Schwarzenfeld
Opposition kritisiert CSU für harten Kurs in der Flüchtlingspolitik
9. September 2016, 20:34 Uhr aktualisiert am 9. September 2016, 20:34 Uhr
Die Opposition geißelt die CSU für ihren Harten Kurs in der Flüchtlingspolitik. Doch laut einer aktuellen Umfrage unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung die Haltung der Christsozialen.
Der CSU-Vorstand hat bei seiner Klausurtagung auf Schloss Schwarzenfeld (Landkreis Schwandorf) die Haltung der Partei in den Bereichen Zuwanderung und Integration festgelegt. Im Kern geht es darum, einen härteren Kurs zu fahren, die "Willkommenskultur" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu beenden und Zuwanderern mehr abzuverlangen. Die CSU fordert auch ein Burka-Verbot und will die doppelte Staatsbürgerschaft abschaffen. Außerdem will sie die Obergrenze bei der Zuwanderung von 200.000 Menschen pro Jahr gesetzlich verankern. Bei den anderen Parteien, aber auch Vertretern der eigenen Partei kommt das nicht nur gut an. Laut einer aktuellen Umfrage steht allerdings eine Mehrheit der Deutschen hinter dem Kurs der CSU.
So legte Natasche Kohnen, Generalsekretärin der Bayern-SPD der CSU nahe, die Koalition in Berlin zu verlassen, denn ihre Politik widerspreche dem Kurs der Bundesregierung. Im Münchner Merkur sagte sie, das Papier der CSU zur Zuwanderung sei ein "Katalog der Unmenschlichkeit".
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zeigte sich mit Blick auf die Beschlüsse von Schwarzenfeld ebenfalls verärgert. "Was ich davon halte? Nichts", sagte die SPD-Politikerin am Freitag in Düsseldorf. "Das sind alles alte Forderungen, die schon mal auf dem Tisch lagen und die aus gutem Grund nicht mehr auf dem Tisch liegen".
Gegenwind kommt auch von den Grünen. Horst Seehofer wolle offenbar seine Partei "zur bayerischen Schwester der AfD machen", warf Grünen-Parteichefin Simone Peter in Berlin dem CSU-Chef vor. Der Grünen-Innenexperte Volker Beck bezeichnete die CSU-Pläne als verfassungswidrig, meldet der Spiegel.
Die FDP Bayern kritisiert die Beschlussvorlage der CSU zur Flüchtlingspolitik ebenfalls scharf. Das Einschwenken auf AfD-Forderungen beim Umgang mit Asylsuchenden, wie zum Beispiel allgemeine Obergrenzen, sei unverantwortlich. Wirkliche Zukunftsthemen, wie die Schaffung eines Einwanderungsgesetzes, würden konsequent ausgeblendet, hieß es. Daniel Föst, Generalsekretär der bayerischen Liberalen sagte: "Die CSU muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen! Die ständige Wiederholung populistischer Abschottungsrhetorik muss aufhören. So gefährdet die CSU die Zukunft unseres Landes und stärkt die Rechtspopulisten der AfD!".
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger kritisierte das Hin-und-Her der CSU: "Die Bürger sind das ewige Ping-Pong-Spiel in der Flüchtlingspolitik zwischen Seehofer und Merkel leid und erwarten endlich konkrete politische Lösungen. Die Bundesregierung, der auch Seehofer angehört, hat weiterhin mehr als eine halbe Million unbearbeiteter Asylfälle noch aus 2015 zu verantworten." Er wiederholte zudem seine Forderung, genügend Asylrichter eingestellt, um die Verfahren zu beschleunigen und abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben: "Scheindebatten Seehofers mit Lösungsversprechen ‚bis Ende nächsten Monats' hatten wir schon unzählige. Das nervt die Menschen und befördert die Wahl von Kräften, die man vorgibt, bekämpfen zu wollen."
Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. Der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Maier (CSU) hat sich hinter die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin gestellt. "Die Offenheit für Schutzsuchende scheint mir eine konsequente Fortsetzung der christlichen Hinwendung zu Europa in den 1950er-Jahren", sagte er. Der unionsinterne Streit in der Asylpolitik drohe die "dringend benötigte Gemeinsamkeit zu erschüttern". Maier drückte die Hoffnung aus, "dass die Vernunft noch vor der nächsten Bundestagswahl zurückkehrt".
Luxemburgs Außenminister Asselborn sagte in einem Interview mit der Welt, Parolen wie "Deutschland muss Deutschland bleiben" führten zu einer Abschottung gegenüber Flüchtlingen. Sie schadeten dem Ansehen Deutschlands in der Welt und lösten im Ausland Irritationen und Sorge aus.
Doch die CSU steht mit ihrer Haltung nicht alleine da. Rund 82 Prozent der Deutschen fordern von Kanzlerin Merkel Kurskorrekturen in der Flüchtlingspolitik. In einer Umfrage des Instituts TNS Forschung im Auftrag des Spiegel vertraten 28 Prozent der Bundesbürger die Ansicht, Merkel müsse ihre Flüchtlingspolitik grundsätzlich ändern. 54 Prozent verlangen eine teilweise Korrektur. Nur 15 Prozent sind der Ansicht, dass Merkel bei ihrer Linie bleiben sollte. Das Institut TNS Forschung hatte am 6. und 7. September 1.003 Bürger befragt.
Bei der Frage nach ihrem Wunschbündnis für die Zeit nach der Bundestagswahl 2017 plädieren zudem 55 Prozent für eine Fortsetzung der großen Koalition. Für Schwarz-Grün sprechen sich 41 Prozent aus, für Rot-Rot-Grün 34 Prozent. 21 Prozent der Deutschen könnten sich der Umfrage zufolge vorstellen, bei der Bundestagswahl AfD zu wählen - wobei neun Prozent angeben, in ihrer Entscheidung schon sicher zu sein.
Nach Ansicht von Beobachtern bedeutet dies, dass die Zustimmung für die AfD geringer sei, als oft angenommen werde und dass sich in der Wahl für die AfD eher die Wut auf die etablierte Politik ausdrücke und keine tiefgehende Überzeugung oder gar der Wunsch, die AfD solle regieren. Aus Teilnehmerkreisen der CSU-Vorstandsklausur war zu hören, dass dies auch in der Schwesterpartei so gesehen werde und viele CDU-Anhänger die CSU sogar ermunterten, ihren Kurs fortzusetzen, um die eigene Partei zu Korrekturen zu zwingen.