Freilich
"Jeder kann das Opfer sein"
25. November 2011, 16:30 Uhr aktualisiert am 25. November 2011, 16:30 Uhr
Wenn Konflikte und Streitereien nicht aufhören, macht es keinen Spaß mehr, in die Schule zu gehen. Manche Schüler werden ständig ausgegrenzt oder fertiggemacht, sie werden gemobbt. Solche Fälle gibt es in jeder Klassenstufe und Schulart. Schulpsychologin Friederike Kreutz ist in der Stadt Straubing und im Landkreis Straubing-Bogen zuständig für die Grund- und Mittelschulen, also für knapp 8000 Schüler. Jedes Jahr bekommt sie rund zehn wirklich harte Mobbing-Fälle hautnah mit, die Dunkelziffer ist wohl wesentlich höher.
"Du bist hässlich und fett." - Das ist noch eine der harmlosen Beschimpfungen, die sich Paula jeden Tag von einigen Mitschülern anhören muss. Ein Zettel mit dieser Aufschrift wurde ihr auch schon auf den Rücken geklebt. Wenn Paula in ihr Klassenzimmer will, wird ihr gern der Weg versperrt und immer wieder lauert jemand irgendwo, der ihr wie zufällig ein Bein stellt.
Die 13-Jährige besucht die 7. Klasse einer Mittelschule und ist früher meistens gern in den Unterricht gegangen. Vor gut einem halben Jahr hat sich das geändert. Denn da fingen aus heiterem Himmel die Beleidigungen und Beschimpfungen an. Doch es hat lange gedauert, bis Paula sich getraut hat, sich ihren Eltern anzuvertrauen.
"Mutter und Vater wurden misstrauisch, als Paula anfing, schon morgens über Kopfschmerzen zu klagen, sich sogar manchmal übergab und nachmittags mit verweinten Augen nach Hause kam", erzählt Friederike Kreutz. Doch sie waren hilflos, bis ihre Tochter ihnen endlich erzählt hat, was los ist.
Die Schulpsychologin kann viele solcher Fälle aufzählen und macht deutlich: "Ein typisches Opferprofil gibt es nicht, jeder kann zum Opfer werden." Das liege in erster Linie an der Sozialdynamik von Gruppen, denn Mobbing bedeute immer: einer gegen mehrere.
Ständige Kopfschmerzen und Übelkeit
Aber wo hören kleinere Streitereien auf und fängt Mobbing an? "Ein Mobbingopfer bin ich, wenn ich merke, dass andere über einen längeren Zeitraum schlecht über mich reden und mich immer wieder absichtlich körperlich und psychisch schädigen", sagt Friederike Kreutz. Anzeichen bei den Kindern und Jugendlichen können auch psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schul-Unlust, Übelkeit bis hin zu einer ständig vorherrschenden Traurigkeit sein.
Auf eine bestimmte Klassenstufe oder Schulart können die Vorkommnisse nicht eingegrenzt werden. Es gebe sogar Mobbing-Fälle an Grundschulen. Und an Realschulen und Gymnasien sei die Vorgehensweise der Mobber sogar noch ausgefeilter und raffinierter: "Hier bereitet vor allem das Internet und Cybermobbing große Schwierigkeiten", erklärt sie. Da werden dann von den Tätern in sozialen Netzwerken wie Facebook irgendwelche Gerüchte verbreitet oder auf Youtube Videos hochgeladen, die den Betreffenden in peinlichen Situationen zeigen.
Mobbing ist ein schleichender Prozess, bei dem sich das Machtgefälle zwischen zwei Parteien zu einem Ungleichgewicht verschoben hat. Bei den Tätern, meist einer ganzen Gruppe von Leuten, spielt laut der Psychologin die Lust, andere fertigzumachen, eine ganz große Rolle.
Die Quälerei muss endlich aufhören
Friederike Kreutz erfährt meist von den Fällen, wenn Lehrer oder Schulleitung an sie herantreten. Erster und wichtigster Schritt dann: Das Opfer schützen. Lehrer, Schulleitung und Eltern müssten alles in ihrer Macht stehende tun, damit die Quälerei aufhört. Ganz wichtig sei natürlich auch, die Namen der Täter herauszufinden und mit diesen zu reden.
Wenn möglich, müssten irgendwann beide Parteien unter Gesprächsführung eines Experten an einen Tisch, damit man gemeinsam eine Lösung finden kann.