Gutachten
Wildverbiss: Bayerns Bergwäldern geht es immer schlechter
27. November 2024, 14:12 Uhr
Die Situation für Bayerns Bergwälder spitzt sich immer weiter zu. In den vergangenen drei Jahren haben Schäden durch sogenannten Wildverbiss deutlich zugenommen - etwa bei der für die Stabilität so wichtigen Tanne von 17 auf 23 Prozent. "Diese Entwicklung ist fatal", betonte Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) bei der Vorstellung des "Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2024".
"Unsere Bergwälder schützen Menschen, Straßen und Siedlungen vor Lawinen, Steinschlag und Hochwasser", sagte Kaniber. "Sie sind damit eine Art Lebensversicherung für die Menschen im Alpenraum - aber nur, wenn sie auf Dauer intakt und stabil sind." Mit Blick auf das in Hochlagen ohnehin langsamere Wachstum der Bäume forderte Kaniber die Bejagung zu verstärken und konsequent für waldverträgliche Wildbestände zu sorgen.
Dagegen hat der Wildverbiss an jungen Waldbäumen abseits der Bergwälder im Freistaat leicht abgenommen. Bei Laubbäumen sank bayernweit der Anteil der von Rehen, Hirschen und Gämsen abgebissenen Leittriebe von 21 auf 17 Prozent, bei Nadelbäumen blieb er mit drei Prozent gleich. "In den vergangenen Jahren ist es vielerorts gelungen, Wald und Wild miteinander in Einklang zu bringen", betonte Kaniber. Junge Bäume haben nur bei waldverträglichen Wildbeständen eine Chance, zu stabilen Mischwäldern heranzuwachsen.
Bayerns Forstverwaltung führt die Verjüngungsinventur seit 1986 im dreijährigen Turnus durch, heuer zum 14. Mal. Von Februar bis Mai hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf rund 21.000 Verjüngungsflächen mehr als zwei Millionen junge Bäume auf Verbiss- und Fegeschäden untersucht.
"Wir brauchen endlich eine Trendwende", sagte Waldbesitzerverbandspräsident Bernhard Breitsameter. Es gehe um nichts weniger als um die Zukunft der Wälder. "Uns läuft die Zeit davon, unsere Wälder fit für den Klimawandel zu machen."
Es brauche eine Anpassung einzelner jagdrechtlicher Regelungen. Hierzu gehöre auch eine Anpassung der Jagdzeiten für Schalenwild, insbesondere beim Rehwild - natürlich unter Beachtung des Tier- und Mutterschutzes. Die meisten anderen Bundesländer hätten bereits reagiert. "Bayern sollte hier dringend nachziehen."
Die Grünen im Landtag warfen der Staatsregierung vor, nicht konsequent genug zu handeln. "Unsere bayerischen Wälder gehen vor aller Augen kaputt, doch statt einzugreifen, spielt die Söder-Regierung mit den Zuständigkeiten", sagt Mia Goller, Fraktionssprecherin für Wald. "Die CSU-Forstministerin bedauert die hohen Verbissschäden, aber der Freie-Wähler-Jagdminister will nicht konsequent gegensteuern und die Wildbestände auf ein waldverträgliches Maß reduzieren. Das ist Komödienstadl, keine nachhaltige Forstpolitik."
Auch der Bund Naturschutz Bayern (BN) forderte, für einzelne Reviere in den Hegegemeinschaften, in denen der Jungwald nicht ohne Schutz aufwachsen kann, die Abschüsse deutlich zu erhöhen. Derzeit gebe es ein "eklatantes Vollzugsdefizit der Exekutive", sagte BN-Landeschef Richard Mergner. In den Bergwäldern müssten aber die überhöhten Bestände an Rothirschen beziehungsweise an Gemsen so weit reduziert werden, dass sich der Wald natürlich verjüngen könne.
Der Bayerische Jagdverband reagierte skeptisch auf die Ergebnisse des Berichtes. "Auf den ersten Blick ist die Anzahl der erfassten Pflanzen in vielen Fällen gering, das daraus resultierende statistische Prozent-Ergebnis daher wenig aussagekräftig", sagte Verbandspräsident Ernst Weidenbusch (CSU).
Leider hätten Faktoren wie etwa die Aufnahme von Wasserverfügbarkeit oder Lichtsituation im Bericht keinen Niederschlag gefunden. Die Bejagung in der Schonzeit seit 2019, wie sie das Bundesverwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt habe, habe nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer Verschlechterung im Bergwald geführt.