Wege in ein umweltfreundlicheres Leben

Interview mitLogo!-Reporterin Jennifer Sieglar


Jennifer Sieglar hat ein umweltfreundliches Jahr hinter sich. Ihre Erlebnisse hat sie in ihrem neuen Buch festgehalten.

Jennifer Sieglar hat ein umweltfreundliches Jahr hinter sich. Ihre Erlebnisse hat sie in ihrem neuen Buch festgehalten.

Jennifer Sieglar, bekannt aus den Kindernachrichten Logo! und der Hessenschau, hat sich der Herausforderung gestellt: Zwölf Monate, zwölf Challenges - für unseren Planeten, gegen den Klimawandel.

Es geht um Plastik, Kleidung, Palmöl, Essen, Reisen, Wohnen und noch vieles mehr. Das bedeutet Haarseife statt Shampoo, Po-Dusche statt Klopapier, selbstgemixte Putzmittel und die Suche nach der nächsten Elektrotankstelle. Was sie erlebt hat, hat die Journalistin in ihrem neuen Buch Umweltliebe, erschienen im Piper-Verlag, festgehalten. Einzig wie ihre letzte Herausforderung, das umweltfreundliche Weihnachten ausging, beantwortet das Buch wegen des Abgabetermins nicht. Wie Weihnachten mit einem Baum im Topf verlief und andere Erkenntnisse, die Jennifer Sieglar in einem Jahr Umweltliebe gewonnen hat, hat sie uns im Interview verraten.

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Umweltfreundliches Weihnachten mit einem Baum im Topf.

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Jennifer Sieglar und ihr Freund Tim Schreder kaufen Obst und Gemüse über die "Kooperative", eine Biokiste von den Biohöfen der Umgebung.

Gäuboden aktuell: Frau Sieglar, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein umweltfreundliches Jahr einzulegen?

Jennifer Sieglar: Das kam, weil ich als Reporterin für Logo! auf den Weltklimagipfeln war. In Paris lagen sich alle in den Armen und haben gefeiert, weil sie nun die Erderwärmung begrenzen wollen; und zwei Jahre später in Bonn war immer noch keine Lösung gefunden, wie sie das überhaupt schaffen wollen. Ich habe mir dann überlegt, was ich selber an meinem Lebensstil ändern könnte. Andere sind der Meinung, dass ein Einzelner nichts bewirken kann. Daran glaube ich nicht.

Stand von Anfang an fest, dass Sie ein Buch über ihre Erlebnisse schreiben?

Sieglar: Ich dachte mir: 'Klar kann ich dieses Jahr für mich machen, aber dann bewirkt das halt nicht allzu viel. Wenn ich es aber aufschreibe, profitieren die Leute quasi von meinen Erfahrungen. Dann müssen sie den Leidensweg, den ich gegangen bin, nicht gehen.'

Leidensweg? Wo haben Sie denn am meisten gelitten?

Sieglar: Auf das Auto zu verzichten war echt der Horror. Wenn man in der Stadt wohnt, dann ist es kein Problem auf das Auto zu verzichten. Aber jeder, der auf dem Land wohnt, wird mir zustimmen, dass der öffentliche Personennahverkehr zu schlecht ausgebaut ist. In die Arbeit zu kommen, war in meinem Fall einfach unmöglich. Ich war ewig unterwegs.

Und wie lief es mit der Haarseife?

Sieglar: Das hat überhaupt nicht funktioniert. Ich wurde sogar in der Maske darauf angesprochen. Die Maskenbildnerin sagte: 'Was ist denn mit deinen Haaren los? Die sehen so strohig aus.' Das hat auch beim Waschen so ein bisschen gestockt, wenn man mit der Hand über die Haare gefahren ist. Mit der Haarseife war ich so unzufrieden, dass ich wieder auf mein altes Shampoo umgestiegen bin.

In ihrem Buch steht, dass das feste Deo ein noch größerer Reinfall war. Haben Sie das von sich aus gemerkt oder wurden Sie darauf angesprochen? Oh, sie lachen...

