Kampf der Volontäre
Für oder gegen Tracht?
10. August 2012, 10:07 Uhr aktualisiert am 10. August 2012, 10:07 Uhr
Julia: Ohne Dirndl, ohne mich
Ginge ein Straubinger dieser Tage zum Arzt, würde sich die Krankenakte wohl so anhören: "Symptome: Überschwängliches Tragen von Tracht, chronisches Verlangen nach Bier und teilweise Koordinationsschwierigkeiten. Ausbruchszeit der Krankheit: Beliebtester Freitag im August. Diagnose: Hoch ansteckender Volksfestwahnsinn."
Beim Blick auf den Hagen sehen jetzt viele das Klischee des typischen Bajuwaren bestätigt. Denn der rennt ja angeblich 365 Tage im Jahr schuhplattelnd in Tracht durch die Gegend - in der linken Hand die Weißwurst, in der rechten die Maß Bier. Aber gerade weil außerhalb Bayerns dieses Vorurteil herrscht, lasse ich mir davon den Spaß nicht nehmen. Denn Tracht und Volksfest gehören für mich so untrennbar zusammen wie Steckerl und Fisch, Maß und Bier, Lebkuchen und Herz.
Mit Lederhose und Dirndl fühlen wir uns auf dem Volksfest zusammengehörig und wie die echten Bayern, die wir sind. Schon früher war die Tracht typisch für eine bestimmte Region oder einen Berufsstand. Der Mensch ist und bleibt eben ein Herdentier, denn dasselbe bewirkt die Tracht auch heute noch. Sie drückt für mich das "Mia-san-mia-Gefühl" so sehr aus wie nichts anderes. In Bayern sind wir alle gleich. Und spätestens nach der zweiten Maß ist es dir sowieso egal, ob die Lederhose oder das Dirndl neben dir, mit dem du gerade schunkelst, einen Doktortitel hat oder nicht. Bayern ist der Heimatort der Gemütlichkeit, der schönen Landschaften und der Traditionen. Den Stolz darauf dürfen wir zeigen und womit ginge das besser als in einer feschen Tracht. Das Argument "A Tracht is z'teuer!" zieht übrigens nicht. Hochwertige Dirndl und Lederhosen sind zwar teuer, aber immerhin eine Investition für viele Jahre. Wie ein Auto, nur bei der Tracht sind ein Dekolleté oder ein Knackpo im Preis inbegriffen. Denn eine moderne Tracht lässt den Träger oder die Trägerin auch noch unverschämt gut aussehen.
Allen Single-Männern sei übrigens gesagt, dass bei den meisten bayerischen Mädels in der Volksfestzeit eine Lederhose am ebenso bayerischen Mann einfach ein Muss ist. Sieht frau mal ein Exemplar in normaler Kleidung laufen, ist der erste Gedanke oft: "Will der ned zeigen, dass er a Bayer is?" Umgekehrt gilt das auch beim Dirndl. Man ist versucht zu denken, ein Bayer, der ohne Tracht aufs Volksfest geht, sagt auch "Maaas" statt "Maß". Überwindet man diese Kennenlernbarriere, ist ein Mensch ohne Tracht natürlich für gewöhnlich genauso nett und liebenswert wie mit. Aber wer darauf beharrt, normal gekleidet aufs Volksfest zu gehen, muss eben damit rechen, oft darauf angesprochen und beäugt zu werden. Denn Volksfest ist nun mal gleich Tracht und Tracht gleich Volksfest.
Patrick: Tracht? Muss nicht sein
Alle Jahre wieder ruft in Straubing das Gäubodenvolksfest und für elf Tage ist die Stadt im Ausnahmezustand. Und jedes Jahr trägt ein Großteil der Besucher bayerische Tracht. Daran gibt es auch nichts auszusetzen, nur eines stört mich: Jeder soll das Volksfest nur mit Lederhose oder Dirndl besuchen. Wer mit Jeans ankommt, gilt als "Saupreiß" und fast schon als Verräter am Land der Bayern.
Auf die Frage, warum Tracht sein muss, bekomme ich jedoch immer die gleiche Antwort: "Weil's jeder macht.", "Sonst bist koa Bayer ned!" Ganz ehrlich: Kommt es darauf an, in welcher Kleidung man im Festzelt sein Bier trinkt und einen Schweinebraten genießt? Meiner Meinung nach ist das Volksfest zum Feiern da. Es soll die Leute zusammenbringen und ihnen eine Abwechslung zum Alltag bieten. Sätze à la "Wennst koa Tracht tragst, host am Volksfest nix verloren!" stören da nur. Deswegen mein Appell: Jeder soll das tragen, was er möchte. Wer in Tracht gehen will, soll das tun. Wenn jemand nicht möchte, ist das auch in Ordnung. Denn für lange Diskussionen, warum man jetzt in Jeans und T-Shirt statt in Hemd und Lederhosen kommt, ist mir die Zeit am Gäubodenvolksfest doch zu schade. An diesen elf Tagen gibt es sicherlich Besseres zu tun, als über Kleidung zu streiten.