Immobilien
Der Speckgürtel wächst - doch Käufer sind verunsichert
10. Mai 2023, 4:16 Uhr
Idyllisch und günstig auf dem Land oder hip und teuer in der Großstadt - vor allem junge Familien haben in dieser Frage oft gar keine Wahl. Weil Wohnen in manchen Metropolen kaum noch erschwinglich ist, zieht es sie in den so genannten Speckgürtel. Doch auch rund um Berlin oder München wird der Kauf einer Immobilie immer teurer, wie eine aktuelle Studie zeigt. So teuer, dass Pendler immer weitere Wege in Kauf nehmen.
Überall dort, wo man mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder über die Autobahn gut in die Stadt komme, boome das Umland, sagt Immobilienökonom Pekka Sagner vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Das IW hat zusammen mit dem Allensbach-Institut im Auftrag der Sparda-Banken Daten und Einschätzungen zum Wohnen in Deutschland zusammengetragen. Ein weiteres Ergebnis: Die stark gestiegenen Zinsen und die Unsicherheit rund um Sanierungen zum Klimaschutz machen viele potenzielle Käufer unschlüssig. Banken beobachten eine Abwarte-Haltung und fordern die Politik auf, endlich Klartext zu reden.
Insgesamt sparen Verbraucher der Studie zufolge beim Erwerb eines Hauses oder einer Eigentumswohnung mehr als ein Drittel des Kaufpreises, wenn sie aufs Land statt in die Stadt ziehen. In den Städten liegt der durchschnittliche Preis bei 4180 Euro, auf dem Land bei 2806 Euro pro Quadratmeter. In den sieben Metropolen, also den größten Städten, zahle man im Mittel sogar 6038 Euro pro Quadratmeter. Insgesamt sind die Quadratmeterpreise in Städten, Metropolen und auf dem Land in den vergangenen zwei Jahren um durchschnittlich mehr als ein Fünftel gestiegen. Die Schere zwischen günstigen und teuren Regionen gehe immer weiter auf.
Alle der sieben Metropolen verlieren Bevölkerung im Alter von 30 bis 50 Jahren, vor allem Frankfurt, Stuttgart, München und Köln. Die Forscher schließen daraus, dass junge Familien eher ins Umland und aufs Land ziehen, wo Eigentum günstiger ist. Das Berliner Umland, etwa der direkt an die Hauptstadt grenzende Landkreis Dahme-Spreewald, gewinne in dieser Altersgruppe am deutlichsten. Junge Leute unter 30 dagegen zieht es weiterhin in die Groß- und Universitätsstädte wie München und Berlin, aber auch Regensburg, Leipzig oder Erlangen.
Die Folge: Im Umland von sechs der sieben Metropolen sind die Preise seit 2017 stärker gestiegen als in der Großstadt selbst. Am stärksten ist das in Berlin und Hamburg zu sehen. Nur in Frankfurt am Main ist die Tendenz ausgeglichen.
Der Umzug von der Metropole ins Umland lohnt sich der Studie zufolge vor allem in Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg, wo der Immobilienkauf im Speckgürtel noch 40 bis 45 Prozent günstiger ist als in der Stadt. Im Berliner und Kölner Umland spart man etwa ein Drittel. Rund um Stuttgart und München dagegen sind Häuser und Eigentumswohnungen inzwischen so teuer, dass man weniger als ein Fünftel spart.
Im Schnitt legt ein Käufer für eine Eigentumswohnung oder ein Haus in Deutschland 388.000 Euro auf den Tisch. Das sind 7,8 Jahresnettoeinkommen. Dafür bekomme man je nach Lage aber ganz unterschiedlich viel Wohnfläche: Von der Wohnung mit 44 Quadratmetern in München bis zum Haus mit 451 Quadratmetern im Kyffhäuserkreis in Thüringen. In keiner der sieben Metropolen bekommt man mehr als 90 Quadratmeter Wohnfläche, am meisten noch in Köln mit rund 81 Quadratmetern.
Zur Finanzierung nehmen die Käufer im Schnitt Darlehen in Höhe von 328.000 Euro auf. 60.000 Euro steuern sie an Eigenkapital hinzu, das sind etwas über 15 Prozent.
Etwas Erleichterung bringt der Rückgang der Immobilienpreise. Im ersten Quartal verbilligten sich Häuser und Wohnungen nach Daten des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) im Schnitt um 2,1 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum. Damit setzte sich der Trend zu fallenden Preisen aus den vergangenen Monaten fort - wenn auch von hohem Niveau aus nach mehr als zehn Jahren Immobilienboom.
Selbst in den begehrten sieben Metropolen waren Immobilien laut vdp im ersten Quartal etwas günstiger zu haben. Hier sanken die Preise um 1,4 Prozent binnen Jahresfrist. Einzig in Berlin verteuerten sich Wohnungen und Häuser im Jahresvergleich noch um 1,0 Prozent. Am stärksten fielen die Immobilienpreise in Frankfurt mit minus 6,4 Prozent. Hamburg, Düsseldorf, Köln, Stuttgart und München lagen mit Rückgängen von 2,3 bis 3,8 Prozent auf Jahressicht dazwischen.
Rund 48 Prozent der Deutschen wohnen im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung. Das hängt der Studie zufolge ganz stark mit dem monatlichen Einkommen und auch der Größe der Stadt zusammen, in der man lebt. Bundesweit stagniert die Eigentumsquote seit 12 Jahren, EU-weit ist Deutschland damit Schlusslicht. Für Sagner ist das "rückblickend auf die historische Zinsphase eine verpasste Chance", denn viele Bürger träumten vom Eigentum.
Tatsächlich haben der Erhebung zufolge aber nur 12 Prozent der mehr als 1000 Befragten in den vergangenen zwei bis drei Jahren ernsthaft darüber nachgedacht, eine Immobilie zu kaufen. 8 Prozent haben gekauft, für drei Viertel dagegen spielte das keine Rolle.
Unter den potenziellen Käufern ist fast jeder zweite aktuell unschlüssig und wartet ab. Nach Einschätzung der Wissenschaftler hat das stark mit der unsicheren Zinssituation, aber auch mit politischen Entscheidungen zu tun. Erwerbsnebenkosten wie Grunderwerbsteuer und Kosten für Notar und Grundbucheintrag seien immer größere Hürden.
Der Vorstandsvorsitzende des Verbands der Sparda-Banken, Florian Rentsch, beobachtet eine gestiegene Verunsicherung bei den Menschen. "Gerade das Thema energetische Sanierung und die Verpflichtung, die ich möglicherweise beim Kauf einer Bestandsimmobilie eingehe, spielen eine Rolle", sagt er. Muss ich absehbar in eine Wärmepumpe investieren, das Dach sanieren oder dämmen? Politisch müsse hier dringend klar gesagt werden, was auf Immobilienbesitzer zukomme.
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