Porträt
Maria ist queer und studiert evangelische Theologie
6. April 2023, 18:20 Uhr
Mit etwa 14 Jahren merkt Maria, dass sie anders ist. „Es war ein Prozess, bis ich mir eingestehen konnte, dass ich queer bin“, sagt die heute 22-Jährige, die aus dem Landkreis Straubing-Bogen kommt. Queer bedeutet für sie, dass sie sich zu Menschen hingezogen fühlt, egal welches Geschlecht diese Personen haben. Damals reagieren ihre Freunde und ihre Familie gut auf ihr Outing.
Dass nicht jeder so positiv auf ihre Identität reagiert, merkt sie als sie nach ihrem Abitur für ein Jahr nach Neuseeland geht. Dort trifft sie auf Anhänger einer freikirchlichen Gemeinde, die moderne Gottesdienste veranstalten. „Trotzdem waren sie konservativ und haben die Bibel sehr wörtlich genommen. Queer kam bei ihnen nicht gut an“, erzählt Maria.
Sie setzt sich genauer mit dem Thema Religion und Queerness auseinander und merkt, dass sie sich auf wissenschaftlicher Ebene damit befassen will. Sie entschließt sich evangelische Theologie zu studieren. Dafür muss sie aber ihren Glauben ändern, denn eigentlich ist sie Katholikin.
„In der katholischen Kirche können beispielsweise nur heterosexuelle Männer Pfarrer werden“, begründet sie ihren Entschluss heute. In der evangelischen Kirche habe sie mehr Berufsmöglichkeiten und man sei nicht so konservativ eingestellt. Um auszutreten, musste sie damals zum Standesamt, einen Zettel ausfüllen und die Bearbeitungsgebühr zahlen. Danach sprach sie mit einem evangelischen Pfarrer und musste Dokumente wie ihre Taufurkunde vorzeigen. „Dann ist man drin.“
Derzeit hat Maria Semesterferien und macht ein Praktikum in einer Kölner Gemeinde. „Es war nicht schwer eine Stelle zu finden, vor allem weil ich bei einem queeren Pfarrer bin“, sagt sie und muss lachen. Die Rede ist von Tom Lahr, der auf seinem Instagramaccount amen_aber_sexy seinen Alltag teilt und queere Gottesdienste veranstaltet. In Heidelberg, wo Maria studiert, gibt es auch solche Gottesdienste. Aber wo liegt der Unterschied zu herkömmlichen Messfeiern? „Organisiert und durchgeführt werden die queeren Gottesdienste von queeren Menschen und man versucht vor allem queere Menschen damit anzusprechen“, erklärt die Studentin. Trotzdem seien auch andere willkommen. Im Gottesdienst verändere sich die Sprache: „Wir ändern die Pronomen. Gott bezeichnen wir mal als Mutter, mal als Vater, mal als Elternteil.“ Zudem könne man Bibeltexte auch queer auslegen. „Unser Ziel ist es, einen sicheren Ort für alle Beteiligten zu schaffen“, sagt sie. Dass das nicht immer möglich ist, ist ihr bewusst.
Denn im Januar dieses Jahres veranstalten Studenten der theologischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin einen queeren Gottesdienst. Während der Messfeier wird jedoch heimlich gefilmt, das Material taucht am Ende auf dem YouTube-Kanal „Ketzer der Neuzeit“ auf. Dieser Kanal verbreitet immer wieder Verschwörungsideologien, queerfeindliche Hetze und Reichsbürger-Thesen. In dem Video wird angeprangert, dass die Teilnehmer anstatt „Vater unser“ „Gott unser“ sagen, obwohl es doch das wichtigste Gebet im Christentum sei. Das Video wurde bisher über 200.000 Mal angesehen, in den Kommentaren reihen sich die Gegner von queeren Gottesdiensten und Co.
Auch Maria war schon Hass und Beleidigungen ausgesetzt. In Heidelberg hatte sich eine Gruppe namens „Christliche Aktion Heidelberg“ gebildet, die an Maria und andere Studenten ihrer Fakultät Flyer geschickt haben. „Darauf waren Argumente, warum queer sein nichts in der Kirche zu suchen hat. Außerdem standen queerfeindliche Sprüche an einigen Gebäuden der Uni“, sagt sie und kommt ins Stocken. Damals habe sich sofort die Gleichstellungsbeauftragte der Landeskirche Baden eingeschaltet und ihre Hilfe angeboten. „Es ist nicht immer leicht solch einem Hass ausgesetzt zu sein. Das trifft mich natürlich emotional“, gibt Maria zu.
Trotzdem lässt sie sich nicht unterkriegen. Sie teilt Inhalte zu ihrer Identität auf ihrem Instagramkonto mxr.xmla. Ihr sei es wichtig dem Ganzen eine Plattform zu geben und ihren Teil beizutragen. Doch auch hier bekommt sie nicht immer positive Nachrichten. „Kannst du dich nicht als etwas Normales identifizieren?“, lautet ein Kommentar unter ihrem Beitrag zu Queerfeindlichkeit in der Kirche. Geantwortet hat sie dem Nutzer nicht. „Ich finde es auch ein bisschen lustig. Man sollte einmal hinterfragen, warum denn hetero normal ist und queer nicht. Ich schade ja keinem, nur weil ich queer bin“, sagt sie.
Mit der Zeit lerne man mit solchen Kommentaren umzugehen. Zudem erhält sie überwiegend positive Reaktionen auf ihre Beiträge. Das sporne zum Weitermachen an. Trotzdem sei es manchmal komisch, wenn sie in einem persönlichen Gespräch mit anderen Details zu ihrer Identität äußert: „Das liegt wohl auch daran, dass meine Altersgruppe nicht so viel mit Religion anfangen kann.“
Ein Gegenargument, was sie bisher am häufigsten gehört hat, lautet: „Die Ehe gibt es nur zwischen Mann und Frau. Alles andere wendet sich gegen Gott und ist eine Sünde.“ Maria sieht das anders. Sie ist überzeugt davon, dass Gott sie liebt, weil er alle Menschen liebt. „Es gab aber Momente, wo ich hinterfragt habe, wie mein Glaube mit meiner Identität vereinbar ist“, gibt die 22-Jährige zu. Sie wolle nur studieren und sich in der Kirche engagieren. Da sei es ein Schlag ins Gesicht, wenn andere dies als Sünde betiteln. „Wäre ich nicht queer, wäre es kein Problem. Ich muss mich nur wegen meiner Identität rechtfertigen. Ich kann nichts dagegen tun, dass ich queer bin“, sagt sie. Trotzdemn bereue sie ihren bisherigen Weg nicht. Das Christentum stehe bei ihr vor allem für eins: Nächstenliebe. „Das sollte die Botschaft sein.“