Selbstversuch

Biathlet für einen Tag – Florian Wende tauscht Alpin-Ski gegen Langlauf-Ski


Schwer atmend liege ich am Boden. Der Schweiß läuft mir links und rechts die Wangen herab. Meine Hände zittern leicht. Sie halten ein Gewehr in den Händen. Ich versuche mich zu konzentrieren und blicke durch das Rohr meiner Waffe. Kalte Luft weht mir ins Gesicht. Mein Brustkorb hebt und senkt sich im schnellen Takt. Ich habe mein Ziel fest im Blick, atme aus, halte die Luft an. Ein letzter Blick auf mein Ziel: Ich drücke ab.

Mein Ziel ist eine Scheibe, wenige Zentimeter groß und 50 Meter von mir entfernt. Die Kugel schießt aus dem Lauf meiner Waffe. Einen Wimpernschlag später fällt 50 Meter vor mir eine weiße Klappe. Treffer! Erleichtert atme ich wieder weiter.

Ich befinde mich im Hohenzollern-Skistadion am Großen Arber in der Nähe von Bayerisch Eisenstein. Zusammen mit 30 Mitstreitern probiere ich heute unter den Augen von Biathlon-Experte und Trainer Josef Schneider und seinem Team Biathlon aus. Meine Voraussetzungen: Seit meiner Kindheit stehe ich regelmäßig auf den Brettern und bin ein guter Skifahrer. Außerdem habe ich auf dem Volksfest schon öfter eine Rose geschossen. Ob das reicht?

Konzentriert visiere ich das letzte Ziel an. Vier weiße Scheiben sind bereits zu sehen. Zack, auch der fünfte Schuss sitzt. Erleichtert richte ich mich auf. Ich komme ohne Strafrunde aus. Mit meinen Stecken stoße ich mich ab und fahre vom Schießstand weiter. Schwung für Schwung gleite ich auf den dünnen Ski voran. Nach einer scharfen Rechtskurve geht es ein Stück bergab. Vorsichtig richte ich die Bretter unter meinen Füßen in die enge Loipe. Ich lasse die Ski laufen und genieße den Fahrtwind.

Los geht mein Selbstversuch mit dem Befestigen der Ski. Vorne an meinen Schuhen ist eine schmale Metallstange. Diese hänge ich in die Ski ein und befestige sie mit einem kleinen Hebel. Vorsichtig richte ich mich auf. Es ist ein ungewohntes Gefühl, auf Ski zu stehen, bei denen ich hinten nicht fixiert bin. Die Stimme von Patrick Mejstrik, Biathlon-Athlet und Trainer im Team von Josef Schneider, durchdringt meine Gedanken: "Nehmt bitte eure Stecken in die Hand, drückt euch damit kräftig ab und versucht ein paar Meter zu fahren!" Es klappt erstaunlich gut und ich lege meine ersten Meter auf Langlauf-Ski zurück.

Schlittschuhlaufen auf Schnee

Es wird wieder flacher und ich werde langsamer. Vorsichtig steige ich aus der Loipe aus und ordne meine Ski. Es geht weiter und ich bewege mich in regelmäßigen Schwüngen wie beim Schlittschuhlaufen voran. Nach rund 20 Metern macht meine Strecke eine enge Rechtskurve und es geht einen Hügel hinauf. Ich schnaufe tief durch. Den kleinen Hügel auf Langlauf-Ski zu bezwingen ist für mich wie das Besteigen des Mount Everest: eine riesen Herausforderung. Mit Schwung versuche ich, den Anfang des Hügels zu erklimmen. Schnell merke ich: So geht es nicht. Ich komme kaum von der Stelle.

Brennende Oberschenkel, Schweiß auf der Stirn

"Jetzt kommen wir zu einer einfachen Technik, mit der ihr eine Steigung hinaufkommt", verkündet Patrick Mejstrik nach den ersten Fahrversuchen. Sie heißt 2:1-Technik und funktioniert so: Bei jedem zweiten Schritt auf den Langlauf-Ski kommen die Stöcke zum Einsatz.

