Energie
Viessmann will Klimasparte an US-Konzern verkaufen
25. April 2023, 10:29 Uhr
Mitten in der Klimawende will der Heizungsbauer Viessmann Medienberichten zufolge seine lukrative Wärmepumpen-Sparte an den US-Konzern Carrier Global verkaufen.
Geplant sei eine Übernahme des Geschäftsbereichs Klimalösungen, der bei dem Familienunternehmen aus Nordhessen rund 85 Prozent des Umsatzes ausmacht und mit rund elf Milliarden Euro bewertet wird. Über die noch nicht abgeschlossene Transaktion berichten unter anderem das "Wall Street Journal" und das "Handelsblatt". Ein Sprecher des Unternehmens lehnte jeden Kommentar ab.
Das 1917 gegründete Familienunternehmen Viessmann gehört mit rund 14.500 Beschäftigten zu den Gewinnern der Klimawende insbesondere im Gebäudebereich. Im vergangenen Jahr steigerte das Unternehmen seinen Umsatz um 19 Prozent auf den Rekordwert von vier Milliarden Euro. Entscheidender Treiber war das Wachstum bei Wärmepumpen, die nach den politischen Vorgaben schnell Gas- und Ölheizungen ablösen sollen.
Viessmann hatte im Mai 2022 Investitionen von rund einer Milliarde Euro in diesem Bereich bekanntgegeben. Unter anderem wird gerade eine Fabrik in Polen gebaut. Auch Konkurrenten wie Bosch, Vaillant oder Stiebel-Eltron haben große Investitionen angekündigt.
Mit dem nun anvisierten Teilverkauf gegen Aktien und Barmittel würde das Kerngeschäft des regional aufgestellten Unternehmens im Carrier-Konzern aufgehen und eine deutlich höhere Kapitalkraft erlangen. Schnelleres Wachstum würde möglich, hieß es in Unternehmenskreisen. Letztlich zähle im globalen Wettbewerb irgendwann nur noch Größe und Stückzahl.
Hier sehen Experten die asiatischen Anbieter von Klimaanlagen im Vorteil, die mit Wärmepumpen in weiten Teilen bauähnlich sind und seit Jahrzehnten in extrem hohen Stückzahlen gebaut werden. Bekannte Anbieter sind Daikin, Mitsubishi (beide Japan), Midea (China) oder Samsung (Korea). In Deutschland fehlt ihnen bislang noch der Marktzugang über die Installateure. Der Unternehmenssitz von Viessmann soll dem Vernehmen nach auch bei einer Übernahme in Allendorf an der Eder bleiben.
Das Unternehmen Carrier aus dem US-Staat Florida gilt als Erfinder der modernen Klimaanlage und wurde 1902 gegründet. Der Konzern beschäftigt 52.000 Menschen und erlöste im vergangenen Jahr 20,4 Milliarden Dollar. 60 Prozent des Umsatzes entfielen auf Nord- und Südamerika. Das Unternehmen verfügt in Europa über drei Produktionsstätten in Frankreich und Spanien. 2004 hatten die Amerikaner die Kältetechnik der damaligen Linde AG übernommen, später aber die Fertigung in Deutschland eingestellt.
Die Gründerfamilie Viessmann hatte sich zuletzt aus der operativen Steuerung des Bereichs Klimalösungen zurückgezogen und auf die Führung der Viessmann-Unternehmensgruppe konzentriert. Hierzu gehören noch Kältelösungen, Beteiligungen, Immobilien sowie Stiftungen und eine Digitalsparte, die alle nicht von dem geplanten Verkauf betroffen sein sollen.
In Berlin löste die Nachricht Sorgen aus. Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, sieht ein starkes Indiz, dass deutsche Technologie-Unternehmen "aufgrund der unzulänglichen Standortpolitik seitens des Wirtschaftsministers massiv unter Druck" stünden. Weitere Anbieter könnten zu Übernahmekandidaten werden. Robert Habeck (Grüne) müsse sich daran erinnern, dass er auch Wirtschaftsminister sei, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem "Handelsblatt". Dem Wirtschaftsstandort Deutschland sei nicht geholfen, wenn man obendrein noch von chinesischen Wärmepumpen abhängig werde.
Die CDU-Politikerin Julia Klöckner bezeichnete es als "schade", dass ein wichtiger und zukunftsträchtiger Technologiebereich in US-Hand übergehe. Ein möglicher Verkauf sei aber eine freie unternehmerische Entscheidung. Zudem brauche es angesichts weiterer ausländischer Investoren auf dem Heizungsmarkt starke Partnerschaften.
Vertreter der Ampel-Koalition verlangten bei einer Übernahme Arbeitsplatz- und Standortgarantien. Know-how und Beschäftigung müssten vor Ort erhalten bleiben, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge dem "Handelsblatt". Auch die SPD mahnte Zusagen bei einer möglichen Übernahme an. "Wichtig ist, dass durch das Investment der Standort Deutschland erhalten bleibt", sagte die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, Verena Hubertz.
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein und sein Stellvertreter Tarek Al-Wazir äußerten die Hoffnung, dass Viessmann nicht nur insgesamt wachsen, sondern das Wachstum auch in Nordhessen stattfinden werde. "Natürlich wäre eine eventuelle Übernahme letztlich eine unternehmerische Entscheidung", hieß es in ihrer gemeinsamen Mitteilung. Viessmann habe dabei sicher auch die Interessen der Beschäftigten im Blick.