Sieglar: Also das Problem war nicht unbedingt, dass ich gestunken habe, sondern dass ich einfach unfassbar viel geschwitzt habe. Vor der Kamera ist man ohnehin immer ein bisschen nervös, weil was schiefgehen könnte. Aber wenn man dann auch noch so schwitzt, dann ist das super unangenehm. Deswegen habe ich auch beim Deo gesagt, dass das für mich nicht funktioniert.

Wie verzweifelt waren Sie, als Sie keine gute Wimperntusche ohne Palmöl finden konnten? Sie benutzen ja eine.

Sieglar: Ja das fand ich schon echt extrem. Ich habe sogar bei der Naturkosmetik nach Wimperntusche gesucht, in der kein Palmöl steckt. Und erst jetzt habe ich eine gefunden. Es gibt zwar welche mit zertifiziertem, nachhaltigem Palmöl, aber das ist im Grunde Augenwischerei. Klar ist es besser, wenn kein neuer Regenwald gerodet wird. Trotzdem wurde er aber irgendwann mal gerodet.

Monat zwölf war die "Weihnachts-Challenge". Wie umweltfreundlich war ihr Heiligabend?

Sieglar: Auf jeden Fall deutlich umweltfreundlicher als früher. Wir hatten immer so drei, vier Kubikmeter Müll und das war diesmal deutlich weniger.

Und wie lief es mit dem Weihnachtsbaum im Topf?

Sieglar: Tja, die Abgabe von diesem Buch war an Weihnachten, deswegen steht nicht mehr drin, dass uns der Baum im Topf umgefallen ist. Das war echt schlimm. Mir ist etwa die Hälfte der Kugeln kaputt gegangen. Das heißt, alles was wir durch den umweltfreundlichen Baum eingespart hatten, ist verpufft, weil ich mir neue Kugeln kaufen muss. Das war echt richtig bescheuert. Wir haben den Baum dann wieder eingepflanzt. Es sieht so aus, als ob er es gut überleben würde.

Apropos Baum: Sie wollten auch Klopapier sparen. 'Wir wischen uns also im Grunde jeden Tag mit frisch gefällten Bäumen den Po ab', steht dazu in ihrem Buch. Wie war es mit der Po-Dusche?

Sieglar: Die ist super. Ich kann sie nur empfehlen. Es ist aber nicht so, dass man dann gar kein Toilettenpapier mehr braucht - außer man nimmt ein Handtuch zum trocken tupfen. Und es ist schonender für den Po.

Das Buch Ich versteh die Welt nicht mehr haben Sie zusammen mit ihrem Freund Tim Schreder geschrieben. Hat ihm die Idee für dieses Buch nicht gefallen?

Sieglar: Er hat gesagt, dass er es nicht mit mir schreiben kann, weil er nicht so hundertprozentig dahintersteht. Die Idee, was für die Umwelt zu tun, fand er aber schon gut. Jetzt im Nachhinein meinte er aber, dass sich auch in seinem Leben so viel verändert hätte, dass er da auch hochoffiziell hätte mitmachen können.

Was hat sich denn verändert?

Sieglar: Unsere Ernährung zum Beispiel: Bio, vom Hofladen. Wenn er sich weiterhin jeden Tag ein Rinderfilet reingehauen oder Wurst gegessen hätte, dann hätte das Ganze so in der Form nicht funktioniert. Da ist es dann schon gut, wenn der Partner mitzieht. Bei der Mülltrennung ist er noch ein bisschen faul. Manchmal finde ich im Papiermüll noch Plastik.

Sie schreiben, dass Sie oft nicht darüber nachgedacht haben, was Sie in Ihrem Leben so an Umweltsünden rausgehauen haben. Was an Ihrem Verhalten hat Sie am meisten erschreckt?

Sieglar: Auf jeden Fall das Fliegen. Bei der Recherche habe ich erkannt, dass Fliegen der Klimakiller Nummer eins ist. Vermeidbare Flüge sollte man auf jeden Fall nicht machen.

