Landkreis Regensburg

Der nackte Wolbergs

Suspendierter OB redet sich bei Eröffnungsrede in Rage und bekräftigt seine Unschuld


Nachdenklich war Joachim Wolbergs am Montag nur vor dem offiziellen Start der Verhandlung. Bei seiner Eröffnungsrede nahm er Ste

Nachdenklich war Joachim Wolbergs am Montag nur vor dem offiziellen Start der Verhandlung. Bei seiner Eröffnungsrede nahm er Stellung zu den Anschuldigungen gegen ihn. Teilweise über das Ziel hinaus.

Es war seine Bühne, sein Zeitpunkt, sein Auftritt: Der suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs hat seine Eröffnungsrede am Dienstag vor Gericht genutzt, um zwei Jahre nach Beginn der Ermittlungen gegen ihn mit der Staatsanwaltschaft abzurechnen. Auch Teile der Medien, Polizei und politische Gegner bekamen ihr Fett weg.

Viele Ratschläge habe er erhalten, sagte Wolbergs zu Beginn. Er solle nicht zu viel sagen, nicht zu weinerlich wirken und nicht zu forsch sein. "Aber ich mache es so, wie ich es immer gemacht habe. Ich sage die Wahrheit - und zwar die ganze." Das Ziel: "Ich will deutlich machen, dass ich kein Verbrecher bin."

Dann fing Wolbergs an und redete sich in Rage - fast den kompletten zweiten Verhandlungstag über. Das Drumherum um diesen Prozess halte er für Wahnsinn. Sein Leben sei seit dem 14. Juni 2016 - dem Beginn der Ermittlungen - "furchtbar" und seit seiner Inhaftierung gar "unvorstellbar". Umso wichtiger sei dem begabten Redner das Eröffnungsstatement, "meine einzige Chance, mich einmal umfassend zu äußern".

Angespannte Atmosphäre im Gerichtssaal

Eröffnungsreden sind erst seit Kurzem und nur bei großen Verfahren erlaubt, Wolbergs nutzte seine für zahlreiche Frontalangriffe. Das sorgte am Dienstag für eine angespannte Atmosphäre im Gerichtssaal. Der Staatsanwaltschaft und der Kripo gegenüber habe er sich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr geäußert, sagte Wolbergs. Er fühle sich ungerecht behandelt, das Vertrauen sei weg.

"Durch die Ermittlungen bin ich völlig nackt und muss über Dinge sprechen, die eigentlich nicht in die Öffentlichkeit gehören. Dazu haben Sie mich gezwungen", mahnte er in Richtung der ermittelnden Staatsanwältin Christine Ernstberger.

Detailliert sprach Wolbergs über seinen Werdegang, abgehörte Telefonate seiner Kinder, seine Verhaftung und über die Haftbedingungen im Straubinger Hochsicherheitsgefängnis. Wie er von einem Justizbeamten erfahren habe, sei er dort über sechs Wochen hinweg in seiner Zelle wegen Suizidgefahr rund um die Uhr gefilmt und beobachtet worden. "Und das, obwohl ich nie selbstmordgefährdet war."

Danach kam er auf die Vorwürfe der Vorteilsannahme und von Verstößen gegen das Parteiengesetz zu sprechen. Wolbergs graste sämtliche Themenkomplexe des Verfahrens ab, wies Vorwürfe zurück, relativierte, räumte kleine Fehler ein. "Dinge, bei denen ich nicht gut genug aufgepasst habe, auch mal schlampig war." Insgesamt blieb er jedoch dabei: "Ich habe nie etwas strafrechtlich Relevantes gemacht, und schon gar nicht mit Absicht."

Staatsanwältin wehrt sich gegen Angriffe

Vehement verteidigte er die Spenden, die er für seinen OB-Wahlkampf gesammelt hatte - über 800.000 Euro insgesamt. Dass sie teils knapp unter der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro geflossen sind, sei legitim, meinte der SPD-Politiker. Unternehmen hätten ein Interesse daran, nicht mit einer bestimmten Partei in einen Topf geworfen zu werden oder wollten nicht Begehrlichkeiten bei anderen wecken. Die Regensburger CSU habe genauso gestückelte Wahlkampfspenden erhalten. "Ich bin gespannt, Frau Ernstberger, ob Sie der CSU die gleichen Fragen stellen und das gleiche Brimborium daraus machen." In Bezug auf die weiteren laufenden Ermittlungsverfahren, die gegen ihn laufen, rief er: "Kommen Sie in die Gänge, klagen Sie an." Bezüglich des in der Kritik stehenden Sparkassen-Kredits für den ebenfalls angeklagten Bauträger Volker Tretzel sagte er: "Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich Anweisung geben, auf Amtshaftung zu klagen, weil sie einen unglaublichen Schaden bei der Sparkasse angerichtet haben."

Das wurde Ernstberger irgendwann zu viel. Nach einer Verhandlungspause erklärte sie, sie wäre froh, wenn Herr Wolbergs auf persönliche Angriffe verzichten würde. Richterin Elke Escher äußerte daraufhin Verständnis für beide Seiten und bat Wolbergs trotz seiner Wut um etwas Mäßigung. Der erwiderte: "Ich bin verbittert. Ich habe alles verloren. Alles. Zu Unrecht, wie ich meine." Seine Aggressivität zügelte er etwas. Trotz seiner Angriffe wirkte er am Dienstag schwach, erschöpft.

Prozess geht erst am Montag weiter

Wolbergs' Überzeugung nach habe ihm Tretzel gespendet, "weil er mich mochte und meinte, ich wäre ein guter Oberbürgermeister". Dass auf der Spenderliste weitere Tretzel-Mitarbeiter auftauchten, habe er darauf zurückgeführt, dass Tretzel sie dazu motiviert habe, an ihn zu spenden. Eine Verknüpfung zwischen den Spenden oder auch den Tretzel-Millionen für den SSV Jahn und der Vergabe der Nibelungenkaserne habe es nie gegeben, betonte Wolbergs.

Die umstrittene Neuausschreibung für das Nibelungenareal, ein begehrtes Baugebiet im Stadtsüden, sei allein erfolgt mit der politischen Zielsetzung, möglichst viele geförderte Wohnungen mit den besten Energie- und Ausführungsstandards zu erhalten. Ähnlich äußerte sich später auch Tim Fischer, Anwalt des mitangeklagten Stadtrats Norbert Hartl, dem die Weitergabe stadtinterner Informationen an Tretzel vorgeworfen wird. Hartls einzige Triebfeder sei es gewesen, "energieeffizienten, qualitativ hochwertigen, geförderten Wohnraum zu schaffen".

Da die Angeklagten und Verteidiger keine weiteren Einlassungen halten wollen, geht der Prozess erst am Montag weiter. Dann startet die Beweisaufnahme zum SSV Jahn.