Überblick

Die bayerische Schuldfrage

Der FC Bayern erlebt die schwierigste Phase seit mehr als zehn Jahren - und daran haben einige Akteure ihren Anteil. ManCity wird nun zum Charaktertest. Matthäus: "Sensation ist möglich"


Wer ist Schuld an der bayerischen Krise: Team, Trainer oder die Bosse?

Wer ist Schuld an der bayerischen Krise: Team, Trainer oder die Bosse?

Von Maximilian Koch

München - Geht da noch was für den FC Bayern - oder ist der zweite Titel der Saison am Mittwoch futsch?

Lothar Matthäus sieht zumindest eine Restchance vor dem Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Manchester City (21 Uhr/DAZN live). "Ich halte die Sensation für möglich, aber dafür muss alles passen", sagt der Sky-Experte und frühere Bayern-Kapitän im Gespräch mit der AZ: "Vor dem Hinspiel habe ich gesagt, dass City 51:49 Prozent Favorit ist, das hat sich durch das 3:0 natürlich geändert. Ich würde die Chance für Bayerns Weiterkommen auf zehn Prozent beziffern."

Immerhin, da gibt es wohl noch pessimistischere Prognosen. Denn das Momentum, das sagt auch Matthäus weiter, "spricht klar für die Mannschaft von Pep Guardiola. Bayern schafft es einfach nicht, Woche für Woche Ergebnisse zu liefern - weder unter Julian Nagelsmann noch unter Nachfolger Thomas Tuchel."

Einen großen Anteil an der Misere der Müchner haben die Bosse Hasan Salihamidzic (l.) und Oliver Kahn (r.). Trainer Thomas Tuchel muss die Fehler nun ausbaden.

Einen großen Anteil an der Misere der Müchner haben die Bosse Hasan Salihamidzic (l.) und Oliver Kahn (r.). Trainer Thomas Tuchel muss die Fehler nun ausbaden.

Und da wären wir schon beim Münchner Hauptproblem in dieser Saison: der fehlenden Konstanz. In den fünf Partien unter Tuchel gab es lediglich zwei Siege, insgesamt wurden im Jahr 2023 nur zehn von 18 Spielen gewonnen. Deutlich zu wenig für die eigenen Ansprüche - und für einen möglichen Triple-Gewinn. Im DFB-Pokal ist Bayern schon raus, in der Meisterschaft beträgt der Vorsprung auf Borussia Dortmund zwei Punkte. Allerdings weniger aufgrund der eigenen Souveränität, sondern eher dank der Dortmunder Dusseligkeit.

Hinzukommen zahlreiche Störfeuer außerhalb des Platzes, die dafür sorgen, dass Bayern die komplizierteste Phase seit mehr als zehn Jahren erlebt, seit der BVB 2011 und 2012 zweimal in Folge Meister wurde.

Wer hat den größten Anteil an dieser negativen Entwicklung? Die AZ beantwortet die bayerische Schuldfrage.

Die Klubführung: Präsident Herbert Hainer und Vorstandschef Oliver Kahn sind selten präsent in der Öffentlichkeit, wenn es bei Bayern brennt. So wie jetzt.

Kahn schwieg etwa nach dem Kabinenknall zwischen Sadio Mané und Leroy Sané, im Anschluss an das enttäuschende 1:1 gegen Hoffenheim gab es von ihm nur eine Nachricht bei Twitter. Die Vorgänger Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge wären in einer solchen Phase wohl anders vorgegangen, sie hätten Klartext gesprochen. Auch Nagelsmanns Freistellung warf kein gutes Licht auf die Spitze des Klubs.

Die sportliche Leitung: Ist der Bayern-Kader wirklich so stark, wie er gemacht wurde? Daran gibt es inzwischen Zweifel. Es herrscht keine Harmonie im Team, auf Schlüsselpositionen fehlen Spitzenkräfte. Der Abgang von Robert Lewandowski wurde nicht kompensiert, das war naiv bis fahrlässig.

Sadio Mané ist kein Mittelstürmer, auch die Zugänge Ryan Gravenberch, Noussair Mazraoui, Yann Sommer, Daley Blind und João Cancelo waren keine Volltreffer. Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Marco Neppe, der Technische Direktor, müssen sich kritische Fragen gefallen lassen.

Die Trainer: Tuchel trifft die geringste Schuld, er fand eine völlig verunsicherte Mannschaft vor und versucht nun alles, um die Stars wieder aufzurichten. Der neue Coach kommt im Team sehr gut an, er plant im Sommer einen Neuaufbau.

Bei Nagelsmann war die Kabine gespalten, der Ex-Coach überforderte die Spieler bisweilen taktisch, er stand selbst zu oft im Mittelpunkt. Daher die nachvollziehbare Trennung.

Die Mannschaft: Etliche Stars wie Mané, Sané, Serge Gnabry, Alphonso Davies, Leon Goretzka oder Kingsley Coman spielen weit unter Bestform, gegen Hoffenheim mangelte es sogar an der richtigen Einstellung.

Daran ist kein Trainer oder Verantwortlicher schuld. ManCity wird nun zum Charaktertest für die Mannschaft.