Nachfolge-Debatte

Rücktritt von Lambrecht erwartet


Kurz vor dem Aus? Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ist schon länger umstritten.

Kurz vor dem Aus? Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ist schon länger umstritten.

Von dpa

Christine Lambrecht schweigt. Auch aus dem Kanzleramt dringt am Samstag nichts an die Öffentlichkeit. Zwar gilt ein Rücktritt der glücklosen Ministerin als wahrscheinlich. Doch wann, wo und von wem die Entscheidung verkündet werden soll, bleibt vorerst offen.

Berichte über einen bevorstehenden Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) haben eine Nachfolgedebatte ausgelöst. "Ich vertraue der SPD, dass sie da zu einer guten Entscheidung kommt", sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Auch mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine betonte sie: "Je früher wir da Klarheit haben, desto besser."

Die Frage, ob bei einer Neubesetzung an der Spitze des Verteidigungsministeriums zwingend die Parität - jeweils die Hälfte der Kabinettsposten ist mit Männern, beziehungsweise Frauen besetzt - gewahrt bleiben müsse, beantwortete sie mit "Nein". Es sei etwas anderes, dieses Ziel bei der Regierungsbildung zu formulieren und dann auch zu verwirklichen als in der aktuellen Situation deshalb bestimmte Optionen von vorneherein auszuschließen.

Zu den männlichen SPD-Politikern, die als mögliche Nachfolger gehandelt werden, gehören etwa Co-Parteichef Lars Klingbeil und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Ein Ressortwechsel von Heil würde zwar noch eine Veränderung im Kabinett nach sich ziehen. Dass es zu einer größeren Kabinettsumbildung kommt, bei der auch die bisherige Aufteilung der Ressorts unter den drei Ampel-Parteien angetastet wird, gilt aber als unwahrscheinlich.

Nach Kompetenz besetzen

"Der Bundeskanzler sollte das für Deutschlands Sicherheit wichtige Verteidigungsministerium nicht unter paritätischen Gesichtspunkten nach Geschlechtern, sondern nur nach Kompetenz besetzen", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki der "Bild am Sonntag". "Nach vier schwachen Ministerinnen und Ministern hat die Bundeswehr endlich jemanden verdient, der oder die etwas von der Sache versteht."

Am Freitagabend hatten mehrere Medien übereinstimmend berichtet, Lambrecht stehe vor einem Rückzug von ihrem Ministerposten. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür bislang nicht.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, sagte der "Rheinischen Post", ein Rücktritt wäre konsequent, "weil Verteidigungsministerin Lambrecht nie im Amt angekommen ist, seit sie im Dezember 2021 Ministerin wurde". Der CDU-Politiker sieht hier auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Verantwortung. Er sagte: "Es war auch nie so, dass Bundeskanzler Scholz Lambrecht eine entscheidende Rolle zugebilligt hätte. Obwohl sie mit Beginn des russischen Angriffskrieges eines der wichtigsten Kabinettsmitglieder geworden ist."

Zugleich forderte Frei, auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die als Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl im Herbst gehandelt wird, müsse bald Klarheit über ihre Zukunft schaffen. "Auch Bundesinnenministerin Faeser kann sich offenbar nicht entscheiden, ob sie in Hessen Spitzenkandidatin der SPD werden will oder nicht", sagte er der Zeitung.

Besserer Umgang mit Ukraine-Krieg gefordert

Aus Sicht der Partei Die Linke würde ein Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums keinen Fortschritt im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Bundesregierung habe keine überzeugende Strategie, sagte Parteichef Martin Schirdewan am Samstag in Berlin. "Der Wechsel von Personalien wird das Dilemma nicht lösen, sondern es geht darum, dass die Bundesregierung endlich die Weichen stellt, hin aus der militärischen Logik herauszukommen hin zu einer Friedenslogik und Diplomatie und Friedensverhandlungen zu befördern."

Schirdewan und Co-Parteichefin Janine Wissler sprachen sich noch einmal ausdrücklich gegen Panzerlieferungen an die Ukraine und für Friedensverhandlungen aus. Ein Eintreten für Diplomatie bedeute keine Parteinahme für den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zu Lambrecht sagte Wissler, die Verteidigungsministerin habe unglücklich agiert. Doch seien die Anschaffung bewaffneter Drohnen und atomwaffenfähiger Kampfjets aus Sicht der Linken problematischer als das viel kritisierte Silvester-Video der Ministerin, sagte Wissler.

Lambrecht hatte in dem an einer Berliner Kreuzung aufgenommenen Video vor der Geräuschkulisse des Silvester-Feuerwerks über den Krieg in der Ukraine gesprochen. Das war vor allem in sozialen Medien als unpassend kritisiert worden. Auch die Spekulationen über ihren Rücktritt waren unter Twitter-Usern in Deutschland am Samstag zeitweise das am meisten diskutierte Thema.