Edeltechniker auf der Bank
Bayerische Kunstpause: Das macht Flick anders als Kovac
8. November 2019, 6:26 Uhr aktualisiert am 8. November 2019, 6:26 Uhr
Interimscoach Hansi Flick bringt den FC Bayern im ersten Spiel zurück in die Erfolgsspur. Er setzt Thiago und Coutinho auf die Bank und überzeugt mit aggressiver Taktik.
München - Hansi Flick legte den Arm um David Alabas Schulter und lachte. Der 54-Jährige konnte und wollte seine gute Laune nicht verbergen, als er sich am Mittwochabend in den Katakomben der Allianz Arena auf den Weg Richtung Ausgang machte.
Mit dem 2:0 gegen Olympiakos Piräus hatte er schließlich ein gelungenes Debüt als Interimscoach des FC Bayern erlebt. "Ich genieße es gerade aktuell, weil die Mannschaft wirklich hervorragend arbeitet und sich heute für ein intensives Spiel belohnt hat", sagte Flick. Feststeht, dass er auch am Samstag beim Topspiel gegen Borussia Dortmund (18.30 Uhr im AZ-Livticker und bei Sky) auf der Bank sitzen wird. Und danach?
"Es interessiert mich überhaupt nicht, was nach dem Samstag passiert", behauptete Flick: "Ich habe immer gesagt, dass ich einer bin, der nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft lebt, sondern jetzt hier." Und in dieser Gegenwart hat der allgegenwärtige Hansi offenbar an den richtigen Stellschrauben der Mannschaft gedreht.
Edeltechniker nur auf der Bank
Schon die Aufstellung unterschied sich markant von der seines Vorgängers Niko Kovac. Unter dem waren Thiago und Philippe Coutinho uneingeschränkt gesetzt. Sein ehemaliger Co-Trainer verpasste den beiden Edeltechnikern nun eine Kunstpause. "Ich muss mich entscheiden für eine Elf, und diese hat gut zurückgezahlt", sagte Flick. Thiagos Platz auf der Sechs hatte er Joshua Kimmich anvertraut, der mit 137 Ballkontakten und 104 (von 111) erfolgreichen Pässen zum spielbestimmenden Akteur wurde. Robert Lewandowskis Treffer zum 1:0 leitete er mit ein und präsentierte sich auf seiner Wunschposition zweikampfstark sowie mit Übersicht.
Kimmich harmonierte auch gut mit seinem Nebenmann Leon Goretzka, der ebenfalls in die Startelf gerückt war. "Ich spiele immer gerne mit ihm zusammen, er ist extrem spielintelligent", sagte Goretzka über Kimmich: "Er kennt auch meine Stärken und weiß die gut ins Spiel einzubringen. Wir verstehen uns gut auf dem Platz."
Hansi Flick: "Das ist ein Spiel, auf das sich ganz Deutschland freut"
Vor den beiden gab Flick Thomas Müller im offensiven Mittelfeld alle Freiheiten, die unter Kovac noch stets Coutinho genoss. Müller war engagiert, gefiel durchaus im Zusammenspiel mit Lewandowski und kam zu Torchancen. Die letzte Entschlossenheit fehlte dem 30-Jährigen aber noch. Müller muss Flicks Hoffnungen ("Er ist auf dem Feld jemand, der alle mitreißen kann") noch mehr mit Leben füllen - und auch mit Toren.
Die Umstellung in der Abwehr zeigte dagegen sofort den gewünschten Erfolg. Erstmals seit acht Pflichtspielen spielte Bayern mal wieder zu Null. "Für unser Selbstbewusstsein in der Defensive ist das sehr wichtig", sagte Kapitän Manuel Neuer. Flick ließ Javi Martínez innen neben David Alaba verteidigen, außen Benjamin Pavard (rechts) und Alphonso Davies (links). Damit stand im 17. Pflichtspiel die zwölfte unterschiedliche Viererkette auf dem Platz.
Mit Blick auf das BVB-Spiel, in dem Jérôme Boateng gesperrt fehlen wird, "war es für mich wichtig zu sehen, wie die Vier harmonieren", sagte Flick und fand: "Das haben sie richtig gut gemacht. Wir haben wenig zugelassen." Der Coach merkte aber auch den noch fehlenden Offensivdrang bei Davies und Pavard an.
"Da ist noch Luft nach oben"
Der größte Unterschied im Vergleich zu dem eher abwartenden, defensiven Kovac-Stil war aber Flicks aggressive Taktik. "Es ging nach den letzten Spielen darum, nach vorne zu verteidigen, die Initiative zu ergreifen", erklärte Flick: "Wir haben sehr hoch verteidigt und den Gegner immer wieder unter Druck gesetzt. Wir waren dominant."
Insgesamt war Flick "mit der Leistung sehr zufrieden", gestand aber ein: "Ich weiß, es ist noch Luft nach oben." Eine Leistungssteigerung wird gegen den BVB auch nötig sein. "Das ist ein Spiel, auf das sich ganz Deutschland freut", sagte Flick: "Da wollen wir ein weiteres Zeichen setzen."
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