Bayern
Spaenle: Kampf gegen Antisemitismus in Verfassung aufnehmen
16. Juni 2021, 5:22 Uhr aktualisiert am 6. April 2023, 13:31 Uhr
Die Behörden in Bayern registrieren immer mehr Straftaten gegen Menschen jüdischen Glaubens. Der bayerische Antisemitismusbeauftragte, Ludwig Spaenle, fordert nun ein deutliches politisches Zeichen.
Der Kampf gegen Judenhass soll aus Sicht des bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle (CSU) in der Verfassung verankert werden. "Ich schlage vor, dass wir das Thema Schutz jüdischen Lebens und Bekämpfung von Antisemitismus in die bayerische Verfassung und auch das Grundgesetz aufnehmen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München.
Hintergrund seiner Forderung seien "enorme antisemitische Ausbrüche gegen Deutsche jüdischen Glaubens", sagte der ehemalige bayerische Kultusminister. Darum müsse die Politik nun ein Zeichen setzen, forderte er. "Wir müssen deutlich zeigen, dass das "Nie wieder" Staatsraison ist."
In Brandenburg und Hamburg sei die Diskussion um die Aufnahme des Kampfes gegen Antisemitismus in die jeweiligen Landesverfassungen schon weit gediehen, sagte Spaenle. Bayern sollte da aus seiner Sicht folgen - und der Bund mit dem Grundgesetz ebenso.
Mehr antisemitische Straftaten
Nicht nur der Anschlag auf die Synagoge in Halle und antisemitische Vorfälle bei Demonstrationen gegen Israels Palästinenser-Politik, sondern auch Zahlen aus Bayern bestärken ihn in der Forderung.
Die Zahl antisemitischer Straftaten im Freistaat hat sich zwischen 2013 und 2020 mehr als verdreifacht. 2020 wurden laut Polizei 353 judenfeindliche Straftaten festgestellt, 2013 waren es 109.
Die Straftaten untergliedern sich den Angaben nach unter anderem in gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, Volksverhetzung und Sachbeschädigung. Allein im Jahr 2020 gab es neun tätliche Angriffe, bei denen die Opfer beispielsweise geschlagen, gewürgt oder mit einem Stein beworfen wurden. Drei von ihnen erlitten leichte Verletzungen.
Junge Juden wollen Deutschland verlassen
Vor allem jüngere Juden spielen nach Angaben der frühen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, inzwischen mit dem Gedanken, das Land zu verlassen. "Die ständigen antisemitischen Vorfälle beschäftigen vor allem jüngere Menschen, die eine Familie gründen oder sich eine Existenz aufbauen", sagte sie vor kurzem dem "Münchner Merkur". "Sie stellen sich die Frage, ob sie weiterhin hier leben wollen", sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern.
Anfang Mai hatte auch die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) in ihrem Jahresbericht einen deutlichen Anstieg antisemitischer Vorfälle im Jahr 2020 festgestellt. Demnach hatte eine "auffällig hohe Zahl" antisemitischer Vorfälle einen Bezug zur Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Schutzmaßnahmen.
Spaenle betonte, wie Juden sich in Deutschland fühlten, sei auch "ein Gradmesser für den zivilisatorischen Zustand dieses Landes".