Velden/Landshut
Völlig zugedröhnt ins Vereinsheim des TSV Velden eingebrochen
27. Juli 2016, 13:17 Uhr aktualisiert am 27. Juli 2016, 13:17 Uhr
So zugedröhnt die Jugendlichen in dieser Nacht auch gewesen sein mögen: Bei ihrem Einbruch beim TSV Velden vor einem Jahr scheinen sie akribisch jeden Stein umgedreht zu haben. Selbst Geräteschuppen und Verkaufshäuschen statteten sie einen Besuch ab. Dort erbeuteten sie 20 leere Getränkekästen und einen Akkuschrauber. Nun fand die Verhandlung vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts statt - und wieder einmal zeigte sich, wie schnell überbordende Null Bock-Stimmung und jugendliche Überheblichkeit in den Knast führen kann: Für einen der vier polizeibekannten Angeklagten wurde die Jugendstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt.
Die von Staatsanwältin Barbara Keimel vertretene Anklage hatte drei jungen Männern im Alter zwischen 17 und 23 Jahren und einer 19-Jährigen für den Einbruch in das Hauptgebäude und mehrere Nebengebäude des TSV Velden in der Nacht auf den 29. Juli 2015 Diebstahl in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt. Mit teils brachialer Gewalt brachen sie neben dem Hauptgebäude und den bereits erwähnten Geräteschuppen und Verkaufshäuschen auch Fenster und Türen der Unterkünfte der Stockschützen, Beachvolleyballer und Tennisspieler auf. Dabei entstand ein Sachschaden von etwa 2.600 Euro. Bei der Wahl ihrer Beute waren die Angeklagten nicht wählerisch: Insgesamt 34 leere Getränkekästen wurden ebenso abtransportiert wie Bargeld, Zigaretten, ein Notebook, besagter Akkuschrauber und Briefmarken. Das Diebesgut beziffert die Staatsanwaltschaft insgesamt auf knapp 1.300 Euro.
Der 23-Jährige - der seit Ende Juni in Untersuchungshaft sitzt, weil er sich durch Flucht dem Verfahren entziehen wollte - soll laut Anklage zudem im Herbst 2015 ebenfalls in Velden zwei Fahrräder - eines im Wert von 1.500 Euro, das andere im Wert von 500 Euro - gestohlen haben. Während er die Fahrraddiebstähle vor Gericht auch einräumte, bestritt er eine Teilnahme an den Einbrüchen auf dem Gelände des Sportvereins. Ein weiterer Angeklagter leugnete konstant - "vielleicht will er ja auch einfach nicht dabei gewesen sein", sagte Verteidiger Christoph Spilger in seinem Plädoyer.
Schützenhilfe leistete dem 18-Jährigen vor Gericht die Mutter. Sie habe im Kalender nachgeschaut: An diesem Abend habe sie keine Nachtschicht gehabt. Sie könne daher bezeugen, dass ihr Sohn zuhause gewesen sei. Wie Richter Stefan Kolb in der Urteilsbegründung sagte, fand das Schöffengericht diese Aussage "nicht überzeugend". Man sei fest davon überzeugt, dass beide leugnenden Angeklagte "dabei waren". Zu dieser Überzeugung sei man durch die Geständnisse der beiden weiteren Angeklagten gekommen, deren Angaben das Gericht durch die Zeugenaussagen bestätigt sehe.
"Weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist"
Ein Zeuge hatte vor Gericht gesagt, er habe den 18-Jährigen am Morgen nach dem Einbruch getroffen. Mit der Bemerkung, sie hätten "eine aktive Nacht" hinter sich, habe ihm der 18-Jährige die nächtlichen Geschehnisse geschildert. Und eine Zeugin berichtete von einer Voicemail der Angeklagten, in der sie einen ihrer Mittäter fragte, was man mit den Pfandflaschen tun solle. Die Angeklagte hatte ebenso wie ein 17-Jähriger die Tat vor Gericht eingeräumt - "Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist" - und die beiden Leugnenden als Mittäter benannt. Ihre Mandantin habe sich an diesem Abend zunächst im Elternhaus im Beisein der Mitangeklagten mit "diversen Substanzen zugedröhnt", so Verteidigerin Susanne Dunkl-Chouard, unter anderem mit Heroin. Zudem leide die 19-Jährige am Asperger-Syndrom und sei ihrem behandelnden Arzt zufolge "nicht sehr widerstandsfähig", was schlechte Einflüsse durch andere betreffe. Zuletzt hatte die junge Frau eine Ausbildung zur Beiköchin absolviert, diese jedoch abgebrochen. Vor Gericht erklärte sie sich nun mit einer stationären Langzeittherapie einverstanden - laut Richter Kolb "die einzige Möglichkeit", ihr Leben noch mal in den Griff zu bekommen. Das Gericht war bei der Urteilsfindung aufgrund der psychischen Erkrankung der 19-Jährigen von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen und verurteilte sie zu einer Jugendstrafe von neun Monaten auf Bewährung.
Der 23-Jährige erhielt eine Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem 18-Jährigen schließlich halfen weder Leugnen noch die Mutter: Er wurde zu einer Einheitsjugendstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Eine Aussetzung zur Bewährung verbiete sich hier von selbst, so Kolb. Der Richter hatte ihn bereits vor rund zwei Jahren wegen Drogenhandel zu einer Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Berufungskammer des Landgerichts hatte die Strafe dann zur Bewährung ausgesetzt; "der Angeklagte habe positive Zeichen gezeigt", hieß es in der Urteilsbegründung. Dies war am 5. Mai 2015. Wie ernst es dem 18-Jährigen mit den positiven Zeichen gewesen sei, habe er ja dann zwei Monate später mit dem Einbruch unter Beweis gestellt, so Kolb.
Der letzte Angeklagte scheint seine Null Bock-Stimmung mittlerweile abgelegt zu haben. Während er dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe bei ihrem letzten Gespräch noch lapidar mitgeteilt hatte, "Ich bringe meinen Hintern einfach nicht hoch", präsentierte der 17-Jährige vor Gericht für alle Prozessbeteiligte überraschend Belege über mehrere Praktikas und einen Ausbildungsvertrag zum Kfz-Mechatroniker. Er erhielt eine Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Was den plötzlichen Sinneswandel hervorgerufen hatte, konnte der Jugendliche nicht sagen. "Es fühlt sich jedenfalls gut an."