Landshuter Zeitung

"Zwei Promille sind kein Grund heimzufahren"


Vorsicht Wildbiesler: Die Polizeibeamten achten bei ihrer Streife darauf, dass die Satzung der Stadt eingehalten wird. Das bedeutet auch, dass Wildbieseln nicht erlaubt ist. Auch nicht in die Isar. (Foto: cv)

Vorsicht Wildbiesler: Die Polizeibeamten achten bei ihrer Streife darauf, dass die Satzung der Stadt eingehalten wird. Das bedeutet auch, dass Wildbieseln nicht erlaubt ist. Auch nicht in die Isar. (Foto: cv)

Von Redaktion idowa

Es ist drückend heiß auf der Dultwache. Die Beamten bereiten sich auf einen möglicherweise arbeitsreichen Abend vor: Es ist Mittwoch, die "Topsis" spielen, es werden viele - vor allem junge - Besucher erwartet. Zusammen mit Mitarbeitern des Jugendamts wollen die Beamten für einen ruhigen und ereignisarmen Abend sorgen. "Präsenz zeigen", heißt das Motto. Und damit mögliche Streitereien schon im Keim ersticken. In Gruppen gehen sie auf Streife, belehren Wildbiesler, beruhigen Streitereien, versorgen alkoholisierte Jugendliche.
Einer der Beamten hat zehn Jahre in München gearbeitet. Und dabei auch das Oktoberfest erlebt. "Da ist Landshut nichts im Vergleich dazu", sagt er. Er deutet auf die Wiese neben dem Krämmerzelt. Dort hinlegen würde er sich aber auch in Landshut nicht. Die Jugendlichen scheint es nicht zu stören. Verteilt über die Wiese sitzen und liegen sie, reden, gucken in den Himmel oder küssen sich. Aus dem Zelt wummern die Bässe, der Geräuschpegel ist hoch. Es ist noch immer sehr heiß. Ebenso wie der Schweiß fließt auch das Bier in den Zelten. Ein Gewitter ist angekündet; fast sehnsüchtig blicken immer wieder Menschen in den Himmel und hoffen auf Abkühlung.
In der Dultwache steht ein 16-jähriger Junge. Mitarbeiter vom Jugendamt haben ihn an der Isar aufgegriffen. Sie hatten Angst um seine Sicherheit: Schwankend war er am Ufer entlang gegangen. Nicht, dass der junge Mann das einsehen würde: "Mir geht's echt no guad." Er versteht nicht, warum für ihn die Dult beendet ist. Schließlich ist es noch nicht einmal 22 Uhr. Und rund zwei Promille seien auch kein Argument. Doch, sagen die Polizisten. Schließlich haben sie eine Fürsorgepflicht zu erfüllen. Schwierig für die Beamten ist, dass sie die Eltern des Jungen nicht erreichen. Es steht die Frage im Raum, was mit ihm geschehen soll. Vielleicht könnte ein Freund helfen? Er soll mal einen anrufen.

