Seit Monaten vermisst

Wo ist Gerald Kitzinger aus Kirchroth?

Seit über einem halben Jahr ist Mann vermisst. Sein Bruder und dessen Frau sind sich sicher, der 46-Jährige lebt noch. Sie hoffen auf neue Hinweise und haben mit unserer Mediengruppe gesprochen.


Trotz intensiver Suche ist Gerald Kitzinger aus Kirchroth seit Monaten verschwunden.

Trotz intensiver Suche ist Gerald Kitzinger aus Kirchroth seit Monaten verschwunden.

Von Gerald Kitzinger aus Kirchrothfehlt seit dem 12. Juli vergangenen Jahres jede Spur. "Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht an Gerald denken", sagt sein Bruder. Jedes Mal, wenn die Polizei anruft, schlägt das Herz ein bisschen schneller.

Der Bruder und dessen Frau, die mit unserer Mediengruppe über das Verschwinden sprechen, leben am elterlichen Hof, wo auch Gerald öfter war. Sie wollen nicht aufhören, nach dem 46-Jährigen zu suchen. Aber was genau ist damals passiert?

Der 12. Juli 2023 ist ein Mittwoch. In der Nacht zuvor wütet ein Unwetter. "Wir glauben, er hat eine Flasche Bier getrunken, damit er einschlafen konnte", sagt die Schwägerin. Die Flasche sei später gefunden worden - aber nur diese eine. "Das hat bei ihm aber gereicht. Wenn er 0,5 Promille gehabt hat, ist er total enthemmt gewesen."

Die Reaktion auf eine geringe Menge Alkohol sei die Folge einer Erkrankung gewesen: Gerald Kitzinger hatte vor 32 Jahren eine schlimme Enzephalitis - eine Entzündung des Gehirns. "Er hat sich ins Leben zurückgekämpft, hat seinen Schulabschluss gemacht, Ausbildung zum Bauzeichner, Führerschein, Lkw-Führerschein, hatte einen eigenen Haushalt", erzählt sein Bruder. Gerald habe zwar noch Wortfindungsstörungen gehabt, Außenstehenden sei das aber fast nicht aufgefallen.

Noch eine Folge der Enzephalitis: "Gerald ist nicht so stressresistent gewesen. Das war zwar sein einziges Handicap, hat ihm aber das Arbeiten im normalen Berufsleben schwergemacht." Zehn Jahre arbeitet er in verschiedenen Firmen als Technischer Zeichner. Als man an seinem letzten Arbeitsplatz Leute ausstellt, verliert auch Gerald seinen Job. Er beginnt in der Werkstätte in Mitterfels zu arbeiten.

Am Tag seines Verschwindens setzt sich Gerald Kitzinger wie jeden Tag an den Frühstückstisch seiner Eltern, erzählt die Schwägerin. Seine Mutter habe gemerkt, dass ihr Sohn etwas auffällig ist, und ihn deshalb nicht mit dem Auto nach Mitterfels in die Arbeit fahren lassen - sie habe Alkohol vermutet.

Oberkörperfrei, kurze Hose, Gartenschuhe

Geralds Mutter habe die Schwiegertochter gebeten, einen Alkoholtest zu machen. Als diese wenig später mit einem Alkomaten kommt, springt Gerald auf, flüchtet. Über die Felder, Richtung Donau, raus aus dem Dorf. "Er hat versprochen, er trinkt nichts mehr und hat sich da wahrscheinlich ertappt gefühlt."

Alles, was Gerhard Kitzinger in diesem Moment trägt, sind eine kurze hellbraune Stoffhose und Crocs.

Wenig später taucht der 46-Jährige noch mal kurz im Blickfeld der Familie auf, sie sehen ihn in Richtung Dorf zurückkommen. "Wir dachten, wir lassen ihn, er beruhigt sich schon wieder." Aber so ist es nicht. Es ist das letzte Mal, dass sie Gerald sehen.

Gegen 17 Uhr will ihn noch ein Bekannter in Mitterfels bemerkt haben. Die Werkstätte sei da schon eine Stunde geschlossen gewesen, daher habe der Mann sich gewundert, was Gerald noch in Mitterfels macht. "Wir vermuten, er kam zu Fuß rein", sagt sein Bruder. Gerald versprach, ihm am übernächsten Tag auf der Baustelle helfen. Deshalb wollte er vorher unbedingt in die Werkstätte. "Da hätte er sich freinehmen müssen."

Die Familie wartet die Nacht ab. Vielleicht taucht Gerald am Morgen in der Arbeit auf? Doch er bleibt verschwunden. Seine Schwägerin wählt die Nummer der Polizei.

Die Beamten stellen alles auf den Kopf, erzählen die beiden. Sogar Spürhunde sind im Einsatz. Erst ist die Streifenpolizei zuständig, später ermittelt die Kriminalpolizei. Rund vier Wochen nach dem Verschwinden folgt eine große Suchaktion in Mitterfels. Nichts.

Viele Monate sind seitdem vergangen. Der Bruder und die Schwägerin sind sich dennoch sicher: Gerald lebt. "Die Felder wurden alle durchsucht, die Leute gehen in die Schwammerl, jetzt ist jeder beim Holzarbeiten. Wir sind uns sicher, man hätte ihn gefunden, wenn er tot wäre."

