Spektakuläre Prozesse 2012

Der Gerechtigkeit ihr Recht


Symbolbild: dpa

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Von kö

"Behauptung ist nicht Beweis", wusste schon William Shakespeare. Und so versuchte auch die Landshuter Justiz 2012 wieder in zahlreichen Prozessen gemäß dem Richtereid der Athener, "anzuhören den Kläger sowie den Angeklagten, beide in gleicher Weise", um die Wahrheit herauszufinden und der Gerechtigkeit zu ihrem Recht zu verhelfen. Dass dies nicht immer einfach ist, zeigten teils spektakuläre Prozesse, in denen es um Menschenhandel, ein totes Baby, einen Brudermord und missbrauchte Kinder ging.

Im Januar verurteilte die Jugendkammer des Landgerichts einen einschlägig vorbestraften Berliner wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, des Besitzes kinderpornographischer Bilder und des versuchten Einschleusens von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Der 58-jährige Joachim B. hatte widerstrebend zugegeben, unter dem Deckmantel eines Berliner Hilfsvereins seit März 2010 Kontakt zu Straßenkindern in Haiti hergestellt zu haben, um sie an Pädophile zu vermitteln.

Weil er seinen fünf Monate alten Sohn im März 2011 zu Tode geschüttelt hatte, hat das Schwurgericht des Landgerichts im Februar den mehrfach vorbestraften Thomas W. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verurteilt. Als sein Kind geschrien habe, sei der Angeklagte ungehalten geworden: "Er hatte einfach keine Lust, Geduld aufzubringen." W. hatte vor Gericht zunächst von einem Unfall gesprochen und dann seine ehemalige Lebensgefährtin und Mutter des Kindes beschuldigt.

Nach 43 Hauptverhandlungstagen mit Sicherheitsstufe eins endete im Juli der Prozess gegen zwei mutmaßliche Mitglieder der Russenmafia mit Schuldsprüchen: Der 37-jährige Andreas S. muss wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz für sechs Jahre und neun Monate hinter Gitter. Der 32-jährige Sergej B. wurde zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Männer hatten der vierten Strafkammer zufolge die Räume Dingolfing, Landshut und Landau jahrelang mit harten Drogen versorgt. Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert und sich enttäuscht über Justiz und Polizei gezeigt. Die Kriminalpolizei Landshut habe bei ihren Ermittlungen "reihenweise Stümpereien" geliefert, so Verteidiger Dr. Jan Bockemühl.

Mit einem Freispruch endete im November der Prozess um einen Mordfall in Landau an der Isar. Die Staatsanwaltschaft hatte dem 37-jährigen Alexander L. zur Last gelegt, seinen Bruder im Juni 2011 in dessen Wohnung im Verlauf eines Streits so lange getreten und geschlagen zu haben, bis dieser tödliche Verletzungen erlitten hat. Die Gewaltorgie soll damit geendet haben, dass der Angeklagte dem Sterbenden eine hohe Dosis Heroin injiziert habe, um behaupten zu können, sein Bruder habe sich eine Überdosis gespritzt. Zunächst sah es nach einer klaren Sache aus, doch nach elf Hauptverhandlungstagen stand einzig die Todesursache von Victor L. fest. Wie Vorsitzende Richterin Gisela Geppert bei der Urteilsbegründung sagte, konnte sich das Schwurgericht des Landgerichts nicht mit ausreichender Sicherheit davon überzeugen, dass Alexander L. seinen Bruder getötet hat.

Eine unfassbare Missbrauchsgeschichte beschäftigte die Jugendkammer des Landgerichts im Dezember. Ein 47-jähriger Vilsbiburger soll die 13-jährige Tochter seiner Freundin über Monate hinweg sexuell missbraucht und den 13-jährigen Sohn einer weiteren Freundin gezwungen haben, es ihm gleichzutun. Die Kammer folgte den Einlassungen des mutigen Mädchens, das sich dem Angeklagten "in einem Klima der Angst" gefügt habe, und verurteilte den bis zuletzt schweigenden Ismail R. wegen Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und drei Monaten.

Das neue Jahr beginnt für das Landgericht gleich mit einem Fall, der für Entsetzen sorgte: Ab 29. Januar muss sich vor der ersten Strafkammer ein 21-jähriger Heizungsmonteur wegen zweifachen Mordes verantworten. Christoph W. soll die Eltern seiner Ex-Freundin erstochen haben, weil diese die Beziehung des jungen Paares nicht akzeptierten. Die junge Frau wurde am 19. Dezember vom Amtsgericht Freising wegen versuchter Strafvereitelung bereits zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Die 18-Jährige hat nach Ansicht des Gerichts nicht nur aus Angst vor ihrem Ex-Freund dabei geholfen, die Leichen ihrer Eltern zu beseitigen, sondern weil sie ihn vor dem Gefängnis bewahren wollte. Laut Staatsanwaltschaft sollen die beiden zwei Tage lang versucht haben, die Leichen verschwinden zu lassen. Letztlich hätten sie sie im Vorgarten des elterlichen Anwesens verscharrt.