Die Welt zumindest ein bisschen verbessern
"Wir werden die Welt nicht verändern", sagt eine Jugendamtsmitarbeiterin. Aber zumindest ein bisschen helfen, um sie besser zu machen, klingt ein wenig die Hoffnung durch. Die gemeinsamen Rundgänge von Jugendamt und Polizei sind neu, seit der Frühjahrsdult gibt es sie. Jugendliche, die Alkohol trinken oder rauchen, die nachts noch unterwegs sind, obwohl sie eigentlich nicht mehr dürften: Auf so etwas achten die Jugendamtsmitarbeiter und versuchen präventiv auf die Jugendlichen einzuwirken. Unermüdlich drehen die Leute vom Jugendamt ihre Runden, vor allem an der Preysingallee und auf der Ringelstecherwiese. Dort sitzen die Jugendlichen, rauchen, trinken oder ratschen einfach. Schnell gerät eine Gruppe ins Visier. Ein paar Jungs und Mädchen mit Sekt- und Bierflaschen sitzen am Isarufer. "Keine Flaschen auf dem Dultgelände" hat die Stadt ausgeben. Und kein Alkohol am Rande der Dult. Zuerst sträuben sich die Jugendlichen ein bisschen. "Wir können doch hier sitzen und was trinken", versuchen sie zu argumentieren. Aber die Mitarbeiter des Jugendamts bleiben hart. So hart, dass die Jungs den Alkohol wegschütten müssen.
Mittlerweile hat der 16-Jährige auf der Dultwache Verstärkung bekommen. Der Kumpel, der eigentlich der Polizei helfen sollte, den Jugendlichen nach Hause zu schaffen, hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Freund "rauszuhauen". Und er steht seinem Freund in Sachen Alkoholkonsum in nichts nach. Das gibt ihm wohl den Mut, mit den Beamten zu debattieren: "Wo steht denn das geschrieben, dass Sie uns hier festhalten dürfen", will er wissen. Der 16-Jährige schlägt sich mit den flachen Hand auf die Oberschenkel. Das klatschende Geräusch scheint seinen Freund anzufeuern. Er will es jetzt ganz genau wissen. Welches Recht? Welcher Paragraf? Und überhaupt. Die Polizisten bleiben entspannt. Die Mutter des zweiten Jugendlichen ist auf dem Weg. Der 17-Jährige betätigt sich weiter als Hobby-Jurist, bis es klopft und seine Mutter die Wache betritt. Schlagartig verstummen beide Jungen, entschuldigen sich auf Anweisung der Mutter und verabschieden sich brav mit einem Händeschütteln von den Beamten. Ein Problem gelöst. Das nächste lässt aber nicht lange auf sich warten.
Die Leute vom Jugendamt haben auf der Ringelstecherwiese ein Mädchen entdeckt. Es liegt auf der Seite, neben sich eine glimmende Zigarette. Als sie es ansprechen, kann das Mädchen kaum antworten, jemand muss ihr aufhelfen. Ein Blick auf den Ausweis zeigt, dass sie im Frühjahr 16 Jahre alt geworden ist. Vor lauter Alkohol kann sie kaum stehen. Wie sie denn heimkommen will? "Mit dem Rad", nuschelt sie. Aus dem Bierzelt tönt "Griechischer Wein" und die Jugendlichen auf den Bierbänken grölen lauthals mit. Schon nach wenigen Minuten muss das Mädchen sich wieder hinsetzen. Dass sie nicht heimradeln kann, ist schnell klar. Als sie versucht, auf ihrem Handy eine Nummer zu wählen, gibt sie es schon nach wenigen Sekunden wieder auf. Sie trifft kaum die Tasten. Zwei Männer müssen sie auf dem Weg zur Wache stützen. Auch für die 16-Jährige ist die Dult an diesem Abend vorbei.

Ein Schülerausweis für fünf Euro
Über Funk erreicht die Beamten eine Nachricht. Die Security hat beim Vorholzer-Bierzelt einen 15-Jährigen mit einem gefälschten Schülerausweis erwischt. Als die Beamten eintreffen, zeigt sich der Junge reumütig. "Es war eine Dummheit", gibt er zu. Trotzdem muss er mit auf die Wache. Wo er den Ausweis herhabe, fragen die Beamten. Von einem Klassenkameraden. Gestohlen? Nein! "Für fünf Euro abgekauft", sagt er kleinlaut. Und fügt trotzig hinzu: "Das macht man so bei uns auf der Schule." Ob man das so macht, oder nicht: Es ist Ausweismissbrauch und Urkundenfälschung. Auch der 15-Jährige muss warten, bis ihn seine Eltern abholen. Auch für ihn ist der Dultbesuch - zumindest an diesem Abend - vorbei.
Ruhig ist die Dult an diesem Abend. Ein bisschen hektischer wird es nur, als die Unwetterwarnung kommt und die Beamten die Zeltbetreiber auffordern, ihre Zelte wegen des Unwetters, das kommen soll, festzuzurren. Die Besucher sind - trotz der hohen Temperaturen - friedlich. Vielleicht ist es zu heiß. Vielleicht zeigt aber auch die Präsenz der Polizei Wirkung und die Menschen besinnen sich auf das, was man eigentlich auf einem Volksfest machen sollte: in gemütlicher Runde sein Bier und die Gesellschaft genießen.
Weil es so ruhig ist, verfolgen die Beamten um so gespannter den Polizeifunk. Bei einer Kontrollstelle ist ein Autofahrer durchgefahren, hat dabei fast noch eine Polizistin erwischt. Ein Streifenwagen hat sich an den Wagen gehängt, es geht raus Richtung Hachelstuhl. Vielleicht hat der Fahrer getrunken, vielleicht ist er ohne Fahrerlaubnis unterwegs. Es muss einen Grund geben, warum er eine Kontrolle missachtet und mit 80 Stundenkilometer durch eine 30-Zone brettert. Beständig geben die Streifenbeamten ihre Position per Funk durch, bis es nach einiger Zeit heißt: "Der is'weg. Der is' ins Holz." Stefanie Platzek