Extremismus im Fokus

Bosbach und Körner im Gespräch: „Mehr Zivilcourage würde guttun“

Ex-Bundespolitiker Wolfgang Bosbach (CDU) und der bayerische Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner über Gefahren durch Extremismus, Krisen, Russland – und die AfD.


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Wolfgang Bosbach und Burkhard Körner im Gespräch mit den Redakteuren Alexander Schmid und Uli Karg.

Wolfgang Bosbach (72) gilt als einer der bekanntesten Politiker der CDU, der er seit 1972 angehört. Während der Ära Merkel kritisierte er den Liberalisierungskurs seiner Partei scharf, 2017 zog er sich aus der aktiven Politik zurück. Bis dahin gehörte er seit 1994 dem Bundestag an. Burkhard Körner (59) leitet seit dem 1. August 2008 das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und ist damit einer der dienstältesten Verfassungsschutzpräsidenten der Bundesrepublik. Anlässlich ihrer Teilnahme an einem Vortragsabend zum Thema Extremismus des CSU-Kreisverbands Landshut-Stadt gaben Wolfgang Bosbach und Burkhard Körner unserer Redaktion das folgende Interview.

Herr Körner, Herr Bosbach, in der Bundesrepublik ist man lange davon ausgegangen, dass ein Staat, der sich so intensiv mit seiner jüngeren Geschichte auseinandergesetzt hat, eine Grundimmunität gegenüber den Extremen im Parteienspektrum aufbauen konnte. Das hat sich mittlerweile als Trugschluss erwiesen. Warum?

Burkhard Körner: Ich glaube, dass die demokratischen Freiheiten zu selbstverständlich geworden sind. Der Bundespräsident hat es in einem Satz so treffend zusammengefasst: „Die Verfassung verliert ihre Gültigkeit an dem Tag, an dem sie uns gleichgültig wird.“ Und dann kommen natürlich bestimmte Dynamiken dazu, ausgelöst durchs Netz, gesellschaftliche und außenpolitische Krisen, die entsprechende Spaltungsprozesse in der Gesellschaft befördern. Mir bereitet Sorge, dass die Demokratie auf dem Altar der persönlichen Befindlichkeiten und Befürchtungen geopfert werden könnte.

Wolfgang Bosbach: In meinem Wahlkreis spielt die AfD politisch überhaupt keine Rolle, in Bayern auch nicht. Aber ich komme gerade aus den aus den neuen Bundesländern, habe Wahlkampf in Brandenburg, in Sachsen und in Thüringen gemacht, da sieht die Welt völlig anders aus. Die AfD war zu Beginn als bürgerlich-konservatives Projekt geplant. Das hat sich radikal geändert. Gründer wie Lucke und Henkel waren entsetzt, wer da alles mitmachte und haben fluchtartig das Lokal verlassen. Dadurch kam die Partei in schweres Fahrwasser, dann kam die Grenzöffnung Anfang September 2015. Das hat der AfD Wind unter die Flügel gebracht. Und dann kam die Ampel. Viele vergessen ja heute, dass die AfD zu Beginn dieser Wahlperiode die zweitkleinste Partei im Deutschen Bundestag war. Die zweitkleinste! Und jetzt ist sie demoskopisch mit der SPD gleichauf hinter der Union auf dem zweiten Platz. Also die Politik der Ampel hat ganz wesentlich zur Stärkung der AfD beigetragen.

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