Aber wo vermuten sie den 46-Jährigen? "Da, wo er zurechtkommt", sagt sein Bruder. "Er wird sich so durchschlagen, das kann er." Gerald sei gewieft, unscheinbar. "Er wird sich auch jetzt unscheinbar geben. Es ist schwierig, dass du so jemanden auf den Schirm kriegst."

Die beiden denken, dass Gerald unzufrieden gewesen ist. Die Corona-Zeit zum Beispiel, habe ihn "aus der Ruhe gebracht". Seine Schwägerin sagt: "Es hat ihn vielleicht auch einiges aufgeregt. Wieso dann wieder zurückgehen? Warum nicht etwas Neues?"

"Gerald, melde dich bitte bei uns"

Jeder mochte Gerald, erzählen sie. Alle seien schockiert gewesen, als sie von seinem Verschwinden erfahren haben. "Er ist sehr beliebt gewesen, weil er so gesellig und hilfsbereit war." Einer, der gerne mit angepackt hat, einer, auf den man sich verlassen konnte.

Jetzt hoffen die beiden, dass es bald neue Hinweise gibt oder Gerald sich meldet. Sie denken jeden Tag an ihn. "Ganz schlimm war es, als es kalt geworden ist", sagt seine Schwägerin. "Als ich das erste Mal das Fenster im Sommer zugemacht habe. Man weiß genau, Gerald hockt irgendwo da draußen."

Sie appellieren an ihn: "Gerald, wenn du das liest, melde dich bitte bei uns. Wir machen uns große Sorgen um dich. Du brauchst keine Angst zu haben, da du bewiesen hast, alleine zurechtzukommen. Auch die Polizei ist voller Verständnis für dich. Es kann sich jetzt viel ändern, wenn du es willst. Du kannst dich auch gerne bei der Polizei melden, wenn dir das lieber ist."

Sauer seien sie auf keinen Fall auf Gerald. Sie wären einfach nur unendlich froh, ihn sicher zu wissen.

Die beiden wollen Danke sagen:

"Ein großes Dankeschön mit einer Umarmung an alle, die uns mit Rat und Tat und Hilfe bei der Suche nach Gerald unterstützt haben und unterstützen werden. Für jedes gute Wort und euer Verständnis: vielen Dank. Möge die Mühe aller nicht vergebens sein."

Das teilt die Polizei mit:

Seit dem 14. Juli 2023 wurde unter anderem auch öffentlich nach Gerald Kitzinger gesucht und die Bevölkerung um Mithilfe gebeten, teilt die Polizei mit. Am 19. Juli ergänzt sie die Fahndung mit einem Nachtrag, dass der Vermisste in Mitterfels arbeitete und er unter Umständen dort gesehen hätte werden können.Am 8. und 9. August suchte man erneut umfangreich nach ihm. "Die bisher getroffenen polizeilichen Maßnahmen führten bislang nicht zum Auffinden des Herrn Kitzinger", sagt eine Sprecherin.

Da bis jetzt auch keine neuen Erkenntnisse über einen Aufenthaltsort vorliegen und alle Hinweise bearbeitet wurden, sei eine aktive Suche "gegenwärtig nicht zielführend". Die Öffentlichkeitsfahndung bestehe aber nach wie vor und die Polizei bittet um Hinweise.

Die Aufnahme eines Vermisstenfalles erfolge in der Regel durch die Polizeidienststelle, in deren Bereich der Vermisste gewohnt hat oder seinen letzten Aufenthaltsort hatte. Diese arbeite die gesamte Bandbreite an "zielführenden und sinnvollen Maßnahmen" ab, um die vermisste Person so schnell wie möglich zu finden. "Unter bestimmten Voraussetzungen wird ein Vermisstenfall von der Kriminalpolizei übernommen", sagt die Sprecherin. Bei Erwachsenen spätestens nach einem Monat, bei Kindern nach drei Tagen. "Ungeachtet dessen übernimmt die Kriminalpolizei Vermisstenfälle, wenn die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass die vermisste Person durch einen Suizid oder einen Unglücksfall umgekommen oder einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist." Ab diesem Zeitpunkt könne auch das BLKA in die Ermittlungen eingebunden werden.

Die Polizei überprüfe ständig die getroffenen Maßnahmen, insbesondere, ob sich neue Ansätze zur Ermittlung eines Aufenthaltsortes der vermissten Person ergeben. Auch seien Vermisste beispielsweise im gesamten Schengenraum ausgeschrieben. "Wir sind uns bewusst, dass das Verschwinden einer Person insbesondere für die Angehörigen sehr belastend ist", so die Sprecherin. Die niederbayerische Polizei treffe alle Maßnahmen und gehe jedem Hinweis und neuen Ansatz nach, um Vermisste wie Gerald Kitzinger zu finden.

Gerald Kitzinger ist etwa 1,76 Meter groß, hatte zum Zeitpunkt seines Verschwindens einen kurzen, braunen Haaransatz. Ein Sprecher der Polizei sagte damals, man habe zahlreiche Hinweise erhalten, sei jedem einzelnen nachgegangen - erfolglos. Hinweise können nach wie vor unter Telefon 09421/868 0 oder bei anderen Dienststelle abgegeben werden.