Landtagswahlsonntag
Reine Protestwahl
8. März 2016, 8:00 Uhr aktualisiert am 8. März 2016, 8:00 Uhr
Das lässt nichts Gutes ahnen für den kommenden Landtagswahlsonntag. Die Flüchtlingskrise und ihre Folgen wirbeln das Parteiensystem gewaltig durcheinander.
Koalitionen, die bislang irgendwie immer möglich waren, haben plötzlich keine Mehrheit mehr. Dagegen hat die AfD bei den Kommunalwahlen in Hessen nach den bisher vorliegenden Zahlen aus dem Stand 13,2 Prozent der Stimmen geholt - obwohl die Partei mit der Flüchtlingskrise nur ein bundespolitisches Thema besetzt und nicht einmal dazu überzeugende Antworten liefert. Das Ergebnis spricht eine klare Sprache: Protest.
Bei den Landtagswahlen am kommenden Sonntag in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt dürfte der Kahlschlag bei den etablierten Parteien weitergehen. Umfragen verheißen auch hier der AfD Ergebnisse irgendwo im Bereich zwischen neun und 13 Prozent. Selbst bei Kommunalwahlen bekommt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Quittung für ihre Flüchtlingspolitik - das wird sich auf Landesebene womöglich bald fortsetzen. Konnte die CDU bis vor wenigen Wochen noch auf einen Regierungswechsel in Stuttgart und Mainz hoffen, hat sich das Blatt inzwischen zuungunsten der Union gewendet. Die Stärke der AfD stützt inzwischen nicht mehr strukturell die CDU, in der Hoffnung, linke Mehrheiten verhindern zu können. Vielmehr schadet sie der Union und wird wohl zu einem bislang ungeahnten Einbruch bei den Mandaten führen. Parteichefin Merkel wird sich auf ungemütliche Zeiten einstellen müssen. Denn diese Wahlniederlagen würden zu einem gewaltigen Teil auf ihr Konto gehen.
Der unklare Kurs ihres Spitzenpersonals trägt zum Niedergang der Sozialdemokraten bei. In Hessen kommen sie zwar noch auf 28 Prozent, bei den Landtagswahlen droht ihnen aber der Absturz in Bereiche, bei denen die SPD nicht mehr behaupten kann, sie sei eine Volkspartei. Der Schlingerkurs von Parteichef Sigmar Gabriel trägt dazu sicher bei. In Rheinland-Pfalz kann die SPD indes hoffen, mit Malu Dreyer weiterhin die Regierungschefin zu stellen. Sie gibt die volksnahe Landesmutter und lässt sich von der Bundes-SPD nicht stören.
Beunruhigend ist auch die schwache Wahlbeteiligung in Hessen. Das Kommunalwahlrecht mag kompliziert sein. Doch dass landesweit nicht mal mehr jeder zweite wahlberechtigte Hesse (48 Prozent) ins Wahllokal geht oder die Briefwahlunterlagen ausfüllt, ist besorgniserregend. In Frankfurt wählten gar nur 37,3 Prozent der Menschen. Auch das nutzt offenbar der AfD, der es gelingt, ihr Protestwählerpotenzial auszuschöpfen; in Frankfurt kommt sie auf mehr als 16 Prozent. Freuen kann sich eigentlich nur die FDP. Ihr Aufwärtstrend hält an - in Hessen erreicht sie landesweit mehr als sechs Prozent. Wenn es den freien Demokraten gelingt, sich wieder als echte liberale Kraft zu etablieren und womöglich sogar Koalitionsoptionen jenseits der AfD zu eröffnen, wäre das Anlass zur Hoffnung für die drei anstehenden Landtagswahlen.
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