Bayern-Ei

Salmonellen-Skandal: Vertuschten Gesundheitsbehörden die Gefahr?


Von Redaktion idowa

Würden zwei Menschen noch leben? Wäre Hunderten in Europa die Infektion erspart geblieben? Warum hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) nicht die Öffentlichkeit gewarnt? Die Ergebnisse veterinärmedizinischer Kontrollen lassen solche Fragen jetzt in neuem Licht erscheinen - einem seltsamen Licht.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin gab es in Bayern bis Oktober 2014 55 Salmonellen-Erkrankungen mit einer molekularbiologischen Auffälligkeit: In all den Fällen handelte es sich um jenes Bakterium, das europaweit grassierte und an dem in England zwei Menschen starben. Salmonella Enteritidis PT14b, heißt der Killer. Er stammt womöglich aus Bayern. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat die Firma "Bayern- Ei" im Verdacht.

Landratsamt findet potenzielle Killer-Bakterien bei Bayern-Ei

Veterinäre des Landratsamtes Straubing-Bogen beanstandeten die Firma vergangenes Jahr. Laut Amt wurden fünf Chargen Eier mit jeweils bis zu hundert Stück kontrolliert. Zudem untersuchten die Experten drei Kot- und Staubproben, und es fanden drei "Tierschutzkontrollen" statt. Zwei Eier-Chargen vom August 2014 enthielten Salmonella Enteritidis PT14b. Die Bakterien seien auf den Eierschalen gewesen, im Inneren keine festgestellt worden, heißt es.



Die beiden auffälligen Chargen habe die Firma zurückgezogen, teilt das Amt mit. Nach dem ersten Fall habe ein Fachbetrieb die Eierpackstelle gereinigt. Konsequenz nach dem zweiten Salmonellen-Befund: Die Behörde legte fest, dass Bayern-Ei die Ware erst dann wieder als Handelsklasse A vermarkten darf, wenn zwei aufeinanderfolgende Kontrollen negativ ausfallen. Das Unternehmen habe sich daraufhin für eine "vorzeitige Ausstallung des Legehennenbestandes und bis dahin für eine ausschließliche Abgabe von Eiern der Handelsklasse B entschieden". Das war im September.

Bereits im Februar stießen Kontrolleure auf belastete Eier bei Bayern-Ei in Ettling. Wie der Landrat von Dingolfing-Landau gegenüber der Süddeutschen Zeitung betonte, erfuhr man die Analyseergebnisse vom LGL erst im April. Die betreffenden Chargen seien zu diesem Zeitpunkt längst verkauft gewesen.

Im Juli waren dem LGL mehrere PT14b-Ausbrüche aus dem Ausland gemeldet worden. Und noch etwas muss der Behörde klar gewesen sein: Die 55 Fälle in Bayern bis Oktober stehen dem Robert-Koch-Institut zufolge für 73 Prozent aller PT14b-Infektionen in Deutschland.

Doch die Behörde - sie ist auch für die Überwachung von Firmen wie Bayern-Ei letztlich verantwortlich - sah keinen Grund, die Öffentlichkeit zu warnen.

Landesamt für Lebensmittelsicherheit: Alles im grünen Bereich

Und sie würde sich heute genauso verhalten. Auf Nachfrage von idowa betont das LGL: "Eine Warnung setzt eine Gesundheitsgefahr für bayerische Verbraucherinnen und Verbraucher voraus. Dazu ist insbesondere erforderlich, dass das gesundheitsgefährdende Lebensmittel in Bayern in den Verkehr gelangt ist und sich noch beim Verbraucher befindet. Dies war nach den Ermittlungserkenntnissen der Behörden nicht der Fall."


Sind 55 Infektionen mit einem potenziellen Killer-Bakterium nicht genug für eine Warnung? Das Robert-Koch-Institut gibt zu bedenken: "Eine Absolutzahl erlaube grundsätzlich keine epidemiologische Aussage." Und sie habe auch keine Relevanz im Hinblick auf eine Warnung der Öffentlichkeit, wenn man sie nicht in Bezug zum "Hintergrundrauschen" setze. Das Institut stellt aber klar: Zeichne sich ein Ausbruch ab, stehe die betreffende Landesstelle "in der Verantwortung, epidemiologische Untersuchungen einzuleiten oder die Öffentlichkeit zu informieren".

Bayerisches Rauschen

Fakt ist, dass das "Hintergrundrauschen" in Bayern abnimmt. "Im Jahr 2014 wurde mit 2296 Fällen seit Jahren der geringste Stand erreicht", teilt das LGL mit. Im Jahr 2005 seien es noch 8416 Fälle gewesen.

Nach Einschätzung von Rosi Steinberger wiegt sich das LGL geradezu in dem ruhiger werdenden Rauschen. Die Abgeordnete der Landtagsgrünen empört sich über die Kontrollpraxis. Steinberger ist der Auffassung, dass viel zu wenig kontrolliert wird, und sie hält die Auswahl der Stichproben für fragwürdig.

Die Behörde weist die Kritik der Grünen-Frau zurück. Bei den am LGL untersuchten Proben handle es sich nicht nur um "Planproben". Jede Kreisverwaltungsbehörde habe die Möglichkeit, von sich aus Lebensmittelproben ans Labor zu schicken. Dies sei etwa bei "lebensmittelbedingten Ausbrüchen" der Fall. Wenn einschlägige Erzeugnisse in einem Jahr weniger kontrolliert werden, wie es Steinberger moniert, könne sich darin auch widerspiegeln, "dass die Zahl der Ausbrüche mit Beteiligung tierischer Lebensmittel in Bayern gesunken ist."

Gesetzgeber vertraut auf Unternehmer

Der Druck auf die Behörde steigt. Im Landtag sind Forderungen nach einer lückenlosen Aufklärung des Falles laut geworden, dabei geht es vor allem um das Zusammenspiel von LGL und Straubinger Beamten. Am 11. Juni soll sich das LGL vor dem Umweltausschuss im Parlament erklären.

Ein Punkt, den die Staatsanwaltschaft klären muss: Hat der Geschäftsführer von Bayern-Ei das getan, was er hätte tun müssen? Mehr als auf die Gesundheitsbehörden verlässt sich der Gesetzgeber auf die Wirtschaft. "Der Lebensmittelunternehmer ist am besten in der Lage, ein sicheres System der Lebensmittellieferung zu entwickeln", heißt es etwa in der einschlägigen EU-Verordnung. Für die Praxis bedeutet das, dass der Unternehmer selber kontrolliert und entscheidet, ob seine Erzeugnisse sicher sind.

Und die Funktion der Behörden? "Wir sind nur die Kontrolle der Eigenkontrolle", beschreibt es ein leitender Veterinär.