Überblick

Müller muss bleiben!

In seiner Kolumne für die Abendzeitung erklärt Torhüter-Legende Jean-Marie Pfaff, warum der Urbayer der letzte seiner Art ist - und selbst auf der Ersatzbank immer noch so wichtig für die Münchner


Von Jean-Marie Pfaff

München - Das Hin und Her im Meisterrennen geht weiter - nun sind also wieder die Bayern an der Tabellenspitze, Dortmund bleibt nur die Verfolgerrolle. Irgendwie hat man das Gefühl, in dieser Saison will niemand so richtig deutscher Meister werden. Beide Titelkandidaten glänzen immer wieder mit Inkonstanz, sodass es sicher bis zum Ende spannend bleiben wird.

Aber ich habe das Gefühl, dass es die Bayern am Ende wieder machen werden - auch wenn das Restprogramm der Münchner nicht einfach ist. Es gab eine Szene nach dem Spiel gegen Hertha BSC, die mich daran glauben lässt, dass es beim FC Bayern "Klick" gemacht hat. Und zwar war das die Aussage von Thomas Müller, der nach dem Spiel in der Mixed Zone den Journalisten zugerufen hat: "Da sind wir wieder! Wir holen uns das Ding! Könnt ihr schreiben".

Der Sieg gegen Hertha hatte befreienden Charakter für die Mannschaft von Thomas Tuchel. Ja, es war gegen die Berliner über weite Strecken viel Krampf und wenig ansehnlicher Fußball, den die Bayern geboten haben. Aber sie haben die Steilvorlage des BVB ausgenutzt und in diesem Spiel Charakter bewiesen. Die Aussage von Müller macht deutlich, dass die Mannschaft jetzt wieder an sich glaubt und fest davon überzeugt ist, deutscher Meister zu werden. Und von sich überzeugte Bayern laufen in der Regel dann auch zur Bestform auf.

Nicht verwunderlich ist übrigens, dass ausgerechnet Müller diese Aussage getroffen hat. Er ist nach wie vor einer der wichtigsten Bausteine in der Mannschaft - ein Leader auf und neben dem Platz. Müller hat einen enormen Wert, egal, ob er von Beginn an spielt oder von der Bank kommt. Das weiß auch Thomas Tuchel.

Deswegen wundern mich auch die Spekulationen, ob Müller in der kommenden Saison noch in München ist. Ich würde ihm eher noch mal eine Vertragsverlängerung anbieten, unabhängig davon, ob er in den Planungen von Tuchel für die neue Spielzeit ein Startelf-Kandidat ist oder nicht. Sein Wert für die Mannschaft ist enorm, nicht nur auf dem Spielfeld, aber vor allem auch für das Gefüge innerhalb der Mannschaft und die Stimmung in der Kabine.

In Zeiten, in denen sich viele Leute echte Typen im Fußball wünschen, ist Müller womöglich der letzte dieser Spezies. Und mal ehrlich: Wer kann sich Thomas Müller, den Ur-Bayern, eigentlich in einem anderen Trikot vorstellen? Ich jedenfalls nicht.

Euer Jean-Marie

Der 69-Jährige ist einer der besten Torhüter der Geschichte. Er war belgischer Nationaltorwart (64 Einsätze) und stand beim FC Bayern zwischen 1982 und 1988 insgesamt 156 Mal zwischen den Pfosten. Pfaff war Vizeeuropameister 1980, WM-Vierter 1986, zudem drei Mal deutscher Meister und zwei Mal Pokalsieger. 1987 war er Welttorhüter. Für die AZ ist er als Kolumnist tätig.