Müllwirtschaft im Lockdown

Damit haben die Entsorger zu kämpfen


Die überquellende Mülltonne könnte zu einem Wahrzeichen des Lockdowns werden - so wie hier in Straubing.

Die überquellende Mülltonne könnte zu einem Wahrzeichen des Lockdowns werden - so wie hier in Straubing.

Die überquellende Mülltonne könnte eines der Bilder des Lockdowns werden. Denn wegzuwerfen gibt es genug. Take-Away-Verpackungen, Kartons und Folie aus unzähligen Online-Bestellungen, Kleinzeug aus dem frisch entrümpelten Speicher. Für Abfallwirtschaftsunternehmen - die privaten wie die kommunalen - war das Jahr allerdings wirtschaftlich schwierig. Warum ist das so?

Schon mit dem ersten Lockdown schien das Geschirr schlagartig verbannt. Statt Mittagstisch gab es in den Restaurants gezwungenermaßen Take-Away-Essen in Styroporkartons, Plastiktüten und Alu-Folie. Und Pizzaschachteln. Den Kaffee mehrfach am Tag im Pappbecher, egal, ob man ihn lieber aus einer Tasse getrunken hätte. Hygieneregeln gehen vor Müllvermeidung.

Rüdiger Weiß, der Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Entsorgungsunternehmen (VBE), bestätigt diesen Eindruck: "Die Müllmengen aus den privaten Haushalten sind deutlich angestiegen. Im Durchschnitt um etwa zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr." Nicht nur die vielbesagten Pizzakartons hatten im April deutlich zugenommen, erklärt Weiß: "Viele haben den ersten Lockdown genutzt, um die Wohnung zu entrümpeln oder auch im Garten größere Arbeiten in Angriff zu nehmen. Sei es Grünschnitt oder entsprechendes Material, das man aus dem Speicher oder dem Keller geräumt hat."

Riesiges Volumen an Recyclingmüll

Der Blick auf die Tonnen für Recyclingmüll, wie etwa der blauen für Papier und Kartonagen, legt einen guten Geschäftsgang für die Entsorgungsunternehmen nahe - doch er täuscht, sagt Gangolf Wasmeier vom Zweckverband für Abfallwirtschaft Straubing Stadt und Land (ZAW). Denn die Preise, die beim Recycling erzielt werden, sind bei vielen Wertstoffen ins Bodenlose gefallen: "Dadurch, dass auch die Wirtschaft unter der Corona-Pandemie leidet, sind die Vermarktungserlöse schlechter geworden. Das gilt insbesondere fürs Papier. Beim Schrott ist die Tendenz leicht andersherum. Da haben wir leicht erhöhte Preise. Aber gerade das Papier ist bei uns die größte Einnahme aus der Wertstoffvermarktung." In diesem Bereich sind laut Wasmeier beim ZAW die Recycling-Erlöse um rund 400.000 Euro gefallen.

Ein Problem sei auch die Luft, die die Unmengen von Versandhandel-Kartons in die Tonnen bringen: "Das Volumen im Papier steigt, das Gewicht nimmt eher ab. Das führt dazu, dass die Behälter zwar voller sind, aber auch leichter." Das ist für die Entsorger durchaus ungünstig, weil Recycling-Papier nach Kilopreis abgerechnet wird. Der Aufwand aber richtet sich nach dem Füllstand der Tonnen und Container.

Lesen Sie im zweiten Teil des Artikels, warum abgesagte Messen und geschlossene Gastronomie für die private Entsorgungsbranche stärker ins Gewicht fällt als die Masse des Haushaltsmülls.

Die Auswirkungen von Home Office und Pizzaschachteln

Während die kommunalen Entsorgungsunternehmen wie der ZAW Straubing die aktuellen Defizite auch wegen Überschüssen aus den Vorjahren noch vergleichsweise gut wegstecken, stehen private Entsorgungsunternehmen vor einem ganz anderen Problem: Mit dem Gewerbemüll ist laut Rüdiger Weiß vom VBE eine Stütze des Umsatzes weggebrochen. Laut einer Mitgliederbefragung lag dessen Volumen während des Lockdowns um etwa 22 Prozent unter dem Wert im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Den Unterschied macht die Vergütung: Den Müll aus den Haushalten sammeln auch private Entsorger im Auftrag der Kommunen gegen eine Pauschalvergütung ein. "Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Tonnen nun etwas voller oder leerer sind", erklärt Weiß. Anders ist es bei dem Müll, der in Firmen anfällt: "In diesem Kontext werden eigene Verträge über die Entsorgung geschlossen, die meist lukrativer sind. Ein großer Block unserer Einkünfte ist die Gesamtheit des gewerblichen Abfalls. Das geht vom Flughafen bis zum Ein-Mann-Unternehmer und schließt auch Unternehmen wie BMW mit ein. Das hat natürlich im Frühjahr richtig reingehauen."

Zu diesen Auftraggebern gehöre auch die Gastronomie und die Hotellerie, die nun zum zweiten Mal außer Betrieb sind. Die Veranstaltungsbranche fehle in der Rechnung nun schon seit Monaten: "Messen, Kongresse, Tagungen, das ist alles mit großen Mengen an Abfall verbunden, für die jeweils eigene Verträge geschlossen werden." Das Jahr 2020 sei bislang für viele Entsorgungsunternehmen ein Draufzahlgeschäft.

Rund ein Viertel weniger Gewerbemüll

Stichwort Gewerbemüll. Hier hatte die Home-Office-Zeit im Frühjahr ebenfalls ihre Auswirkungen gezeigt, sagt Gangolf Wasmeier vom ZAW Straubing Stadt und Land. Während die Preise für Papier fielen, kam aus dem Gewerbe weniger Altpapier nach: "Das ist der Marktsituation geschuldet, weil viele Betriebe nicht im Vollbetrieb arbeiten konnten. Dadurch ist wohl auch weniger Papier verbraucht worden." Hier schlage der Recyclingkreislauf im negativen Sinne durch. Denn, weil weniger Papier verbraucht wird, wird auch weniger neues Papier bestellt - bei dessen Herstellung dann weniger Altpapier gebraucht wird. Die Preisspirale dreht sich abwärts.

Unabhängig von der aktuellen Preisproblematik kann allerdings jeder Verbraucher dazu beitragen, den Anteil an entsorgungsfähigem Material möglichst hoch zu halten, wie Wasmeier erläutert: "Wenn man sich was zu Essen holt, sollte man versuchen, den Müll, der anfällt, zu trennen. Ich denke hier an die Alu-Folie oder auch an das Papier. Wenn man einen Pizzakarton sauber macht, kann der als Papier recycelt werden, auch wenn da ein paar Fettflecken drauf sind. Es sollten halt nicht direkt Peperoni und Käsestücke drin sein."