, berichten von einem Coach, der sich nicht grundlegend gewandelt habe als Typ, der aber gelassener auftrete. Einer der Hauptgründe dafür: Nagelsmann hat das Gefühl, dass die Mannschaft seine Spielidee inzwischen verinnerlicht hat.

Der Coach überfrachtet seine Bayern-Stars nun außerdem nicht mehr mit zu vielen taktischen Anweisungen und Vorgaben. "Ich habe gelernt, dass wir in gewissen Dingen nicht übertreiben dürfen, sondern reduzieren müssen", erklärte er: "Da habe ich Schritte auf die Jungs zugemacht, genauso ist es andersrum. Ich habe schon vor der Winterpause gesehen, dass die Jungs die nötige Gier haben und gewillt sind, Dinge umzusetzen. Die Trainingsformen haben ja alle einen Sinn. Es wäre natürlich schön, wenn es dazu führt, dass wir international erfolgreicher sind als letztes Jahr."

Genau das wird von Nagelsmann erwartet, ein Titel wie in der Saison 2021/22 ist bei Bayern auf Dauer zu wenig. Nicht zu vergessen: Auch im DFB-Pokal verlief die vergangene Spielzeit schwach, in der zweiten Runde gab es ein krachendes 0:5 bei Borussia Mönchengladbach. Diesmal soll es erstmals seit 2020 wieder ins Finale nach Berlin gehen, doch bereits im Achtelfinale am 1. Februar bei Mainz 05 steht eine knifflige Aufgabe an.

Nagelsmann, dessen Mannschaft am Freitagabend das einzige Testspiel der Vorbereitung gegen RB Salzburg bestritt (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe beendet), hat sofort Siegdruck - auch in der Bundesliga. Kommenden Freitag geht es zum Auftakt zum Tabellendritten RB Leipzig, vier Tage später gegen den 1. FC Köln und am 28. Januar gegen den Vierten Eintracht Frankfurt.

Ein toughes Programm. Doch eines, das den Münchnern trotz der angespannten Personallage nach den Verletzungen von Manuel Neuer, Lucas Hernández, Sadio Mané und Noussair Mazraoui keine Angst bereitet. "Der Trainer kennt uns besser - und wir kennen den Trainer besser", begründete Thomas Müller seinen Optimismus. Er gehe von einer "viel besseren Rückrunde" aus.

Am 14. Februar wird jeder die Wahrheit wissen - auch der verwandelte Julian Nagelsmann.