Ich erinnere mich an Patricks Worte und versuche, die 2:1-Technik umzusetzen. Es klappt ganz gut und ich habe den halben Hügel geschafft. Meine Oberschenkel fühlen sich an, als würde ein Feuer in ihnen brennen. Der Schweiß steht mir auf der Stirn. Ich beiße die Zähne zusammen und kämpfe mich weiter nach oben.

Das Training auf den Ski ist abgeschlossen. Es geht weiter an den Schießstand. Josef Schneider erklärt das Wichtigste beim Schießen: den sicheren Umgang mit der Waffe. "Die rechte Hand greift den Pistolengriff des Gewehrs. Der Zeigefinger liegt auf dem Abzug. Die linke Hand hält die Waffe beim Magazinschacht fest." In diesen kommen die Schusspatronen. Mit dem rechten Auge soll ich durch das Diopter, eine schmale runde Öffnung, blicken. Ich richte meine Visierlinie über das Ringkorn zum Ziel aus. Das Ringkorn hilft beim Anvisieren. Diopter, Ringkorn und das Ziel müssen eine Linie bilden. "Nur dann gelingt der Schuss."

Das große Zittern

Der Wind pfeift mir um die Ohren, als ich den Hügel auf der anderen Seite wieder hinuntersause. Ich komme erneut zum Schießstand und habe die 600 Meter lange Runde beendet. Jetzt wird im Stehen geschossen. Etwas breitbeinig positioniere ich mich im 90-Grad-Winkel zu meinem Ziel: fünf Scheiben 50 Meter von mir entfernt. Ich nehme das Gewehr und drücke den hinteren Schaft gegen meine Schulter. Mit der linken Hand richte ich die Waffe aus und blicke durch das Zielfernrohr. Mein Herz klopft gegen meine Brust. Meine Hände zittern. Ich versuche, das Ziel zu erspähen, und gebe meinen ersten Schuss ab - daneben. Zweiter Schuss - daneben. Dritter Schuss - daneben. Vierter Schuss - daneben. Verdammt! Ich konzentriere mich noch einmal auf meinen letzten Schuss: Treffer! Wenigstens sind es jetzt nur vier Strafrunden.

So funktioniert die Wintersportart Biathlon

Laufen und schießen - die Wintersportart Biathlon verbindet beides. Die Herausforderung ist, trotz des anstrengenden Langlaufens beim Schießen möglichst alle fünf Scheiben zu treffen. Denn mit einer ruhigen Hand kommt der Athlet ohne Strafrunde oder Zeitstrafe aus.

Beim Biathlon gibt es unterschiedliche Disziplinen: Sprint, Verfolgung, Einzelwettkampf, Massenstart und Staffel, darunter Mixed-Staffel und Single-Mixed-Staffel. Diese laufen alle verschieden ab, sind aber ähnlich aufgebaut. Die Athleten bewältigen eine vorgegebene Strecke auf Langlaufski, dann geht's zum ersten Mal an den Schießstand. Die Biathleten schießen liegend. Anschließend laufen die Biathleten wieder eine Runde und schießen dann im Stehen.

Für jeden Fehlschuss muss der Athlet eine 150 Meter lange Strafrunde laufen. Bei manchen Disziplinen bekommen Biathleten für einen Fehlschuss statt einer Strafrunde eine Zeitstrafe. Bei den Staffelwettbewerben stehen den Athleten drei Reservepatronen zur Verfügung. Erst wenn sie auch mit diesen nicht getroffen haben, geht es in die Strafrunde.

Biathlon einmal selbst am Großen Arber ausprobieren

Im Hohenzollern-Skistadion am Großen Arber kannst du selbst Biathlon ausprobieren und dich im Langlaufen und Schießen versuchen. Josef Schneider und sein Team von "Schneider Events" bieten Schnupperkurse an. Alle Infos dazu gibt es online unter www.schneider-events.de.