Berlin
Politologe: Sorgen von AfD-Anhängern wurden vernachlässigt
14. März 2016, 13:07 Uhr aktualisiert am 14. März 2016, 13:07 Uhr
Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt hat den etablierten Parteien vorgeworfen, vor den jüngsten Landtagswahlen die Sorgen der AfD-Anhänger vernachlässigt zu haben.
"In Deutschland hat man den traditionellen und bewährten Anti-Rechts-Reflex gehabt: Alles, was rechts von der CDU ist, das ist NPD light, das muss ausgegrenzt werden", sagte der Dresdner Politologe am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Man hat darüber übersehen, dass dieses Land inzwischen tatsächlich andere Probleme hat als noch vor zehn Jahren." Es sei ignoriert worden, "dass die Einwanderung und folglich die Veränderung der Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung eine Herausforderung für unser Land ist".
Die im Zuge der Flüchtlingskrise aufgestiegene AfD hatte bei den Landtagswahlen am Sonntag in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt jeweils zweistellige Ergebnisse erzielt.
Drei Botschaften gehen von Wahl aus
Nach Einschätzung des Wissenschaftlers gehen vom Wahlabend drei Botschaften aus: "Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin (Angela Merkel) ist unpopulär", sagte Patzelt. Die zweite Erkenntnis sei, dass die politische Diskurslage im Land linker sei als die Wählerschaft. "Denn überall haben die Rechten zugewonnen und die Linken verloren, gerade in Baden-Württemberg, wo die rechtesten aller deutschen Grünen einen bewundernswerten Sieg errungen haben."
Die dritte Botschaft ist laut Patzelt: "Die AfD hat die Chance, sozusagen zur grünen Partei in der rechten Spielfeldhälfte zu werden." Voraussetzung sei aber, dass sich die Partei in den kommenden Monaten und Jahren in den Parlamenten und in der Öffentlichkeit durch konstruktive politische Arbeit bewährt, "das heißt, keine Rechtsradikalen hervortreten lässt und Aussagen skandalisierbarer Art unbedingt vermeidet".
Ob der AfD dies gelingt, müsse momentan offen bleiben. "Es wird sich schon auch zeigen, dass in den Landtagsfraktionen viele Leute sind, denen der liebe Gott das politische Handwerk und das politische Mundwerk nicht in die Wiege gelegt hat." Aber es dürfe nicht vergessen werden, dass auch die Grünen Zeit brauchten, um sich von einer Protest- zu einer Regierungspartei zu entwickeln.
Flüchtlingskrise hat mehr Wähler mobilisiert
Das Parteienspektrum sei in den vergangenen Jahren nach links gerückt, "so dass im rechten Bereich sich das aufgetan hat, was man eine Repräsentationslücke nennt", erläuterte Patzelt. Die AfD habe die Lücke gefüllt, die die CDU - getrieben von SPD und Grünen - im rechten Sepektrum hinterlassen habe.
Die CDU sollte daher künftig "ihre Schuldigkeit wieder darin sehen, bis zum rechten Rand zu integrieren, denn dann braucht es keine AfD". Dies sei aber nur möglich, wenn SPD und Grüne die CDU nicht dafür kritisieren, wenn sie nach rechts integriert, "sondern ganz umgekehrt der CDU dies als ihre unverzichtbare Aufgabe vor Augen führen". Wenn die CDU wieder nach rechts rücken würde, dann hätte auch die SPD mehr Platz zur Entfaltung, sagte Patzelt.
Der Politologe fügte an, die Alternative für Deutschland habe "genau jene heimatlos gewordenen, nicht-mittigen, im rechten Spektrum befindlichen Wähler angezogen, die früher entweder in der CDU und später eben keine politische Heimat gefunden hatten. Infolgedessen konnte der Aufruf, doch zur Wahl zu gehen, um die Rechten zu schwächen, nicht wirken, weil ja eben viele Rechte nun endlich eine Partei fanden, die nicht soweit rechts ist, dass man sich der Wahl dieser Partei schämen müsste."
Die starke Polarisierung im Zuge der Flüchtlingsdiskussion hatte am Sonntag in allen drei Ländern mehr Wähler als früher mobilisiert.
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