Kommentar
Das deutsche Eishockey in der medialen "Kühlbox"
30. Januar 2019, 16:26 Uhr aktualisiert am 30. Januar 2019, 18:08 Uhr
Öffentliche Entrüstung im deutschen Eishockey. Ausgelöst hat diese Protestwelle Nationalspieler Moritz Müller (32) von den Kölner Haien. Er echauffierte sich darüber, dass das DEL-Winter Game zwischen den Haien und der Düsseldorfer EG im ZDF Sportstudio mit keinem Wort erwähnt wurde. Seitdem solidarisieren sich etliche Spieler, Funktionäre und Eishockey-Fans mit Müller. Doch ist das Schattendasein dieser Sportart tatsächlich einzig und allein auf die Medien zurückzuführen? Ein Kommentar.
König Fußball ist in Deutschland unangefochten. Dementsprechend überdimensional wird auch alles ums runde Leder medial ausgeschlachtet. Nach Fußball kommt lange nichts. Einige Sportarten kämpfen mit ausgefahrenen Ellenbogen darum, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen - vor allem medial. Kein leichtes Unterfangen. Es gab durchaus eine Zeit in den 80er Jahren, da galt Eishockey als Sportart Nummer zwei in Deutschland hinter Fußball. Damals wurden noch Spielzusammenfassungen in der ARD Sportschau gezeigt. Lang ist's her. Und vieles hat sich seither verändert. Mittlerweile scheinen Sportarten wie Handball, Basketball, vor allem aber auch Wintersportarten wie Biathlon oder Skispringen dem Eishockey den Rang abgelaufen zu haben.
Nun geht es um Ursachenforschung. Zwar hat Moritz Müller mit seiner Kritik an den öffentlich-rechtlichen Sendern insofern Recht, dass ein Spektakel wie das DEL-Winter Game vor 47.000 Zuschauern im Aktuellen Sportstudio nicht einfach ignoriert werden darf. Schlechtes Zeitmanagement oder technische Probleme, wie von ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann begründet, dürfen hier nicht als Entschuldigung gelten. "Das in der Winterpause und ein Jahr nach dem Erfolg bei Olympia", schrieb Müller in seiner öffentlichen Kritik weiter. Auch damit hat er Recht. Denn tatsächlich hat es den Anschein, dass die Sportart Eishockey bei Olympia 2018 aufgrund der herausragenden Leistungen der deutschen Nationalmannschaft medial nur kurzzeitig ins verdiente Rampenlicht gestellt, danach aber wieder ins gewohnte Schattendasein verbannt wurde.
Etliche Eishockey-Spieler pflichten Moritz Müller mittlerweile bei. "Halt Fußball-Lobbyisten", spottet Marko Friedrich (Iserlohn Roosters) in Richtung Medien. "Plötzlich ist alles vergessen, was man erreicht hat. Fußball ist allgegenwärtig", sagt Nürnbergs Routinier und Olympia-Silberheld Patrick Reimer. Nachvollziehbarer Missmut. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn wie sieht es mit der Selbstreflexion des deutschen Eishockeys aus? Inwiefern hinterfragt man sich dort selbst, welchen Anteil man mitunter auch daran hat, dass die Sportart immer wieder weit unter dem Radar von König Fußball läuft?
Dinge verkompliziert, statt vereinfacht
Da wären zum einen die ständigen strukturellen Probleme im deutschen Eishockey, die jahrelang immer wieder aufs Neue für Negativschlagzeilen sorgten. Da wurde versucht, mit der DEL eine Profiliga nach nordamerikanischem Vorbild in Deutschland zu etablieren. Eine Liga ohne Aufstieg und ohne Abstieg. Eine Liga, die sich auch durch Begrifflichkeiten wie "9.000-Punkte-Plan" oder "Reindl-Pool" definiert. Regelwerke, die für den Eishockey-Laien kaum noch greifbar sind und den Sport daher unattraktiv machen. Wer hat schon noch den absoluten Durchblick, wenn man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass nicht einmal die DEL-Funktionäre selbst wissen, was sie da gerade machen? Erschwerend hinzu kommen nahezu Jahr für Jahr insolvenzbedrohte Vereine, unterschiedliche Ligen-Größen, wechselnde Regularien zur maximalen Anzahl von Kontingentspielern und mit der DEL2 ein Unterhaus, in dem seit Jahren um die "goldene Ananas" gespielt wird. Immerhin: zur Saison 2020/21 sollen Auf- und Abstieg wieder eingeführt werden. Fragt sich nur, wie lange man diesmal daran festhält?
Paradebeispiel Biathlon
Bei aller berechtigten Kritik an den Medien würde es der DEL und dem deutschen Eishockey allgemein also gut zu Gesicht stehen, erst einmal die eigenen Hausaufgaben zu machen und vor allem für klare Strukturen und Kontinuität zu sorgen. Dadurch könnte man die Sportart sicherlich auch wieder für die breite Masse interessanter machen. Darüber hinaus könnte man auch einen Schritt auf die Medien zugehen, um Anreize zu schaffen.
Man nehme hier nur einmal das Paradebeispiel für die Mediatisierung: Biathlon. Eine Sportart, die viele Jahre mehr oder weniger vor sich hin dümpelte, dann aber entsprechende Impulse setzte und dadurch plötzlich medial unverzichtbar wurde. Um Biathlon für die Medien attraktiver zu machen, wurden in den 90er Jahren eigens die neuen Disziplinen Massenstart und Verfolgung geschaffen. Und siehe da, seither erlebte die Sportart einen enormen Aufschwung und ist aus der deutschen Medienlandschaft im Winter nicht mehr wegzudenken. Nun kann man freilich eine Sportart wie Eishockey nicht generell kernsanieren, aber dennoch könnte man die Medien hier weit mehr mit ins Boot holen und gemeinsam Formate erarbeiten, die die Sportart wieder aus der "Kühlbox" holen. Das Potenzial wäre zweifelsohne da, aber man muss es auch nutzen.