Landshuter Zeitung
„Es war nicht gut, ihn als Vorbild aufzubauen“
24. Juni 2012, 20:01 Uhr aktualisiert am 24. Juni 2012, 20:01 Uhr
Von Johannes Viertlböck und Emanuel Socher-Jukic
Wochenlang hielten die Diskussionen über den von der Turngemeinde (TGL) vergebenen Karl-Herzer-Gedächtnispreis an. Ausgelöst hatte die Debatte der Verein Stolpersteine, der auf die NS-Vergangenheit des angesehenen Sportlers Herzer hinwies. Vergangene Woche setzte die TGL den vorläufigen Schlusspunkt: Der Vereinsausschuss beschloss einstimmig, den Preis umzubenennen. Mit dieser Aussage alleine will sich Konrad Haberberger, Vorsitzender vom Verein Stolpersteine, nicht zufrieden geben. Ihm fehle eine inhaltliche Auseinandersetzung. Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) kommt im Fall Herzer zu einem klaren Urteil: Herzer ist zwar nach derzeitigem Stand ein Mitläufer gewesen, aber als Vorbild taugt er nicht.
Diese Einschätzung teilte das IfZ auch der TG vor Wochen mit. "Ich halte das nicht für sehr geschickt, einen Gedächtnispreis nach diesem Mann zu benennen", sagte Prof. Dr. Udo Wengst vom IfZ im LZ-Gespräch. Zwar sei Herzer ein Mitläufer, wie es Millionen im "Dritten Reich" gegeben habe. "Seine Bilanz ist aber nicht makellos", sagte Wengst. Sein Fazit: "Es war nicht gut, ihn als Vorbild aufzubauen." Grundlage für dieses Urteil bilden aktuelle Recherchenergebnisse der LZ. Danach wurde Herzer im September 1933 zum "Führer der Turngemeinde" gewählt. In seiner Antrittsrede stellt Herzer fest, dass er sein Amt im Sinne Adolf Hitlers und der Bayerischen Turnerschaft führen möchte - das berichtet die Landshuter Zeitung in ihrer Ausgabe vom 22. September 1933.
Wenige Wochen später ist in der NS-Zeitung Bayerische Ostwacht und in der zu diesem Zeitpunkt mittlerweile gleichgeschalteten Landshuter Zeitung ein im Wortlaut gleicher Aufruf Herzers zu lesen. Unter der Überschrift "Der Führer der Turngemeinde schreibt" heißt es da: Die Turnvereine dienten heute der Vorschule "zum Eintritt in die SA, SS und Stahlhelm". Gleichzeitig ruft Herzer alle SA-, SS- und Stahlhelmleute zum Eintritt in die TGL auf. Der Aufruf endet mit den Worten "Gut Heil!" und "Heil Hitler!".
Diesen Aufrufen misst Wengst allerdings nicht viel Gewicht bei, da zu dieser Zeit die Verbrechen des NS-Regimes noch nicht absehbar gewesen seien. Konrad Haberberger formuliert es schärfer: "Solche Aussagen zeigen den Geist Herzers. Er war kein Mitläufer." Herzer sei ein wichtiges Bindeglied zwischen NSDAP und Turnvereinen gewesen.
Bisher war bekannt, dass Herzer, der 1963 gestorben ist, seit dem 1. Dezember 1931 NSDAP-Mitglied war und ab August 1933 für die NSDAP im Stadtrat saß . Er war vor, während und nach der NS-Herrschaft aktiv in der TGL und zeitweise Vorsitzender des Vereins. 1948 wurde Herzer von der Spruchkammer Landshut als Mitläufer eingestuft (die LZ berichtete).
Diese Fakten, die seit 2003 bekannt sind, präsentierte Haberberger der TGL im Dezember in einem Brief. Er forderte den Verein auf, den Karl-Herzer-Gedächtnispreis umzubenennen, woraufhin die Vorsitzende der TGL, Prof. Dr. Gabriele Goderbauer-Marchner, das IfZ einschaltete. Das förderte aber keine neuen Informationen zutage. Der am IfZ damit betraute Udo Wengst riet der TGL auf Grundlage der bereits bekannten Tatsachen in einem Schreiben aber, nicht weiter mit dem Namen Karl Herzer zu operieren. Das bestätigte Wengst in einem Gespräch mit der LZ. Diese Einschätzung des IfZ wurde damals von dem Verein allerdings nicht nach außen kommuniziert. Anfang Mai ließ die TG jedoch verlauten, dass der Vorstand beschlossen habe, den Karl-Herzer-Gedächtnispreis in "Jugendehrenpreis der Turngemeinde Landshut, gestiftet von der Familie Herzer" umzubenennen. Begründet wurde der Schritt recht lapidar damit, dass man von der Sache "die Nase voll" habe, der Verein "wichtigere Aufgaben" habe und man "die Familie Herzer und die bisherigen Preisträger" schützen möchte. Von der Empfehlung des IfZ, den Preis nicht mehr nach Karl Herzer zu benennen, war nicht die Rede.
Genau das ärgert Konrad Haberberger: "Ich hätte mir von der TG eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema gewünscht." Die nun vollzogene Umbenennung sei halbherzig. Auch zwei anberaumte Gesprächstermine habe Goderbauer-Marchner kurzfristig platzen lassen. Und auch jetzt will die TGL-Vorsitzende keine inhaltliche Stellung nehmen: Trotz mehrfacher Anfragen der LZ in den vergangenen Tagen, war Goderbauer-Marchner nicht bereit, sich zu der Sache zu äußern. Sie wolle sich von Wengst erst die Aussagen bestätigen lassen, die er im LZ-Gespräch gemacht hatte, sagte sie gestern. In einer E-Mail, die die Redaktion am gestrigen Nachmittag erreicht, schreibt Goderbauer-Marchner: "Ich freue mich, wenn das Thema wissenschaftlich aufgearbeitet wird; ansonsten will die TGL sportlich tätig sein; wir wollen uns in die wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung auch nicht einmischen und Forscher unter Zeitdruck stellen."