Modellbau
Die Festzelte des Gäubodenvolksfestes im Miniaturformat
16. August 2023, 14:12 Uhr
Eigentlich hätte er sich auch vorstellen können, Schausteller zu werden. Eine Affinität dazu hat er von Kindheit an, denn der Vater handelte mit Mode in München - direkt an der Theresienwiese. Über zwei Jahrzehnte hatte der Straubinger Lothar Scheffler dort einen Blick aus der ersten Reihe. Schausteller ist er dann doch nicht geworden, sondern studierter Betriebswirt, tätig im Modeimport und -export. Das Faible für Volksfeste hat der heute 76-Jährige anders ausgelebt: Abgesehen davon, dass er leidenschaftlicher Achterbahnfahrer war und ist, als Modellbauer mit Spezialität Karussells und Festzelte. Sein jüngstes Werk: Das Festzelt von Martin Lechner. Der ist auf ihn gekommen, weil er das Zeltmodell der Familie Krönner gesehen hat, ebenfalls ein echter "Scheffler".
Modellbauer war er "immer schon", erzählt Lothar Scheffler. Anfangs habe er gekaufte Bausätze zusammengebastelt, "aber immer verändert", fügt er hinzu. Karussells waren schon damals bevorzugte Motive. Über die Jahre und Jahrzehnte konnte er ganze Volksfestplätze bestücken. Einer davon war vor vielen Jahren, als es noch Stufler am Ludwigsplatz gab, im dortigen Schaufenster ausgestellt. Genau das hat Elisabeth Krönner gesehen und das Krönner-Zelt als Modell in Auftrag gegeben - als gut gehütetes Geheimnis zum 50. Geburtstag ihres Mannes Joschi. Scheffler hat das Zelt gebaut - samt dem damaligen Karussell in der Mitte, auf dem die Musik spielte. "Und es hat sich selbstverständlich auch gedreht."
Seine Vorgehensweise fürs Lechnerzelt war die genau gleiche. Scheffler sieht sich ganz genau im echten Zelt um, dokumentiert im Foto jedes Detail und das nicht nur vom fertig aufgebauten Zelt, sondern noch während die Handwerker in Aktion sind. In Echtzeit. "Ich will alles wissen. Wie wird der Deko-Hopfenkranz hochgehoben zum Beispiel." Seiner ist aus Draht und Wolle geflochten und sieht täuschend echt aus.
Da läuft ein Mann durchs Zelt und fotografiert alles
"Da läuft ein Mann durch unser Zelt und fotografiert wirklich jede Ecke." Das hat im laufenden Betrieb mehr als eine Bedienung Festwirt Martin Lechner sorgenvoll gesteckt. Der wusste sofort, um wen es da ging. Lothar Scheffler hat sich Inspiration geholt für das Lechnerzelt im Maßstab 1 zu 87. Und da kommt es auf Bierzeltgarnituren genauso an wie auf WC-Schilder oder Hinweise wie "Selbstabholer" beim Gickerlgrill. Auf die Bilder an der Boxenwand, die schmückenden Girlanden und die Lampen am Zelthimmel. Fertig kaufen kann man das Wenigste, sagt Scheffler. Bänke und Tische gebe es beim Modellbau-Klassiker Faller. Allerdings nicht mit Straubing-Standard, sprich Rückenlehnen. Da ist der Miniatur-Schreiner gefordert. Und kürzen müssen habe er die Fallerschen Bierbänke obendrein, erzählt er.
Weil es kein Geschäft mehr vor Ort gibt, ist auch Scheffler als Zugeständnis ans heute im Internet surfend unterwegs. "Bei Amazon gibt es so gut wie alles", sagt er anerkennend. Lampen mit Gemütlichkeit ausstrahlendem Warmlicht für die Zelte beispielsweise oder Mini-Schrauben, Durchmesser ein Millimeter. Früher ist er in Spezialgeschäfte nach München gefahren. Aber selbst dort sind sie rar geworden. Auch Besuche auf Spielwarenmessen seien manchmal nützlich, um Raritäten zu finden oder Anregungen zu holen.
Not macht erfinderisch: Gondeln in Schwanform
Wenn es gar nichts gibt, wird er erfinderisch. Einmal, erzählt er, hat er ein Karussell mit Gondeln gestaltet in Form von Schwänen. Woher nehmen? Er hat Schleich-Schwäne gekauft - wieder eine Klassiker-Marke. Und sie zugesägt und einen Gondel-Sitz dazumodelliert.
Sein Anspruch: So echt wie möglich scheinen lassen. Manchmal bleibt nichts anderes als viele Kopien zu machen und immer wieder zu verkleinern. Manches wird von Hand erst mal auf Transparentpapier gezeichnet. All das braucht seine Zeit. Ein Jahr Arbeit investiert er in so ein Zelt. Vom Gerüst, dem Gerippe, bis zum Bild an der Boxenwand. "Wenn es pressiert, auch mal ganztags." In aller Regel arbeitet er aber mit Unterbrechungen. "Ich gehe weg und mache dann wieder weiter - so wie Künstler auch", sagt er schmunzelnd.
Seine verstorbene Frau hatte Verständnis für sein Faible. Und mehr als das. Sie habe es geliebt und sich grandios darauf verstanden, in Läden zu stöbern. Dabei ist für Lothar Schefflers Bastlerleidenschaft manches abgefallen. "Wir haben uns toll ergänzt." Beispielsweise hat sie ein rotweißkariertes Schmuckband in einem Dirndlladen entdeckt. "Wir kauften reichlich davon als Meterware. Im Laden waren sie erstaunt, was daraus werden sollte, nämlich Tischdecken fürs Krönnerzelt", erzählt er und lacht.
Martin Lechners Ehefrau Edith jedenfalls hat Lothar Scheffler mit dem Zeltmodell begeistert. "So detailgetreu hätte sie es sich nicht vorgestellt." Und dass das Zelt auch noch beleuchtet ist, war der Sahnetupfer. Eine Mini-Glühbirne kostet 1,20 Euro, sagt Scheffler.
Dem Modellbau will er nach Abschluss dieses Projekts natürlich weiter treu bleiben. "So lange es geht", sagt er und schätzt daran, dass dabei Hirnschmalz und Fingerfertigkeit gefordert werden. Hinter vorgehaltener Hand verrät er, dass er an einem großen Vorhaben dran ist. Er wird beim Gäubodenvolksfest heuer ein Auge drauf haben. Denn die Faszination des immerwährenden Kreislaufs von "einpacken, wegfahren, aufstellen, einpacken" sei eine eigene Welt, eine faszinierende Welt. "Die habe ich als Jugendlicher schon bei der legendären Herhaus-Achterbahn bewundert", sagt Scheffler. "Unsere ganze Familie ist fahrnarrisch gewesen." Wie gesagt, Achterbahn, gerne auch mit Looping. Aber alles, was sich dreht, kann er partout nicht vertragen.
Außer das Volksfest, darum dreht sich seine Welt. Neben einer weiteren Leidenschaft - für das geschliffene Wort, Geselligkeit und Humor. Das pflegt er bei den Schlaraffen - als "Ritter Datschi, das Feingebäck". Aber das ist eine eigene Geschichte.