Landkreis Landshut
Beim Stadttheater kommt es jetzt knüppeldick
19. Februar 2013, 19:17 Uhr aktualisiert am 19. Februar 2013, 19:17 Uhr
Das sanierungsbedürftige Stadttheater entwickelt sich immer mehr zum politischen und finanziellen Alptraum der Stadt. Nun ist ans Licht gekommen, dass der Pachtvertrag über den Bernlochnerkomplex zwischen der Stadt und einer Erbengemeinschaft rechtlich möglicherweise keinen Bestand hat. Entsprechende LZ-Informationen bestätigte gestern die Stadtverwaltung. Der Grund: Der vor mehr als 20 Jahren abgeschlossene Pachtvertrag wurde damals nicht wie in solchen Fällen vorgeschrieben von der Regierung von Niederbayern genehmigt. Die Angelegenheit könnte für die Stadt und damit die Steuerzahler teuer werden. Und auch die Zukunft des Stadttheaters ist damit wieder in akuter Gefahr.
"Die Situation ist sehr verfahren." Die Worte von Stadtdirektor Andreas Bohmeyer zeigten gestern deutlich: Beim Stadttheater läuft für die Stadt im Moment alles schief. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt jetzt der Pachtvertrag. Der hatte jahrelang offenbar niemanden interessiert. Doch jetzt kam raus, dass der Erbpachtvertrag damals nicht genehmigt worden war. Im Zuge der Diskukssion um einen Interimsbau für das Stadttheater habe die Regierung von Niederbayern den Vertrag angefordert - und festgestellt, dass er ihr damals nicht vorgelegt und also auch nicht von ihr genehmigt worden war, sagte Bohmeyer gestern. Der Vertrag wäre aber genehmigungspflichtig gewesen, weil es sich um ein sogenanntes "kreditähnliches Rechtsgeschäft" handle. Auf Juristendeutsch ist der Vertrag damit "schwebend unwirksam".
270.000 Euro im Jahr
Die Stadt hat sich in dem Vertrag von 1991 dazu verpflichtet, jährlich einen sechsstelligen Betrag im Erbbaurecht an eine Erbengemeinschaft zu zahlen. Nach LZ-Informationen sind das derzeit rund 270000 Euro jährlich - Laufzeit bis 2052. Damit hat die Stadt bisher also wohl einige Millionen Euro bezahlt. Würde bis 2052 weitergezahlt, wären das nochmal 10,8 Millionen Euro. Es geht also um viel Geld. Gut informierte Verwaltungskreise sprachen gestern von einem "juristischen Albtraum", weil sowohl die Stadt als auch der Grundstückseigentümer jahrzehntelang Leistungen erbracht und Gegenleistungen in Anspruch genommen haben. Das jetzt alles rückwirkend aufzurollen, gilt unter Juristen als absoluter Wahnsinn. Auch so würden viele Anwälte noch viel Geld mit dem Fall verdienen.
Theoretisch könnte die Regierung den Vertrag nachträglich genehmigen, dann wäre alles in Ordnung, sagte Bohmeyer. Diese sei dazu aber nicht bereit, weil der Vertrag für die Stadt ungünstige Modalitäten enthalte. Was genau damit gemeint ist, wollte Bohmeyer nicht sagen. Am Freitag sollen sich die Stadträte damit im nichtöffentlichen Teil der Plenumssitzung beschäftigen. Wie die LZ aber erfahren hat, schätzt die Regierung den Vertrag als unausgewogen und nachteilig für die Stadt ein. Ein Beispiel ist der sogenannte Wertausgleich, den der Grundstückseigentümer der Stadt nach Ablauf des Vertrags für das Gebäude zahlen müsste. Demnach soll die Stadt viel zu wenig Geld dafür bekommen.
Aus Bohmeyers Sicht gibt es keinen Alleinschuldigen für den Schlamassel. Die Erbengemeinschaft jedenfalls treffe keine Schuld, sagt der Stadtdirektor. Er sagt aber auch, dass sich vor 22 Jahren der Notar um eine Genehmigung hätte kümmern müssen. Zudem habe die Regierung mitbekommen, dass erhebliche Erbbauzinsen anfielen, aber auch sie habe lange nicht nachgefragt. Das Grundbuchamt habe sich genausowenig um das Thema gekümmert. Und die Stadträte hätten 1991 fraktionsübergreifend einen Beschluss gefasst, der 33:5 für den Vertrag ausgefallen war. Alles in allem scheint irgendwie jeder mitverantwortlich zu sein. Oder mit Bohmeyers Worten: "Alle haben ihr Scherflein dazu beigetragen."
"Nur spärlich informiert"
Dieser Sicht widerspricht vehement Altoberbürgermeister Josef Deimer (hier mehr dazu), in dessen Amtszeit der Vertrag fällt: "Es ist geradezu unwahrscheinlich, dass die Regierung diesen Vertrag nicht genehmigt hat", sagte Deimer gestern. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Stadt Mitte der 90er Jahre Fördergelder für den Bau der Bernlochnersäle erhalten habe. Laut Deimer hätte es diese bei ungeklärten Besitzverhältnissen nie gegeben.
Josef Kell, Chef der Brauerei Wittmann und ein Vertreter der Erbengemeinschaft, zeigte sich gestern von den neuen Entwicklungen völlig überrascht. Er habe nur kurz am Telefon erfahren, dass der Vertrag "schwebend unwirksam" sei. Mehr wisse er derzeit nicht. "Wir sind sehr spärlich informiert."
Für die kommenden Tage sind Gespräche zwischen Stadt, Regierung und Erbengemeinschaft anberaumt. Andreas Bohmeyer setzt auf eine gütliche Einigung. Die offenen Modalitäten der vergangenen Jahre könnten mit einem Vergleich bereinigt werden, heißt es allenthalben. Bis 15. März soll geklärt sein, ob der Vertrag neu aufgelegt wird, oder ob die Stadt aussteigt, unter der Prämisse, dass die Regierung dabei bleibt, ihn nicht zu genehmigen. Kell nahm die ganze Angelegenheit gestern mit einer gewissen Ironie: "Unter diesen Umständen bedanken wir uns seitens des Besitzers, dass die Stadt die letzten 20 Jahre gezahlt hat."
Nach derzeitigem Stand der Dinge sieht es für eine Interimsspielstätte an der Wittstraße ungünstig aus - solange kein wasserdichter juristischer Vertrag existiert. Aber die Zeit drängt gewaltig, denn die Ausnahmegenehmigung des Gemeindeunfallversicherungsverbands für das marode Stadttheater gilt nicht ewig.