Bernauer-Festspiele

Straubings große Liebesgeschichte: Wer war Agnes Bernauer?

Eine Baderstochter verdreht dem Herzogssohn den Kopf - bis dessen Vater sie wegen Zauberei verurteilen und ertränken lässt. Hier, was über Agnes Bernauer historisch verbürgt ist.


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Stadtarchivarin Dorit-Maria Krenn zeigt am in der Gedenkkapelle auf dem Friedhof St. Peter in Straubing auf den Grabstein von Agnes Bernauer.

Von Dr. Dorit-Maria Krenn

Vermutlich im Frühjahr 1428 tauchen der Name und die Person "pernawerin“ zum ersten Mal in einer schriftlichen Quelle auf, in einer Münchner Steuerliste. Die Bernauerin gehört zu „Herzog Albrechts Hofgesind“. Vier Jahre später ist in einer Kammerrechnung der Stadt München wieder die Rede von einer „Bernawerin“. Nun ist sie aber offensichtlich eine bei Hof und in der Stadt bekannte und einflussreiche Frau, die sich über einen in die Hofburg geflüchteten Raubriter aufregt und dessen Auslieferung verlangen kann. Für das Jahr 1432 ist auch überliefert, dass die Gräfin Beatrix, die Schwester Albrechts, bei einem Festmahl ihren Bruder getadelt habe und zwar „von fraw Nessen wegen der hoch und gros faisten Bernawerin wegen“, also wegen einer hochmütigen und sich aufblasenden Agnes.

Zwischen Agnes und Albrecht hatte sich offenbar eine Liebesbeziehung entwickelt.

1433 sandte Herzog Ernst I. von Bayern-München seinen Sohn Albrecht als Statthalter nach Straubing, das seit der Gründung der Neustadt durch den Wittelsbacherherzog Ludwig den Kelheimer 1218 zu einem der wichtigsten Verwaltungszentren im alten Bayern aufgestiegen und nach dem Aussterben der wittelsbachischen Linie Straubing-Holland an die Herzöge von Bayern-München gefallen war. Mit Albrecht zog auch Agnes Bernauer in das Straubinger Herzogsschloss ein.

Die selbstständige Politik, die Fehden mit der Ritterschaft, eine grausame Verfolgung der Straubinger Juden, die kostspielige Hofhaltung des selbstbewussten Statthalters Albrecht, nicht zuletzt aber auch die „Affäre Bernauer“ erregten schließlich den Unwillen seines Vaters, des Herzogs Ernst.

Auf einem Geheimtreffen von „Fürsten und Herren“ in Kelheim wurde auch „von der Bernauerin wegen“ verhandelt - und wohl beschlossen, dass sie aus Gründen der Staatsräson beseitigt werden müsse. Denn die „starke Bindung“, vermutlich auch heimliche Eheschließung, zwischen Albrecht, dem einzigen erwachsenen Thronfolger im Herzogshaus Bayern-München, und Agnes, einer Frau aus einer sozial niedrigeren Schicht, hielt ihn von einer legitimen fürstlichen Heirat ab, verletzte zutiefst die Standesehre, das Selbstbewusstsein und die Spielregeln der Feudalgesellschaft.

Während Albrecht einer Jagdeinladung seines Landshuter Vetters Heinrich folgte, wurde Agnes im Straubinger Schloss offenbar wegen Zauberei, Hochverrat und Landschädlichkeit zum Tode verurteilt und am 12. Oktober 1435 in der Donau bei Straubing ertränkt bzw. „gen hymel gefertigt“, wie sich der Münchner Stadtschreiber ausdrückte.

Albrecht nahm den Tod seiner Geliebten nicht einfach hin. Er zerstritt sich mit seinem Vater, gegen Heinrich von Landshut führte er sogar Krieg. Im Frühsommer 1436 söhnten sich aber Herzog Ernst und sein einziger Sohn Albrecht aus.

Ernst stiftete zum Gedenken an Agnes eine Kapelle auf dem Friedhof St. Peter in der Straubinger Altstadt. Das sich dort befindliche Epitaph zeigt die Bernauerin als fromme, anständige Frau mit den Ringen des Verlöbnisses und der Ehe. Albrecht feierte bereits im November 1436 Hochzeit mit einer standesgemäßen Gemahlin, mit der Welfenprinzessin Anna von Braunschweig.

Der Münchner Stadtschreiber notierte hierzu erleichtert: „Des sull wir alle fro sein, das wir nit wider ain Bernawerin gewunen haben.!

Durch die Jahrhunderte erfuhr Agnes vielerlei Deutungen, Einschätzungen, Bewertungen: Sie wurde zum Beispiel als „Engel Bernauerin“ (Johannes Franks Augsburger Annalen, ca. 1467), „wunderschöne frauen“ (Veit Arnpeck, 1493) und „schönes, unschuldiges Mägdchen“ (Anonymus, 1743) bezeichnet.

Andere nannten sie aber auch ein „schlafweib“ (Hans Ebran von Wildenberg, 1490/1493), „Mädchen eines Badewärters“, in das Albrecht „heillos verliebt“ war (Enea Silvio Piccolomini, um 1450) und in dessen „Liebesgarn“ sich Albrecht verstrickte (Johann Adlzreiter von Tettenweis/Johannes Vervaux, 1662).

Friedrich Hebbel, bedeutender Dramatiker des poetischen Realismus, stellte in seinem Trauerspiel (1851) die Bernauerin hausmütterlich, naiv, freundlich, sittsam dar, deren Beziehung zu Albrecht aber die notwendige staatliche und gesellschaftliche Ordnung in Frage stellt. Der berühmte Komponist Carl Orff lässt Agnes am Ende seines „bairischen Stückes“ (1946), nach ihrer Ertränkung als himmlische „Duchessa mit Krone und weitem Mantel“ erscheinen.

In neuerer Zeit ist von der „bayerischen Antigone“ (Dietz-Rüdiger Moser 1984) und der bayerischen „Queen of Hearts“ (John L. Flood, 2001) die Rede, werden ihr politische Ambitionen als „legitime Herzogin des Straubinger Landes an der Seite ihres Gemahls“ mit der Aussicht, „auch Herzogin von ganz Bayern-München zu werden“ zugesprochen (Marita A. Panzer, 2007), wird ihr „ein selbstbewusster und starker Charakter“ (Johannes Reitmeier, 2011) attestiert.

Aus den wenigen zeitgenössischen historischen Quellen ist eines gewiss erkenntlich: Zwischen Agnes, einer Frau aus einer unteren Gesellschaftsschicht, und dem Herzogssohn Albrecht bestand eine Liebesbeziehung, an der beide festhielten und für die Agnes mit dem Tod bezahlte. Und deshalb ist sie bis heute nicht vergessen.


Die Autorin ist Historikerin und war von 1991 bis 2023 Stadtarchivarin Straubings. Dieser Artikel erschien erstmals in einer Beilage des Straubinger Tagblatts zu den Agnes-Bernauer-Festspielen im Juni 2015.