Plattling/Ludwigsburg
Sexueller Missbrauch in evangelischem Kinderheim: Zander strebt Millionen-Klage an
14. Januar 2015, 8:29 Uhr aktualisiert am 14. Januar 2015, 8:29 Uhr
Die spektakuläre Klage auf 1,1 Millionen Euro Schmerzensgeld wegen sexuellen Missbrauchs in einem evangelischen Kinderheim wird weiter vorangetrieben. Dies hat Detlev Zander in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur bestätigt.
Der 53-Jährige, der jetzt in Plattling lebt, ist nach seiner Darstellung als Kind in einem Heim der evangelischen Brüdergemeinde Korntal (Kreis Ludwigsburg) sexuell missbraucht, misshandelt und gedemütigt worden.
In den nächsten Tagen soll es ein Treffen mit Beauftragten der Brüdergemeinde geben. Diese hofft, dass die Klage noch zurückgezogen wird. "Das wäre ein Aderlass, der nicht zu verkraften wäre", sagt der Sprecher der Brüdergemeinde, Manuel Liesenfeld, über die Summe. Die Vorwürfe Zanders weist er grundsätzlich nicht zurück.
200 weitere Betroffene?
Mehr als 200 Betroffene erheben ähnliche Anschuldigungen wie Zander. Dieser hat aber als Einziger die Brüdergemeinde auf 1,1 Millionen Euro Schmerzensgeld verklagt. Sein Anwalt Christian Sailer räumt ein, dass die geforderten 1,1 Millionen Euro ein "exorbitant hoher Betrag" seien. Aber es handele sich um ein "exorbitantes Verbrechen". Bisher habe die Kirche oft freiwillig Beträge als Entschädigung gezahlt, die "mehr oder weniger Almosen" gewesen seien. Auch die Gerichte seien zurückhaltend gewesen.
Zander kam, wie berichtet, Mitte der 1960er-Jahre im Alter von drei Jahren nach Korntal. "Das Schlimmste war für mich die psychische Gewalt", sagt Zander. Seine Erzieherin quälte und demütigte ihn. Wenn er ins Bett gemacht hatte, dann habe sie sein Geschlechtsteil mit der Zahnbürste "geschrubbt". Sie entzog ihm das Essen oder zwang ihn, Erbrochenes zu essen, und verprügelte ihn, erzählt Zander. Schon im Alter von vier Jahren habe sich der Hausmeister an ihn herangemacht. Irgendwann habe er ihn bis zu zweimal am Tag vergewaltigt. Als sich Zander gemeinsam mit anderen Betroffenen hilfesuchend an seine Erzieherin wandte, habe die sie verprügelt und gesagt: "Wir sollen nicht solche Lügen erzählen."
Zwei Beschuldigte tot
Es gibt mittlerweile mehrere ehemalige Heimkinder, die den Hausmeister des Missbrauchs bezichtigen. Doch nicht nur er soll sich an Zander vergangen haben. Auch ein Mitglied der Brüdergemeinde habe ihn über Jahre vergewaltigt, so Zander. Im Alter von 15 oder 16 Jahren wollte sich Zander das erste Mal das Leben nehmen. Doch seine Erzieherin fand ihn rechtzeitig. Er kam vorübergehend in die Psychiatrie.
Die Diakonie der Brüdergemeinde ist bis heute Träger der Einrichtung. Der Hausmeister und der zweite Täter aus der Gemeinde sind bereits tot, erzählt Zander. Doch seine frühere Erzieherin lebt noch.