Unter Denkmalschutz

Vom Rötzer Gillitzer-Haus steht plötzlich nur noch die Fassade

Eigentlich hätte das Geschäftshaus saniert werden sollen. Doch dann entscheidet der Investor kurzfristig, dass es größtenteils abgebrochen wird. Das Echo in der Stadt schwankt zwischen Unmut und Verständnis


Wenn bei der Sanierung nur noch die Fassade übrig bleibt, sorgt das im Umkreis für fassungsloses Staunen und ruft auch das Landratsamt als Baugenehmigungsbehörde auf den Plan.

Wenn bei der Sanierung nur noch die Fassade übrig bleibt, sorgt das im Umkreis für fassungsloses Staunen und ruft auch das Landratsamt als Baugenehmigungsbehörde auf den Plan.

Die Szenerie erinnert an die Kulisse in einem Filmstudio. Doch Schauplatz ist nicht etwa Babelsberg, sondern Rötz. Von dem alten Gebäude am Marktplatz steht nur noch die Fassade, abgestützt von Holzpfeilern. Geplant war das so nicht. Eigentlich sollte das Haus komplett saniert werden, denn der gesamte Straßenzug steht unter Ensembleschutz. Auch im Baugenehmigungsverfahren war stets von einer denkmalschutzgerechten Sanierung die Rede. Warum es jetzt ganz anders gekommen ist, darüber gehen die Schilderungen auseinander. Der Bauherr spricht von einem absolut maroden Mauerwerk, Anwohner beklagen eine "unverantwortliche Vorgehensweise" und der Rötzer Bürgermeister hat vor allem einen Wunsch - weniger Leerstand und neuer Wohnraum. Eine Bestandsaufnahme.

Vier Wohnungen sollen für Belebung sorgen

Im Juli dieses Jahres war das grün getünchte Haus mit den zwei markanten Treppeneingängen Thema im Bauausschuss der Stadt Rötz. Der Investor stellte seine Pläne vor: Er wollte das Jahrhunderte alte Haus sanieren und anstatt auf Gewerbe auf eine reine Wohnnutzung setzen. Vier Wohneinheiten sollen im Gillitzer-Haus - wie das Anwesen im Volksmund genannt wird - entstehen. Von den Ausschussmitgliedern gab es für die Pläne grünes Licht und reichlich Lob.

Auch vom Landratsamt waren nach langwierigen Vorgesprächen die Baupläne durchgewunken worden. Die Genehmigung sei in enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege geschehen, berichtet Michael Gruber, Sprecher des Landratsamtes. Dies sei nötig gewesen, da "das Gebäude Bestandteil des Ensembles 'Altstadt von Rötz' und auf dem Grundstück ein Bodendenkmal verzeichnet ist".

"Unter dem Dach war alles kaputt"

Ende August schritten die Bauarbeiter schließlich zur Tat und machten sich daran, den bisherigen Dachstuhl abzutragen. Spätestens dabei fiel dem Bauherren nach eigenem Bekunden auf, dass das Mauerwerk noch wesentlich maroder gewesen sei als er ursprünglich gedacht hatte. "Unter dem Dach war alles kaputt, die Schäden einfach zu groß", erzählt er im Gespräch mit unserem Medienhaus. Auf diese Erkenntnis reagierte der Investor schnellentschlossen und eher rustikal: Er ließ das Gebäude bis auf die denkmalgeschützte Fassade abreißen. Auf Rückfrage versichert er, dass er mit den Behörden in ständigem Kontakt stehe.

Doch schriftlich gab es zu der Änderung offenbar nichts. Und auch die Nachbarn waren von dem Teilabriss überrascht. Ein Anwohner meldete sich zu Wort. "Wir trauten unseren Augen nicht", berichtet er. Auch Tage danach kann er nicht fassen, dass "denkmalgeschützte Altbauten einfach abgebrochen werden", wie er in einem Brief an die Redaktion schreibt. Dabei habe es doch noch vor kurzem geheißen, die Rötzer Innenstadt solle zur "Guten Stube" der Stadt werden. Die hemdsärmelige Vorgehensweise konterkariere dieses Ziel, ärgert sich der Kritiker.