Dann verzichten Sie ab jetzt auf das Fliegen?

Sieglar: Eineinhalb Jahre für das Buch privat nicht zu fliegen, war völlig in Ordnung. Aber das würde ich nicht mein ganzes Leben lang durchhalten. Ich möchte total gerne einmal Hawaii sehen und das ist superweit entfernt. Ich hatte jetzt auch meine Buchtour. Das war ziemlich anstrengend, weil ich da innerhalb von vier Tagen in München, Hannover, Frankfurt und Berlin war. Das habe ich alles mit dem Zug gemacht, obwohl das mit dem Flugzeug deutlich einfacher gewesen wäre. Aber innerdeutsche Flüge mache ich nicht mehr. Das ist Unsinn.

Was haben Sie bei der Recherche sonst noch so herausgefunden?

Sieglar: Was für eine Auswirkung die Kleidungsproduktion auf die Umwelt hat, hat mich extrem erstaunt - das Färben der Kleidung und der Anbau der Baumwolle. Und auch, was das mit den Arbeitern macht. Ich wusste schon ein bisschen was darüber. Aber wie Jeans hergestellt werden, hat mich dann doch erschüttert. Was mich aber richtig fertiggemacht hat, das war das Mikroplastik und die Vorstellung, dass wir das Problem nicht mehr in den Griff bekommen werden. Das Mikroplastik findet man mittlerweile überall: an den Polen, im Meer, in der Arktis. Das wird man nicht mehr aussortieren können. Das finde ich wirklich problematisch.

Nur die Tatsache, dass das Mikroplastik überall verteilt ist, oder auch, dass man nicht weiß, was das Mikroplastik im Menschen verursacht?

Sieglar: Das kommt natürlich noch hinzu. Unser Boden ist total verpestet. Regenwürmer steigen da schon nicht mehr so richtig durch. Und dann weiß man nicht, was das Mikroplastik im Körper anrichtet. Das macht mir richtig Angst.

Unternimmt die Politik hier zu wenig?

Sieglar: Ja, auf jeden Fall. Mikroplastik ist das Thema unserer Zeit. Und uns rennt die Zeit weg. Es ist kein populäres Thema. Man sieht die Wirkung nicht sofort und es ist in erster Linie nicht gut für die Wirtschaft. Ich glaube, dass die Politiker da nicht weit genug denken.

Wie meinen Sie das?

Sieglar: Ich glaube, dass es für die Politiker schwierig ist abzuwägen, weil die Industrie auch wichtig ist. Nur wenn wir in 20 Jahren das Problem haben, dass in Deutschland nichts mehr wächst, weil der Boden voller Mikroplastik ist, dann geht es der Industrie auch nicht mehr gut. Dann hat es ihr vielleicht geholfen, wenn das superbillige Glyphosat weiter verwenden wurde, aber irgendwann sind unsere Böden so verpestet, dass man sich fragen wird, ob das die richtige Entscheidung war. Ich habe das Gefühl, dass da zu kurz gedacht wird, und dass Druck ausgeübt wird, dem die Politiker anscheinend nicht standhalten. Das finde ich tragisch.

Welches Fazit ziehen Sie aus dem Jahr Umweltliebe?

Sieglar: Mein Fazit ist, dass es viel Spaß gemacht hat. Viel mehr Spaß als ich dachte. Es gibt viele Sachen, die sich ganz einfach umsetzen lassen. Ich sag mal, wenn ich 80 Prozent plastikfrei bin, dann sind das schon 80 Prozent mehr, als noch vor einem Jahr. Wenn ich mir beispielsweise Fetakäse in der Verpackung kaufe, dann ist das so. Dafür habe ich aber mein ganzes Gemüse, mein Obst, meine Milch oder meinen Joghurt, nicht mehr in Plastik. Das ist für mich in Ordnung. Weil ich mehr draußen bin, fühle ich mich viel gesünder. Außerdem habe ich ein besseres Gewissen. Und deswegen fühle ich mich nach diesem Jahr sehr glücklich.