Landshuter Zeitung

Christopher M. ist des Mordes schuldig


Die grosse Strafkammer des Landgerichts hat den Angeklagten Christopher M. zu lebenslanger Haft verurteilt. Vorsitzende Richterin Gisela Geppert (Mitte) und die beisitzenden Richter Andreas Wiedemann (links) und Johannes Plutz sind von seiner Schuld überz

Die grosse Strafkammer des Landgerichts hat den Angeklagten Christopher M. zu lebenslanger Haft verurteilt. Vorsitzende Richterin Gisela Geppert (Mitte) und die beisitzenden Richter Andreas Wiedemann (links) und Johannes Plutz sind von seiner Schuld überz

Von Redaktion idowa

Am gestrigen 74. Verhandlungstag ist um 14 Uhr das Urteil im Prozess um die tote Nicole S. gefallen: Christopher M. ist schuldig des Mordes und des Schwangerschaftsabbruchs. (wir berichteten) "Er hat zwei Menschenleben aus nichtigem Grund zerstört", sagte Vorsitzende Richterin Gisela Geppert bei der Urteilsbegründung. Die große Strafkammer des Landgerichts folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verhängte lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig: Die Verteidigung will Revision einlegen.

Vor dem großen Schwurgerichtssaal im zweiten Stock des Gerichtsgebäudes herrschte schon um kurz nach 13 Uhr großes Gedränge. Verwandte des Angeklagten, der Toten, zahlreiche Medienvertreter und Zuschauer harrten stehend vor den Türen des Saals aus, um Sitzplätze zu ergattern. Den 27-jährigen gelernten Koch Christopher M. bekam zunächst niemand zu Gesicht, er wurde über den Hintereingang in den Saal gebracht. Drinnen kennzeichnete ein schwarz-gelbes Absperrband, wie nah Fotografen und Kamerateams an Richter und Anwälte herandurften. Wegen des großen Interesses wurde sogar eine Ausnahme von der Regel gemacht, dass im Saal niemand stehen darf: Entlang der Wände drängten sich Zuschauer, die keinen Sitzplatz mehr bekommen hatten. Als Geppert, die beisitzenden Richter Andreas Wiedemann und Johannes Plutz sowie die Schöffen Hermann Etzel, Peter Kern und Johann Bickl den Saal betraten, begann ein minutenlanges Blitzlichtgewitter. Dann herrschte Stille. Geppert verlas das Urteil, dem Christopher M. mit versteinertem Gesichtsausdruck folgte.

Mit dem Urteil sah es die große Strafkammer des Landgerichts als erwiesen an, dass Christopher M. am Abend des 3. Oktober 2009 seine schwangere Geliebte Nicole S. erstickt und verbrannt hat. "Wir haben es uns wahrhaft nicht leicht gemacht, das Ergebnis war beileibe nicht von vornherein sicher", sagte Geppert in der Urteilsbegründung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass M. am Tatabend gegen 21.30 Uhr seine Arbeitsstelle verließ und nach Landshut in die Beethovenstraße zu Nicole S. fuhr. Dort erstickte oder erdrosselte er die Schwangere, schleifte sie in den Flur und setzte die Leiche in Brand. "Laut dem Brandsachverstandigen hat nicht der Teppich zuerst gebrannt; vielmehr muss eine Flamme an die Haut gehalten worden sein, bis Körperfett auf den Teppich lief und dieser Feuer fing", sagte Geppert. Die Verwendung einer Brennpaste sei möglich, aber nicht notwendig, da der Teppich als Brandgrundlage ausgereicht habe.

Das Motiv des 27-Jährigen war laut Geppert die Vermeidung von Unterhaltszahlungen und der Schutz der anberaumten Ehe mit seiner Verlobten. Das Alibi von Christopher M., das ihm seine Verlobte und deren Eltern gaben, sah das Gericht als nicht zuverlässig an.

Unfall ausgeschlossen
Unfallszenarien - wie sie die Verteidigung vorgebracht hatte - schloss das Gericht aus. Nicole S. sei völlig gesund gewesen, auch ein Umräumen der Wohnung könne ausgeschlossen werden. Auch für einen Selbstmord habe S. keinen Grund gehabt. "Natürlich mussten wir überlegen, ob es wirklich Christopher M. war, der diese Katastrophe verursacht hat", sagte Geppert und schloss mehrere, von der Verteidigung als mögliche Täter genannte Personen aus. Darunter auch Nicole S.' Freund R. aus München. Dessen Angaben habe ihm das Gericht zwar in vieler Hinsicht nicht abgenommen. Doch habe er kein Motiv gehabt und mochte S. zu gern, als dass er sie umgebracht hätte.

M. ist laut Geppert ein Mensch, der immer alles im Griff hatte, sich überall anpasste und jedem gefiel. Gerade das sei ihm zum Verhängnis geworden. Als S. am 11. September 2009 erfuhr, dass M. auch von seiner Verlobten R. ein Kind erwartete, habe M. erkannt, dass ihm alles aus den Händen glitt. "Er hatte dieses einfache Mädchen, das ihm zuvor hörig war, nicht mehr im Griff." Als sich dann Nicole S. mit Mutter und Schwester von Christopher M. traf, habe sich die Katastrophe weiter fortgesetzt. Im folgenden SMS-Verkehr zwischen S. und M. schrieb er, dass sie sein Leben zerstöre, er sich einen Strick nehmen möchte, gegen die Wand fahren wolle. "Auch sein Testament und der Brief an seine Verlobte geben Grund zu der Annahme, dass er überlegte, sich das Leben zu nehmen", sagte Geppert.

"Er hatte ein Motiv, und die Tat war zeitlich möglich", resümierte Geppert. Sollte das Urteil einer Revision standhalten, so würde dies für M. bedeuten, dass er durch die besondere Schwere der Schuld frühestens nach 15 Jahren wieder auf freien Fuß kommt. Oftmals dauert in solchen Fällen die Strafzeit bis zu 25 Jahre.

Veronika Maucher