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AZ-Kolumne von Jean-Marie Pfaff: Neuer ist besser als ter Stegen
27. März 2023, 17:55 Uhr aktualisiert am 27. März 2023, 17:55 Uhr
Das bestimmende Thema der letzten Tage war natürlich die Beurlaubung von Julian Nagelsmann beim FC Bayern. Diese Meldung schlug wie eine Bombe ein - und auf den ersten Blick ist die Entscheidung der Klubführung nur schwer nachzuvollziehen.
Nagelsmann hat in dieser Saison keine schlechte Bilanz vorzuweisen: Acht Spiele in der Champions League, acht Siege - zuletzt der starke Auftritt gegen Paris Saint-Germain. Im Pokal steht man im Viertelfinale, in der Liga haben die Bayern trotz Platz zwei bei einem Punkt Rückstand auf Dortmund noch alle Chancen, den Titel zu holen.
Doch das ist zu wenig für die Verantwortlichen beim FC Bayern, die die zuletzt öfter schwankenden Leistungen kritisierten und die Ziele des Vereins in Gefahr sahen. Man darf auch nicht vergessen, dass ein Trainerwechsel keinesfalls die Garantie für Erfolg in der Zukunft ist. Auch wenn Thomas Tuchel in Dortmund, Paris und London bewiesen hat, dass er ein großer Trainer ist - in München weht immer noch ein anderer Wind. Sollte Bayern das Topspiel gegen Dortmund verlieren und auch in der Champions League gegen Manchester City den Kürzeren ziehen, wird auch Tuchel ein steifer Wind um die Nase wehen.
Ich sehe nun vor allem die Mannschaft in der Pflicht. Die Spieler müssen in den kommenden Wochen zeigen, dass sie es wert sind, das rote Trikot zu tragen. Schaffen sie das nicht, dann stellt das Umfeld sicher ganz schnell die Frage nach dem Charakter und der Mentalität der Mannschaft. Der neue Trainer kann sich bei seinem Amtsantritt jedenfalls nicht über mangelnden Druck beklagen.
Druck, ein gutes Stichwort. Den hat auch Bundestrainer Hansi Flick beim Neuanfang der Nationalmannschaft nach der enttäuschenden WM. Ebenso wie meine Belgier, die jetzt auf den neuen Trainer Domenico Tedesco setzen. Klar ist, beide Trainer stellen alles wieder auf null und setzen den Fokus auf die EM im nächsten Jahr in Deutschland.
Heute treffen nun beide im Testspiel aufeinander. Ich freue mich auf dieses Spiel, werde im Stadion sein. Beide haben zumindest Spiel eins nach Katar erfolgreich gestalten können und scheinen sich auf dem richtigen Weg zu befinden. Belgien gewann in der EM-Qualifikation mit 3:0 in Schweden, die deutsche Elf konnte beim 2:0 gegen Peru überzeugen.
Deutschland gegen Belgien - was waren das schon für große Begegnungen. In erster Linie natürlich das Finale um die EM 1980 in Italien. Mein erstes großes Turnier als belgischer Nationaltorhüter und das kleine Belgien hat es mit mir im Tor bis ins Finale geschafft. Horst Hrubesch hat Deutschland damals zum Titel geschossen. Obwohl wir in dem Endspiel nur krasser Außenseiter waren, hat uns die Niederlage sehr weh getan.
Aber die Menschen daheim haben uns gefeiert wie die wahren Europameister. Wenn in Köln eine Neuauflage dieses Endspiels ansteht, sind die Akteure inzwischen natürlich ganz andere. Besonders blicke ich auf Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona. Bei den Katalanen ist er der klare Stammtorhüter, aber in der Nationalelf nur der Herausforderer für Manuel Neuer. Es wird spannend zu sehen, wie sich ter Stegen gegen Belgien präsentiert. Seine Ansprüche auf die Nummer eins im Tor der deutschen Nationalmannschaft hat er ja bereits kundgetan.
Für ter Stegen wird es wichtig sein, dass er eine gute Leistung abliefert. Bei der starken Offensive meiner Belgier dürfte er auch Möglichkeiten bekommen, sich auszuzeichnen. Ob ihn aber Flick auch noch aufstellt, wenn Neuer zurück ist und wieder seine alte Form hat, möchte ich bezweifeln. Ich halte Neuer im Vergleich mit ter Stegen immer noch für den besseren Torhüter, vorausgesetzt, er kommt nach seiner Verletzung wieder auf das alte Niveau. Auch sollte man Kevin Trapp aus Frankfurt im Auge haben, der bei der Eintracht konstant gute Leistungen abruft und einen großen Anteil am Frankfurter Erfolg in den letzten beiden Jahren hatte.
Euer Jean-Marie
HORIZONTALE LINIE
Der jetzt 69-Jährige ist einer der besten Torhüter der Geschichte. Er war belgischer Nationaltorwart (64 Einsätze) und stand beim FC Bayern zwischen 1982 und 1988 insgesamt 156 Mal zwischen den Pfosten. Pfaff war Vizeeuropameister 1980, WM-Vierter 1986, zudem drei Mal deutscher Meister und zwei Mal Pokalsieger. 1987 war er Welttorhüter. Für die AZ ist er nun als Kolumnist tätig.