Landratsamt stellt weitere Bauarbeiten vorerst ein

Und er ist offenbar nicht alleine. Denn in einer Stellungnahme berichtet Landratsamtssprecher Michael Gruber, dass seine Behörde durch einen Bürger auf den Abbruch aufmerksam gemacht worden sei. "Aufgrund der Anzeige eines Anwohners, der sich am 26. August über Abbrucharbeiten und die damit verbundenen Belästigungen beschwert hat, hat das Sachgebiet Immissionsschutz am gleichen Tag eine Ortseinsicht durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass das Gebäude bis auf eine Außenwand vollständig beseitigt war. Weitere Bauarbeiten, also der Wiederaufbau des Gebäudes, wurden daraufhin förmlich eingestellt", schreibt der Pressesprecher. Nun werde die Baueinstellung vom Landratsamt überwacht. Wie es weitergeht, sagt Gruber ebenfalls: "Für einen auf dem Grundstück beabsichtigten Neubau muss ein entsprechender Bauantrag zur Prüfung eingereicht werden."

Der Bauherr selbst kann die Aufregung nicht recht nachvollziehen. Er verweist auf die Tatsache, dass ausschließlich die Außenfassade auf der Denkmalschutzliste zu finden sei. "Und die steht ja noch." Das übrige Gebäude sei kaum mehr zu erhalten gewesen. Stattdessen werde es in seiner Struktur nun wieder aufgebaut, versichert er und verspricht vier moderne Neubauwohnungen.

Das Gillitzer-Haus ist beileibe nicht die einzige Immobilie, die er gekauft und weiterentwickelt hat. "Ich habe schon zwei andere Gebäude am Marktplatz saniert", erzählt der Investor. Warum er sich so engagiert? Rötz liege ihm am Herzen, sagt er. Dabei verhehlt er aber nicht, dass das Projekt Gillitzer-Haus ihn an Grenzen gebracht habe. "Seit fast drei Jahren doktere ich da jetzt schon herum." Die Absprachen mit den Behörden seien aufwendiger als gedacht gewesen. Und auch sonst werde es immer schwieriger, derartige Projekte wirtschaftlich über die Bühne zu bringen. "Der hohe Zins trifft uns. Dazu kommen die gestiegenen Materialkosten." Von vielen Bürgern habe er in den vergangenen Wochen immer wieder den Satz gehört "Reiß das doch ab ..." Ihnen sei ein schmucker Neubau anstelle eines Leerstandes lieber, erzählt der Investor.

Der Stadtplaner hatte für einen Abriss votiert

Ein Neubau war vor Jahren auch das eigentliche Ziel der Stadt Rötz oder besser gesagt der Vorschlag des städtebaulichen Beraters. "Der Fachmann hatte uns einen Plan vorgelegt, worin das Gillitzer-Haus durch einen Neubau ersetzt und dafür ein Torbogen nach altem Vorbild gesetzt worden wäre", erinnert sich Bürgermeister Dr. Stefan Spindler und holt die alten Pläne hervor. Von diesen sei der Stadtrat "hellauf begeistert gewesen".

Doch dann wagte sich die Stadt nicht an die millionenschwere Realisierung, weil "uns eine Nutzung fehlte". Umso erfreuter waren die Ratsherren, als sich ein Investor fand, der versprach, das Projekt in Angriff zu nehmen. Allerdings folgte die Ernüchterung bei den Vorgesprächen mit den Genehmigungsbehörden: Das Haus dürfe nicht abgerissen werden, hieß es. Also begannen die Umplanungen und langwierige Absprachen. Spindler war bei vielen der Gespräche als Vermittler dabei. Der Verlauf sei oft genug zäh gewesen, erzählt er. Denn vieles, was Mieter heutzutage suchen - lichtdurchflutete Räume oder Dachgauben - sei mit der Denkmalpflege nicht zu machen gewesen. "Das zermürbt einen auch", bekennt der Bürgermeister.

Es klingt Verständnis durch, wenn Spindler von der dreijährigen Planungsphase erzählt. Dass nun der Investor den Teilabbruch im Hauruck-Verfahren durchgezogen hat, lehnt er dennoch entschieden ab. "So darf das nicht laufen." Und jetzt? Nun hofft der Rötzer Rathauschef auf eine Einigung. "Alles, bloß keine ewige Baulücke ..."