AZ-Interview
Heinevetter: "Neuer wäre ein sehr guter Handball-Torhüter"
23. Februar 2019, 11:56 Uhr aktualisiert am 23. Februar 2019, 11:56 Uhr
Nationalkeeper Heinevetter spricht über sein Pendant vom FC Bayern, Vergleiche mit den Fußballern und Handball in München: "Ich würde mir wünschen, dass die Stadt einen Bundesliga-Klub hätte."
Der 34-jährige Handball-Nationaltorwart Silvio Heinevetter holte mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio Bronze. In der Liga spielt er für die Füchse Berlin. Er ist seit 2009 mit der Schauspielerin Simone Thomalla liiert.
AZ: Herr Heinevetter, brummt der Schädel noch?
SILVIO HEINEVETTER: Geht es um das Spiel gegen Gummersbach am letzten Sonntag?
Ja. Bei einem Siebenmeter bekamen Sie den Ball direkt gegen den Kopf.
Halb so wild. So ein Ball auf die Stirn ist nicht dramatisch. Mehr geschmerzt hat die Aktion, als ich gegen den Hinterpfosten gerannt bin, das gab eine schöne Beule. Ansonsten sind solche Kopftreffer ein schöner Wachmacher. Das macht munter, das macht aggressiv. Als Torwart musst du immer damit rechnen, dass du einen auf die Mütze kriegst.
Heinevetter ist lieber im Tor als auf dem Feld
Beim Testspiel vor der WM gegen Argentinien brachen Ihnen bei einem Gesichtstreffer vier Zähne ab. Wären Sie manchmal nicht lieber Feldspieler geworden?
Gar nicht. Im Feld hast du ganz andere Probleme. Wenn ich mir anschaue, was die Kreisläufer so alles abkriegen, Ellbogen, Würgegriffe und was sonst noch, das ist fast noch schlimmer. Da bin ich lieber im Tor.
Vor einem Monat spielten Sie noch gegen Frankreich und Kroatien, jetzt geht es wieder gegen Lemgo und Hannover-Burgdorf. Wie hart war nach der WM-Euphorie die Landung im Bundesliga-Alltag?
Ich kenne das nicht anders, weil es nach jedem großen Turnier so ist. Da musst du dich im Kopf drauf einstellen, dann ist das gar kein Problem. Ich sehe aber auch, dass die WM schon etwas bewirkt hat. Vor zwei Wochen war ich auf der Berlinale, da haben ganz viele Leute richtig euphorisch über Handball gesprochen, Schauspieler, Künstler, eben auch Menschen, die nicht von vornherein im Sport drin sind.
Heinevetter über seinen Ausflug als Fußballtorwart: "Tolles Erlebnis"
Das war aber ganz kurz nach der WM, könnte sich in einigen Wochen auch wieder ändern. Über Fußball wird andauernd geredet. Werden Sie da nicht manchmal neidisch?
Neidisch ist ein böses Wort. Neidisch bin ich nur darauf, dass Fußballprofis in der Liga viel länger Urlaub haben als wir. Wir spielen eigentlich komplett durch und haben nach der Saison noch Nationalmannschaft, da bleiben gefühlt zweieinhalb Wochen Urlaub.
Wären Sie Fußballtorwart geworden, hätten Sie über Weihnachten frei. Was denken Sie, welche Figur würden Sie im Fußballtor abgeben?
Ich hab das mal ausprobiert. Bei einem Benefizspiel gegen Borussia Dortmund im Signal-Iduna-Park. Tolles Erlebnis. Ich glaube, ich hab mich ganz wacker geschlagen, gerade in Eins-zu-eins-Situationen. Es gibt schon Gemeinsamkeiten.
Zum Beispiel?
Reaktionsschnelligkeit in der Nahdistanz etwa. Ansonsten will ich nicht behaupten, dass ich ohne Training gut aussehen würde. Auch was die Laufwege und die Schrittübersetzung angeht, ist das ganz anders. Und das Tor ist ja auch ein bisschen größer. Sind schon große Unterschiede. Im Handballtor bist du unentwegt gefordert, das geht ja dauernd hin und her. Im Fußball hingegen musst du dich gerade bei einer Spitzenmannschaft immer mit dir selbst beschäftigen, weil du nix zu tun hast. Manchmal stehst du 85 Minuten herum und dann musst bei dem einen Gegenangriff da sein.
Manuel Neuer als Handballtorwart? "Sehr gut, glaube ich"
Und wenn der dann reingeht, schaust du blöd aus.
So ist es.
Wie würde sich Manuel Neuer im Handballtor machen?
Sehr gut, glaube ich. Manuel ist einer von den Torhütern, die viele handballerische Elemente in ein Spiel bringen. Vergrößerung der Körperfläche, unkonventionelle Aktionen, schwer auszurechnen, reaktionsstark.
Sie gelten wie viele andere Handballer als mündiger Sportler, der seine Meinung klar vertritt und damit auch mal aneckt. Fußballer hingegen wirken in ihren einstudierten Plattitüden oft viel zu glatt. Gibt es im Handball noch mehr kantige Typen?
Fußball ist ein Millionengeschäft, und da ist es eben nicht mehr so populär, wenn man aneckt. Lieber mit weichgespülten Antworten mit dem Strom schwimmen, dafür werden sie geschult, das sieht der Verein auch gerne. Ein bisschen mehr Pfeffer würde schon gut tun und auch den Zuschauern mehr Spaß machen. Es gibt aber durchaus noch gute authentische Jungs, die sich nicht verbiegen lassen. Max Kruse etwa, natürlich Christian Streich, aber auch den Sandro Wagner habe ich immer gern gehört. Auch wenn der sich ja leider aus München verabschiedet hat.
Verabschiedet hat sich aus München der Handball. Mit Milbertshofen und Schwabing hatte die Stadt mal zwei europäische Topteams, wenn Sie jetzt mit den Füchsen nach Bayern reisen, dann nur noch bis Erlangen, nicht weiter.
Ich finde das sehr schade. Wir hatten letztes Jahr ein Testspiel gegen Norwegen in der Olympiahalle, was da für eine Stimmung war - irre. Auch jetzt bei der WM soll die Atmosphäre mitreißend gewesen sein. Ich würde mir das sehr wünschen, dass München ein Projekt starten würde und bald wieder einen Bundesliga-Klub hätte.
Vielleicht professionalisiert Uli Hoeneß ja beim FC Bayern doch nochmal auch die Handball-Abteilung. So wie vor gut zehn Jahren die Basketballer.
Wissen Sie was, ich hab Uli Hoeneß mal sogar darauf angesprochen, ob er nicht mal Lust auf Handball hätte. Er hat aber nur geschmunzelt. Natürlich wäre der FC Bayern das Naheliegendste, die Strahlkraft der Bayern ist unendlich. Und wenn ich den FC Barcelona sehe, da funktioniert das ja auch, Top-Teams aus einem einzigen Verein, die harmonisch nebeneinander funktionieren. Fußball, Handball, Basketball, selbst Rollhockey.
Statt Ihren Füchsen spielt aber nun an diesem Samstag die Hertha beim FC Bayern. Was denken Sie, qualifizieren sich erst die Füchse oder die Hertha für die jeweilige Champions League?
Schwierig. Vor alldem steigt erst einmal Union in die Bundesliga auf.