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Alles reine Kopfsache: Wie es bei Sechzig nach dem Köllner-Aus weitergeht

Das Unausweichliche ist geschehen. Der TSV 1860 hat Trainer Köllner freigestellt. Für den Moment übernimmt Günther Gorenzel.


Vorerst Trainer: Günther Gorenzel und Stefan Reisinger (r.).

Vorerst Trainer: Günther Gorenzel und Stefan Reisinger (r.).

Von Ruben Stark

München - Günther Gorenzel ist ein viel beschäftigter Mann, nun hat er noch eine Aufgabe mehr. Der Sportchef und Verantwortliche für alle Entscheidungen, die Mannschaft und Kader der Löwen betreffen, macht jetzt zumindest vorübergehend auch noch die Aufstellung. Jedenfalls die für das Auswärtsspiel beim VfB Oldenburg, davon geht er mal aus.

Denn Gorenzel hat sich am Dienstagmorgen, so berichtete er, endgültig entschlossen, die Trennung von Michael Köllner zu vollziehen. Der jetzige Ex-Trainer des TSV 1860 kassierte beim 1:2 gegen Dynamo Dresden die eine Niederlage zu viel und wurde der anhaltenden Probleme im Löwen-Spiel nicht mehr Herr, so die allgemeine Auffassung.

Der Sportchef traute Köllner schlicht nicht mehr zu, eine Trendwende einzuleiten und das Saisonziel Aufstieg - wie auch immer doch noch - hinzukriegen. "Ich habe bis gestern geglaubt, dass wir in dieser Konstellation den Turnaround schaffen", beteuerte der 51-Jährige am Dienstag dennoch mehrfach.

Da war allen schon klar, was am nächsten Tag passieren würde: Nach der 1:2-Heimpleite gegen Dresden schleicht Michael Köllner vom Platz.

Da war allen schon klar, was am nächsten Tag passieren würde: Nach der 1:2-Heimpleite gegen Dresden schleicht Michael Köllner vom Platz.

Ab sofort will der Österreicher selbst in Verbindung mit Sechzig-Assistent Stefan Reisinger und dem bestehenden Trainerteam dafür sorgen, dass die Löwen wieder zu einem Fußball finden, der sie für eine Zweitliga-Rückkehr qualifiziert - bis "rasch" eine Dauerlösung (sprich ein neuer Coach) gefunden ist.

Ein Job, den er sich nicht ausgesucht habe, den er überhaupt nur übernimmt, weil Reisinger gerade erst seine Ausbildung zum Fußball-Lehrer absolviert und kommende Woche eine Präsenzpflicht hat. "Meine Lebensplanung ist es nicht, die nächsten Jahre an der Seitenlinie zu verbringen," so Gorenzel.

Vorerst ist Gorenzel also Trainerfindungs-Boss und anweisende fußballerische Gewalt zugleich. Gorenzel sieht in erster Linie kein Qualitätsdefizit, sondern ein mentales. "Ich muss in die Köpfe der Spieler hineinkommen", sagte der Sportchef.

Einige umgehende Justierungen deutete er schon an. Nach dem freien Mittwoch möchte Gorenzel mit einem Kader von bis zu 22 Spielern trainieren. Mit all jenen, die für die nächste Partie am Sonntag in Oldenburg infrage kommen. "Es bringt wenig, mit 25 bis 27 Feldspielern auf dem Platz zu sein", sagte er. Das heißt, einige junge Spieler werden zur U21 bzw. U19 gehen. Der 19-jährige Lorenz Knöferl wurde bis Saisonende an Carl-Zeiss Jena verliehen.

Köllner fand zuletzt den Weg in die Spielerköpfe einfach nicht mehr. Dabei war er vor gut drei Jahren angetreten, um 1860 aus den Drittliga-Gefilden zu führen. Er näherte sich dem Ziel zunächst Stück für Stück, und auch in dieser Saison ist ja längst nicht alles vorbei. Doch als Vierter der zurückliegenden beiden Spielzeiten gingen schon zwei Anläufe knapp daneben und diesmal wurde ihm eine Serie von nur einem Sieg aus sieben Spielen zum Verhängnis.

Weil eben die Muster der Krise aus dem Herbst bis hinein ins neue Jahr reichten. Zudem hatte Köllner auch in der Fanszene auf breiter Front an Unterstützung eingebüßt. Verschiedene Äußerungen in heiklen Themenfeldern des Vereins hatte sein Ansehen beim Anhang geschwächt. Auch im Team, so war zu hören, soll der Rückhalt zuletzt enorm geschwunden sein.

Auf dem Rasen fand Sechzig seit Mitte September nie zur nötigen Konstanz. Zieht man den Raketenstart in die Saison mit sechs Siegen aus den ersten sieben Spielen ab, wird die Bilanz in Relation zur Erwartungshaltung und dem Potenzial des Teams ziemlich gruselig. Nur vier Dreier in 13 Partien folgten seither. Schlicht zu wenig. Dazu glitt zuletzt mehrfach eine Führung aus der Hand. In den drei Spielen seit dem Jahreswechsel lag Sechzig jedes Mal in den ersten zehn Minuten vorn. "Das muss der Mannschaft eine breite Brust geben", meinte Gorenzel. Tat es aber nicht. Zwei Spiele gingen noch verloren.

Ab Dienstagnachmittag startete Gorenzel die Mission Zukunftsplanung. Eine Menge Kandidaten kursieren als denkbare Köllner-Nachfolger. Torsten Fink, Marco Antwerpen, Manuel Baum oder Uwe Neuhaus sind Trainer, die ins Gespräch gebracht werden. Gorenzel wollte keinen Namen kommentieren. Er zollte lieber Köllner "größten Respekt und Anerkennung" für seine Arbeit: "Er hat tiefe Spuren hinterlassen und sein Herzblut investiert." Am Vormittag verließ der 53-Jährige nach dem Abschied vom Team das Gelände an der Grünwalder Straße 114.

Mit im Gepäck hatte Köllner eine Amtszeit, die in der Länge seit Werner Lorant kein Löwen-Coach mehr erreichte, aber die für ihn mindestens vier Monate zu früh endete - weil ihr die Krönung fehlte.