Nach Atom-Deal
Gute Geschäftsperspektiven: Bayern ergreift Initiative im Iran
30. Oktober 2015, 18:10 Uhr aktualisiert am 30. Oktober 2015, 18:10 Uhr
Der Iran gilt als "schlafender Riese". Wenn er erwacht, eröffnet sich für die bayerische Wirtschaft ein riesiger Markt.
Fast 80 Millionen Einwohner, hoch qualifizierte Arbeitnehmer, jede Menge Rohstoffe: Der Iran gilt als "schlafender Riese", der aufgrund der Sanktionen in den vergangenen Jahren wirtschaftlich großen Nachholbedarf hat. Nach der Einigung im Atom-Streit erhofft sich die bayerische Wirtschaft nun neue Geschäfte. Darum streckt Bayern schon frühzeitig seine Fühler in den Iran aus. Es eröffnet sich ein riesiger Markt.
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw) eröffnen an diesem Sonntag die gemeinsame Repräsentanz in Teheran. Auch Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ist dabei: Die stellvertretende Regierungschefin reist bis Mittwoch mit einer bayerischen Wirtschaftsdelegation in das Land. Ziel der Reise sei es, politisch den Unternehmen aus Bayern den Rücken zu stärken, Flagge zu zeigen und Gesprächsfäden wieder aufzunehmen. Vor allem aber sollen dem bayerischen Mittelstand gute Startchancen und möglichst viele Erstkontakte im Iran ermöglicht werden, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Der Freistaat könne für den Iran vor allem Partner beim Ausbau der Infrastruktur und bei Themen der Bildung sein. Die Repräsentanz soll bayerischen Firmen bei der Markterschließung helfen, Kontakte zu potenziellen Partnern und Kunden vermitteln sowie den Zugang zu politischen Entscheidern ermöglichen.
Hohe Wertschätzung für bayerische Produkte
"Die Öffnung des Iran bietet uns große Chancen", betont auch Aigner. "Der Iran ist eine bedeutende Volkswirtschaft, reich an Bodenschätzen und für die bayerische Wirtschaft ein lohnender Absatzmarkt. Iranische Firmen können von unserem Know-how in den Bereichen Infrastruktur, Energietechnik, Bildung und Maschinenbau profitieren", ist die Wirtschaftsministerin überzeugt. Die vbw-Repräsentanz werde dazu beitragen, Potenziale für die bayerische Wirtschaft zu heben. vbw-Präsident Alfred Gaffal sieht das genauso: "Der Iran ist die Herzkammer eines Wirtschaftsraums, der über die Grenzen hinweg 400 Millionen Menschen umfasst." Der vbw-Präsident rechnet damit, dass die Potenziale für einen wirtschaftlichen Austausch mit dem Iran immens sind und die Handelsbeziehungen nach der erhofften Aufhebung der Sanktionen zum Frühjahr 2016 rasant Fahrt aufnehmen. "Nach Jahren politischer Spannungen und rückläufiger Exporte wollen wir die Aufbruchsstimmung nutzen, um an frühere Erfolge anzuknüpfen."
Dabei können bayerische Manager, die bei den Kunden im Iran um neue Aufträge werben, auf einen Vertrauensvorschuss setzen: Deutsche und bayerische Produkte haben, erklärt der Arbeitgeberverband, im Iran klassische Absatzmärkte und traditionell eine hohe Wertschätzung. "Unsere Unternehmen können den iranischen Nachholbedarf bei Investitionen und die hohe Importnachfrage bei gutem Wirtschaftswachstum bestens bedienen", sagt Gaffal, der "intensivere Wirtschaftsbeziehungen" zwischen Bayern und Iran anstrebt.
Sanktionen bringen Wettbewerber ins Geschäft
Infolge des Handelsembargos waren die bayerisch-iranischen Beziehungen laut Wirtschaftsministerium seit 2007 rückläufig, aber seit 2014 sei eine positivere Entwicklung zu erkennen. Vor fünf Jahren lieferte Bayern noch Waren im Wert von mehr als einer Milliarde Euro in den Iran. 2014 erreichten die bayerischen Exporte in die Islamische Republik nur noch gut 220 Millionen Euro. Im Gegenzug verkaufte der Iran im vergangenen Jahr Waren im Wert von rund 15 Millionen Euro in den Freistaat. Die wichtigsten Exportgüter, die Bayern aus dem Golfstaat bezieht, waren zuletzt Erzeugnisse der Landwirtschaft und Jagd, Nahrungs- und Futtermittel sowie Textilien und pharmazeutische Erzeugnisse. Der Iran importierte aus Bayern vor allem (erlaubte) Maschinen, elektrische Ausrüstung und chemische Erzeugnisse.
Allerdings haben in den Jahren der Sanktionen Wettbewerber aus China und Korea die Lücken besetzt, die entstanden, als deutsche Firmen dem Land ferngeblieben sind. So haben sie ihre Position im Iran in den letzten Jahren spürbar ausgebaut und befinden sich damit in einer guten Ausgangslage, um vom Ende der Sanktionen zu profitieren. Gleichwohl dürfte die Ausgangslage für deutsche Unternehmen im Iran hervorragend sein. Die Beziehungen zwischen Unternehmen aus beiden Ländern sind über Jahrzehnte gewachsen, teilweise engagieren sich bayerische Unternehmen wie Siemens seit mehr als 100 Jahren im Kernland des früheren Perserreichs. Die Infrastruktur, die in diesen langjährigen Beziehungen entstand, ist bis heute intakt. "Wir haben es jetzt gemeinsam in der Hand, ein neues Kapitel der iranisch-bayerischen Beziehungen aufzuschlagen und uns damit erfolgreich im internationalen Wettbewerb zu positionieren", betont vbw-Präsident Gaffal.