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Schiefe Sechzig-Töne: Bei den Fans dreht sich die Stimmung gegen Köllner
15. Januar 2023, 17:59 Uhr aktualisiert am 15. Januar 2023, 17:59 Uhr
Über die Herbst-Misere wollte beim TSV 1860 am liebsten keiner mehr sprechen zu Jahresbeginn. Alles vergessen und Vergangenheit. Tolles Trainingslager, guter Geist im Team, dazu der Wunschtransfer Raphael Holzhauser, das wird jetzt auf jeden Fall wieder besser. Das war die Tonlage vor dem Auftakt bei Waldhof Mannheim. Und nun? Klingen die Töne schief.
Nach einer sehr dürftigen und besonders nach dem ersten Gegentreffer nicht hinreichend wehrhaften Vorstellung setzte es einen dicken 1:3-Denkzettel. Die Offensive war zu ungefährlich, die Defensive instabil, so sieht kein Aufsteiger aus. "Zu viele Fehler im Aufbau, zu viele Lücken in der Abwehr", analysierte Löwen-Legende Bernhard Winkler im BR.
Eine zusätzliche Problematik: Trainer Michael Köllner gerät zunehmend in die Kritik der eigenen Fans. In den Sozialen Medien häufen sich negative Reaktionen enorm - und im Carl-Benz-Stadion wurde die Ablehnung sichtbar. "Wildes Geschwurbel und Qatar relativieren - 'Fußballer spielen Fußball' und Trainer trainieren!" Damit spielte ein Teil des Anhangs einerseits auf generell umstrittene Aussagen des Coaches und im Speziellen zu Köllners Ausführungen zur in Deutschland harsch kritisierten Katar-WM an.
Auch die Kritik an Sportchef Günther Gorenzel am Abfluggate in Antalya etwa 24 Stunden vor der Verkündung des Holzhauser-Transfers stieß vergangene Woche auf großes Unverständnis. "Ein bissl Zündeln schadet nie, wenn man weiß, wie es gemeint ist", sagte Köllner dazu gelassen vor dem Anpfiff in der Kurpfalz bei Magentasport: "In drei Wochen interessiert das keinen mehr."
Möglich, dass er damit recht hat, aber unter Umständen in anderem Zusammenhang, als der 53-Jährige glaubt. "Die ersten zwei, drei, vier Spiele muss man sehen, wie die Mannschaft in Tritt kommt", betonte Winkler zwar, sagte aber auch: "Köllner und die Mannschaft sind in der Pflicht. Da war schon fast das Beste vom Besten auf dem Platz aus Löwen-Sicht." Fünf Spiele ohne Sieg sind es nun, weiterhin Rang sechs - und dabei hatte 1860 noch Glück, dass das Gros der Kontrahenten ebenfalls Federn ließ.
Die Krise aus dem November ist trotz aller Beteuerungen und Ankündigungen mit voller Wucht im Januar angekommen, das lässt sich nicht mehr wegdiskutieren. Ein Teil des Löwen-Anhangs redete den Spielern nach der Pleite ins Gewissen - aufmunternd, wie Holzhauser berichtete: "Positive Worte für die nächste Woche." Die freilich müssen dann auch beim ersten 2023er Heimspiel gegen den FSV Zwickau gerechtfertigt werden. "Da wollen wir drei Punkte holen", sagte Köllner vorausblickend. Müssen, könnte man anfügen.
Zumal gerade das Wollen gegen den Abstiegskandidaten aus Sachsen wesentlich sichtbarer sein sollte als bei der besten Drittliga-Heimmannschaft. Die Feuerspur eines brennend heißen Teams war dort nicht zu erkennen. Erinnert sei an Gorenzels Führungsspieler-Appell im Trainingslager. Verpufft. Der Auftritt in Mannheim war gewiss nicht die Reaktion, die der 51-Jährige sich vorstellte.
Bemerkenswert zudem, wie Köllner einige Phasen des Spiels bewertete. "Nach der Halbzeit waren wir wieder gut im Spiel und hatten zwei, drei Riesenmöglichkeiten, den letzten Pass zu spielen. Da waren wir nicht entschlossen genug", sagte er. Bis auf die Entschlossenheit hatte er die Meinung ziemlich exklusiv (siehe auch Story unten)i. Selbst Investor Hasan Ismaik übermittelte auf seinen Social-Media-Profilen Unverständnis zur Löwen-Leistung: "Diese Niederlage ist eine große Enttäuschung für mich." Am Sonntag war der Jordanier dann schon in München. Zufall?
Der Coach hatte zuletzt erklärt, die Löwen hätten sich in allen Bereichen verbessert und die Erwartungshaltung weiter geschürt. Es ist Zeit zu liefern.