Regensburg
Rettungshelikopter: Mit 200 Stundenkilometern zum Einsatz
4. August 2016, 8:42 Uhr aktualisiert am 4. August 2016, 8:42 Uhr
Jeder kennt das Geräusch eines Hubschraubers. Beim Blick in den Himmel ist dann oft ein Helikopter der Luftrettung zu sehen, etwa Christoph Regensburg. Aber wann fliegen die Luftretter los? Wie weit und wie hoch fliegen sie? Und wer sitzt überhaupt drin?
Zwei rote Sofas, eine Küchenzeile, ein Esstisch - der große Raum in dem Gebäude auf dem Gelände der Uniklinik Regensburg wirkt ein bisschen wie in einer WG. Dieses Gefühl verstärkt sich noch, als um kurz nach zehn ein Mann in T-Shirt, kurzer Hose und Hausschuhen ins Zimmer kommt und sich Kaffee und Nutellabrot zum Frühstück macht. "Das ist der Kollege aus der Nachtschicht, die war um 7 Uhr vorbei. Der braucht jetzt einen Kaffee", erklärt Georg Fuhrmann. Fuhrmann ist einer der acht Piloten, die von Regensburg aus für die DRF Luftrettung den Rettungshubschrauber fliegen.
Wer, wie, was? Pilot Fuhrmann erklärt unter den Bildern die Arbeit der Luftretter:
Mit an Bord sind ein Rettungsassistent, an diesem Tag Manfred Huber, und einer von rund 20 Notärzten, diesmal Ärztin Derya Akyol. Rettungsassistent Huber ist ein HEMS-TC (Helicopter Emergency Medical Service Technical Crew Member): "Mit dieser Zusatzqualifikation dürfen wir den Piloten bei der Navigation unterstützen, zum Beispiel indem wir mit nach geeigneten Landeplätzen suchen oder den Luftraum während des Fluges beobachten." Seit 20 Jahren arbeitet er im Rettungsdienst, seit fünf Jahren ist er bei der Luftrettung: "Ich möchte nichts anderes machen. Fliegen macht Spaß, auch wenn ich nicht am Steuer sitze," sagt er lachend.
Auch für Georg Fuhrmann ist Fliegen ein Traumjob. "Sonst würde ich schon lange etwas anderes arbeiten", sagt der Pilot. Fliegen hat er bei der Bundeswehr gelernt, wie die meisten seiner Kollegen in Deutschland. "Den Flugschein kann man zwar privat machen, das kostet aber ein Vermögen. Deswegen kommen die meisten Piloten von der Bundeswehr oder der Bundespolizei." Zwölf Jahre lang war Fuhrmann bei der Bundeswehr, seit sechs Jahren arbeitet der 35-Jährige bei der DRF Luftrettung.
Durchschnittlich drei Einsätze pro Tag
Fuhrmann und Huber wirken mit ihrem Job glücklich und für Außenseiter ist ihr Arbeitsplatz sicher etwas besonderes. Im übertragenen Sinn abgehoben sind die beiden aber nicht. "Klar, es gibt nicht viele Leute, die unsere Arbeit machen, aber Pilot ist ein Ausbildungsberuf wie jeder andere", sagt Fuhrmann.
Im Durchschnitt starten die Regensburger etwa dreimal am Tag: "Im Winter ist oft weniger los, im Sommer eher etwas mehr. An manchen Tagen haben wir über zehn Einsätze, dass kann man kaum vorhersagen", erklärt Fuhrmann. Großen Einfluss hat das Wetter, denn bei zu schlechten Verhältnissen darf der Helikopter nicht geflogen werden. "Dann muss ein Einsatz auch mal abgesagt und von den Kollegen im Rettungswagen übernommen werden."
Ungefähr 70 Prozent der Einsätze sind Notfälle, 30 Prozent der Flüge Verlegungsflüge, bei denen ein Patient von einem Krankenhaus zu einem anderen transportiert wird. Für Patienten bietet der Flug mit dem Helikopter zwei große Vorteile: einerseits geht es bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 200 Kilometern pro Stunde schneller als mit dem Krankenwagen, andererseits muss der Helikopter keine Kurven fliegen und nicht über von Schlaglöchern zerfressene Straßen fahren - "der Transport ist so auch schonender", sagt Akyol.
Wer, wie, was? Pilot Fuhrmann erklärt unter den Bildern die Arbeit der Luftretter:
Bei Verkehrsunfällen landet Georg Fuhrmann den Hubschrauber gern auf der Straße. "Nicht nur, weil ich dann nicht so viel putzen muss", sagt er lachend. "Wenn wir in einer Wiese oder einem Acker landen, ist der Transport für den Patienten unangenehmer." Ein geeigneter Landeplatz direkt am Einsatzort findet sich aber nicht immer, manchmal ist die nächste Landemöglichkeit einige hundert Meter entfernt. Dann wird schon mal ein vorbeifahrendes Auto zum Taxi: "Die meisten Autofahrer sind sehr hilfsbereit, wenn wir sie bitten, uns schnell einen halben Kilometer mitzunehmen", erzählt der Pilot.
Auch wenn nicht alle Einsätze Notfälle sind, die Teams bekommen einiges zu sehen. "Gerade Motorradunfälle sind oft sehr schlimm, weil Motorradfahrer einfach nicht so gut geschützt sind wie Autofahrer", sagt Manfred Huber. Beeinflusst das die Nothelfer? "Ich habe mit dem Motorradfahren aufgehört, fahre nur noch im Urlaub mit einem kleinen Moped", gibt der Rettungsassistent zu. "Ich bin leidenschaftlicher Motorradfahrer und werde es auch bleiben", sagt dagegen Georg Fuhrmann. "Aber der Gedanke ans Aufhören ist mir schon einmal gekommen." Aber auf Sicherheit ist er trotzdem bedacht und absolviert vor jeder Saison ein Fahrsicherheitstraining.
Die Einsätze bleiben aber nicht immer in schlechter Erinnerung: Kinder strahlen oft, wenn sie mit dem Helikopter fliegen können. Das ist ein schönes Gefühl, wenn wir dem kleinen Patienten nicht nur medizinisch helfen können, sondern ihm auch noch eine Freude machen", sagt Notärztin Akyol lächelnd.
In der Station herrscht lockere Stimmung. Bei weniger als 50 Kollegen, mit denen man lange Schichten verbringt, lernt man sich gut kennen. Manche Piloten verbringen den Tag in der Station, wenn sie Nachtschicht haben und der Heimweg zu lang ist.
Wie in einer WG isst man zusammen, bringt dem Anderen mal eine Tasse Kaffee mit, jeder schläft in seinem Zimmer. Nur, dass diese "WG" gemeinsam aufbricht, um Leben zu retten.