Sucht
Einstiegsdroge Vape? - Verbot von süßen Aromen gefordert
7. Mai 2023, 8:15 Uhr
Sie sind etwas größer als ein Feuerzeug, oft knallbunt und haben Geschmacksrichtungen wie Himbeere, Passionsfrucht oder Wassermelone-Kaugummi. Ob auf dem Sportplatz, in der Einkaufszone oder gar auf dem Schulhof: Immer mehr Jugendliche greifen zu sogenannten Vapes, selbst Zwölfjährige sieht man mit Einweg-E-Zigaretten aromatisierten Dampf einatmen, der oft Nikotin enthält. Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, warnt vor den Gefahren der Produkte, die eigentlich nur an Erwachsene verkauft werden dürfen und zudem die Umwelt belasten.
"Alle Anreize, die Jugendliche unnötig auf den Geschmack bringen könnten, gehören aus meiner Sicht abgeschafft", sagt Blienert der Deutschen Presse-Agentur. Durch die Vielzahl fruchtiger und süßer Aromen kämen junge Menschen auf den Geschmack, der Weg zur richtigen Zigarette sei dann nicht mehr weit. "Aus meiner Sicht wäre daher ein konsequentes Verbot von Aromen sinnvoll", betont der Drogenbeauftragte. Studien zeigten zudem, dass die Aromatisierung der Liquids auch für sich selbst gesundheitliche Risiken bergen und etwa eine entzündungsfördernde Wirkung haben könnten. Damit wären auch Vapes ohne Nikotin bedenklich.
Laut der Ende 2022 veröffentlichten Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (Debra) hat sich der Anteil der Raucherinnen und Raucher unter den 14- bis 17-Jährigen innerhalb eines Jahres nahezu verdoppelt - von 8,7 auf 15,9 Prozent. Bei den 18- bis 24-Jährigen stieg er von 36,1 auf 40,8 Prozent. Auch beim Konsum von E-Zigaretten und ähnlichen Produkten gab es einen starken Anstieg von 0,5 auf 2,5 Prozent bei den 14- bis 17-Jährigen und von 2,4 auf 4,0 Prozent bei den 18- bis 24-Jährigen.
Wegen ihres hohen Nikotingehalts machten viele Einweg-E-Zigaretten schnell abhängig, warnt der Leiter der Debra-Studie, Daniel Kotz, vom Schwerpunkt Suchtforschung am Institut für Allgemeinmedizin der Universität Düsseldorf. In den Geräten werden Flüssigkeiten (Liquids) erhitzt, die entstehenden Aerosole werden inhaliert. Manche Liquids enthalten laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) doppelt so viel Nikotin wie herkömmliche Zigaretten. In Studien seien bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hoher Blutdruck und Lungenprobleme nachgewiesen worden.
Influencer zeigen sich in sozialen Netzwerken gern mit einer Vape in der Hand, cool umnebelt von Dampf. Zu #vape oder #vaping gibt es Tausende Beiträge, etwa auf Tiktok. Einige Clips warnen aber auch vor gesundheitlichen Risiken. Deutschrapper wie Haftbefehl oder 187 Strassenbande haben bereits eigene Vapes auf den Markt gebracht.
"Die E-Zigaretten wirken clean und trendy. Im Grunde wird ein Zerrbild des gesunden Rauchens vermittelt", sagt Rainer Thomasius, der das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) leitet. Der Kinder- und Jugendpsychiater plädiert für ein schnelles Verbot von Aromastoffen sowie ein Werbeverbot. "Die Suchtprävention in Deutschland hat bei diesem Thema geschlafen", kritisiert der Mediziner. Bisher gebe es von Seiten der Politik nur Ankündigungen von strengeren Maßnahmen.
Australien dagegen verbietet künftig die Einfuhr von allen Vapes, die nicht für Apotheken bestimmt sind. Die Regierung begründet diesen Schritt mit dem Jugendschutz. "Keine Kaugummi-Aromen mehr, keine rosa Einhörner oder E-Zigaretten, die als Textmarker getarnt sind, damit Kinder sie in ihren Federmäppchen verstecken können", sagte Gesundheitsminister Mark Butler am 2. Mai. Wer dampfe, werde mit einer dreimal höheren Wahrscheinlichkeit auch mit dem Rauchen von Tabakzigaretten anfangen.
Das Bündnis für Tabakfreien Genuss (BFTG) sieht das anders und verweist auf eine bereits 2016 erschienene Studie, wonach 98 Prozent der E-Zigaretten-Nutzer erwachsene Ex-Raucher seien. "Aromen sind sehr wichtig für erwachsene Raucher, um auf die E-Zigarette umzusteigen und für Dampfer, um bei der E-Zigarette zu bleiben", betont der BFTG-Vorsitzende Dustin Dahlmann. Das Beispiel USA zeige: "Wenn Aromenverbote für E-Zigaretten ausgesprochen werden, steigt die Zahl der Raucher wieder und der illegale Handel blüht auf." Das BFTG ist ein Zusammenschluss von Unternehmen der E-Zigaretten-Branche.
Es sei überhaupt nicht im Sinn der Hersteller, dass TikTok-Stars oder Rapper E-Zigaretten bewerben oder besingen, betont Dahlmann. "Jugendliche oder Nichtraucher sollten weder rauchen noch dampfen. Die E-Zigarette ist eine Alternative für erwachsene Raucher, um einen Tabakstopp zu erreichen." Unternehmen hätten sich auf eine Selbstverpflichtung für verantwortungsvolle Werbung geeinigt. Dazu gehöre, dass keine Personen im Alter unter 30 Jahren gezeigt würden.
Die neue Produktpalette mit bunten, vielversprechenden Aromen ziele auf den Markt der Kinder und Jugendlichen, betont dagegen die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Zahlreiche Studien belegen demnach, dass es einen Übergang vom Probieren von E-Zigaretten zum Rauchen von Tabakzigaretten gebe. Laut DHS bestehen "grundlegende Zweifel an einem positiven Effekt der E-Zigarette auf die rauchende Bevölkerung".
Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg ist im direkten Vergleich zum Tabakrauchen der Konsum von E-Inhalationsprodukten wahrscheinlich etwas weniger schädlich, da die Liquids nicht verbrannt, sondern erhitzt werden. Allerdings enthalte das Aerosol von E-Zigaretten gesundheitsschädliche Substanzen wie beispielsweise Formaldehyd und Acrolein. Tabakrauchen ist laut DKFZ in Deutschland jährlich für 127.000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich, auch das stark abhängig machende Nikotin stehe im Verdacht, Krebs zu erzeugen.
Suchtberatungen beobachten die Verbreitung der Vapes unter Teenagern mit Sorge. "Über Jahre ist es gelungen, das Rauchen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu reduzieren", sagt Tobias Trillmich von der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen. "Rauchen war uncool, ungesund, hatte ein schlechtes Image."
Auch weil sich Rapper und Influencer mit Vapes zeigten, würden sie für manche Jugendliche reizvoll. Hinzu komme der niedrige Preis. "Es ist erwiesen, dass gerade bei Jugendlichen der Preis einen Einfluss auf das Konsumverhalten hat." Durch Online-Shops sei es zudem schwer, die Auflagen des Jugendschutzes durchzusetzen.
Trillmich plädiert für eine bessere Aufklärung, auch der Eltern. Die ahnten oft nicht, dass die harmlos aussehenden bunten Dinger im Kinderzimmer erhebliche Mengen Nikotin enthalten könnten, was eine hohe Gefahr der Abhängigkeit berge.
Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.