Einfach erklärt
Eine Krachlederne nach Maß: So entsteht eine Lederhose
3. Juli 2013, 15:08 Uhr aktualisiert am 3. Juli 2013, 15:08 Uhr
Ich kann mich noch gut an einen Schüleraustausch mit Libourne in Frankreich erinnern, als mich meine Austauschschülerin Stéphanie gefragt hat, ob denn in Bayern tatsächlich alle mit Lederhose rumlaufen. Kein Wunder, schließlich waren in ihrem Deutschbuch die Bayern mit Krachlederner, Dirndl und einem Maßkrug in der Hand abgebildet. Nun ja, Bayern und Tracht, das gehört wohl zusammen wie Frankreich und Baguette, wie Schottland und Kilt. Momentan ist vor allem bei der Jugend Tracht wieder angesagt. Keine Dult, kein Volksfest wird ohne Lederhose besucht! Und spätestens in ein paar Wochen, wenn das Gäubodenvolksfest ruft, wird die Lederbuxn wieder aus dem Schrank hervorgekramt.
Für Freistunde habe ich mich auf die Suche nach einem Betrieb gemacht, in dem die Lederhose noch selbst genäht wird. Kein leichtes Unterfangen, denn fast überall wird im Ausland gefertigt. Fündig wurde ich schließlich in Roding im Landkreis Cham: "Lederhosen Pfeilschifter" ist ein kleiner Familienbetrieb, in dem seit 1950 Lederhosen maßgeschneidert werden. Wer den Weg hierher findet, bekommt eine Lederhose, die passt, egal ob stramme Wadl´n oder Steckerlhax´n, egal ob Waschbrett- oder Bierbauch. Und jede Hose wird, wenn gewünscht, an der Messertasche mit den Initialen bestickt. Das Ehepaar Gisela und Ralf Heinrich (er ist der Enkel des Firmengründers) zeigt Schritt für Schritt, wie aus rund 20 Einzelteilen eine Lederhose nach Maß entsteht.
Was geht gar nicht?
Bei der Jugend ist Tracht wieder angesagt. Kaum einer geht mit Jeans aufs Volksfest. Kombiniert wird die Lederhose mit allem, was gefällt. Gibt es eigentlich etwas, das gar nicht geht? Absolut tabu ist für Ralf Heinrich, eine Lederhose mit Turnschuhen zu kombinieren. "Zur Lederhos'n g'hörn Haferlschua!" T-Shirts sind noch im Rahmen, wobei er selber schon immer die klassische Linie vertritt: Lederhose und weißes Trachtenhemd.
Sieben Wochen Wartezeit
Wer sich für das Gäubodenvolksfest noch schnell eine Lederhose schneidern lassen möchte, ist schon zu spät dran. Sieben Wochen Wartezeit, so der momentane Stand. Fürs Oktoberfest könnte es also noch klappen. Am besten ist es, sich seine Lederhose, die zwischen 250 und 800 Euro kostet, im Winter nähen zu lassen. Dann warten die Kunden, die übrigens aus der ganzen Welt kommen (derzeit wird unter anderem für Japaner, Amerikaner und Belgier genäht), lediglich zwei bis drei Wochen. Und in dieser Zeit findet Ralf Heinrich auch die Muße, seinen eigenen Fundus an Lederhosen aufzustocken. Aus etwa 15 Lederhosen kann er derzeit schon auswählen. Doch wenn wieder mal ein schönes Leder reinkommt, kann er einfach nicht widerstehen.
Zwölf Schritte bis zur fertigen Lederhos'n
Schritt 1:
Wer eine Lederhose nach Maß möchte, hat zunächst die Qual der Wahl: Welches Modell? Welches Leder? Welche Farbe? Welche Stickerei? Mit Träger oder ohne Träger? So manchen Kunden hat Ralf Heinrich hier schon bis zu drei Stunden beraten, doch er macht es gerne, schließlich lässt man sich ja nicht jedes Jahr eine Lederhose schneidern. Gängigstes Leder ist übrigens Wildbock, ein Ziegenleder. Rindleder wirkt speckig, sämisch gegerbtes Hirschleder ist die Luxusvariante. Es ist aufwändig gegerbt, hat eine weiche Struktur und ist sehr angenehm zu tragen. "Früher hatten die Könige Bettwäsche aus sämisch gegerbtem Hirschleder", verdeutlicht Heinrich die Qualität dieses Leders. Das Leder bezieht die Familie Heinrich ausschließlich aus Gerbereien in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die strengen Kontrollen unterliegen. Die Farbpalette reicht von schwarz über die verschiedensten Brauntöne bis hin zu grün.
Schritt 2:
Ist alles ausgesucht, nimmt Heinrich Maß: Zahlen über Zahlen notiert er auf dem Bestellzettel, der Kunde hat schon längst den Überblick verloren. Doch dank dieses Zahlen-Wirr-Warrs wird die Hose später perfekt sitzen. Auch die Buchstaben für das eingestickte Monogramm werden aufgeschrieben.
Schritt 3:
Die Maße sind die Grundlage für den Papierschnitt, den Heinrich nun anfertigt. Nach diesen Schablonen schneidet er das Leder aus. Rund 20 Einzelteile (ohne Träger, Bänder und Knöpfe) sind für eine Hose nötig.
Schritt 4:
Die fein säuberlich gestapelten Teile kommen in eine Stickerei in Plattling. Hier wird das Leder - computergesteuert - mit den Stickereien verziert, die der Kunde aus etwa 18 Stickmustern ausgesucht hat. Auch das Monogramm wird hier eingestickt. Das Foto zeigt die bereits bestickten Einzelteile.
Schritt 5:
Die Erhebungen innerhalb der Stickerei müssen allerdings noch in Handarbeit eingearbeitet werden. Hierzu werden in Plattling die Zwischenräume aufwändig ausgestopft. Auf dem Foto ist die Rückseite einer ausgestopften Stickerei zu sehen.
Schritt 6:
So mancher Kunde möchte seine Hose außerdem noch mit Handstickerei (auf dem Foto die äußere Stickerei) verziert haben. Das erledigt Heinrichs 76-jährige Tante. Seit 58 Jahren bestickt sie Lederhosen, doch leider lässt die Fingerkraft inzwischen nach. Lange wird es handbestickte Hosen also nicht mehr geben, denn das Handwerk ist am Aussterben. Weder Ralf noch Gisela Heinrich beherrschen diese Kunst.
Schritt 7:
Zurück aus der Stickerei warten die Einzelteile in einem Regal darauf, von Gisela Heinrich zusammengenäht zu werden. Etwa zehn bis 15 Hosen näht sie pro Woche und das seit 25 Jahren. Von der ersten Naht bis zur Fertigstellung benötigt sie etwa drei bis vier Stunden. Dabei verwendet sie keinen billigen Baumwollfaden, sondern reißfestes Polyester.
Schritt 8:
Der Hosenlatz ist bereits fertig, jetzt muss er an das Vorderteil genäht werden.
Schritt 9:
Die Zuschnitte für das Hinterteil müssen noch zusammengenäht werden.
Schritt 10:
Wie detailgetreu Gisela Heinrich näht, zeigt sich an den Biesen: Für die Kontraststreifen verwendet sie kein billiges Leder, sondern das weiche, sämisch gegerbte Hirschleder.
Schritt 11:
Ein weiteres Detail: echte Hirschhornknöpfe, kein billiger Kunststoff.
Schritt 12:
Für die Messertasche gibt es bei den Heinrichs die "neuen Messer", die jeder Security standhalten: Flaschenöffner!