Politisches Motiv
Stephan E. gesteht Mord an Walter Lübcke
26. Juni 2019, 8:54 Uhr aktualisiert am 26. Juni 2019, 11:20 Uhr
Ein Mord und ein Geständnis. Zum Motiv weiß man noch wenig Konkretes. Der Tatverdächtige im Fall Lübcke sagt, er habe allein den Entschluss gefasst, den Regierungspräsidenten zu töten. Doch niemand kann ausschließen, dass er nur mögliche Komplizen schützen will.
Geständnis im Mordfall Lübcke: Der inhaftierte Stephan E. hat bestätigt, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke getötet zu haben. Der Tatverdächtige habe am Dienstagnachmittag ausgesagt, er habe die Tat alleine vorbereitet und durchgeführt, berichtete Generalbundesanwalt Peter Frank am Mittwoch nach einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages. Doch erst die weiteren Ermittlungen könnten zeigen, ob es mögliche "Helfer" oder "Mittäter" gegeben habe.
Nach Angaben weiterer Teilnehmer gab Generalbundesanwalt Frank zwar keine expliziten Informationen zum Motiv. Er habe aber erklärt, dass die Zuständigkeit seiner Ermittlungsbehörde durch die Einlassungen des Tatverdächtigen nicht entfallen sei. Damit sei klar, dass es sich um ein politisches Motiv handele, denn nur in diesen Fällen ist ein Verbrechen ein Fall für die Bundesanwaltschaft.
Der 45-jährige Stephan E. ist mehrfach vorbestraft und war in früheren Jahren durch Kontakte in die rechtsextreme Szene aufgefallen. In den letzten Jahren hatte ihn der Verfassungsschutz nicht mehr auf dem Radar gehabt.
Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni mit einer Schussverletzung im Kopf auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen bei Kassel entdeckt worden. Er starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Lübcke war wegen seiner Haltung zu Flüchtlingen bedroht worden. Er hatte sich 2015 auf einer Informationsveranstaltung gegen Schmährufe gewehrt und gesagt, wer gewisse Werte des Zusammenlebens nicht teile, könne Deutschland verlassen.
Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, sagte laut Teilnehmern der Sitzung, er gehe nicht von einer Verschärfung der Sicherheitslage aus. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sagte demnach, die Behörden hätten Stephan E. seit 2009 nicht mehr intensiv auf dem Schirm gehabt. Das Bundesamt müsse sich für die Bekämpfung des Rechtsextremismus stärker aufstellen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach von einem schnellen Ermittlungserfolg. Er betonte aber: "Damit ist die Aufklärung dieses politischen Mordes noch nicht abgeschlossen." Es gehe auch darum, mögliche Mittäter oder Mitwisser zu identifizieren. Der Innenminister rief die Bürger auf, sich klar von Rechtsextremen zu distanzieren. Dort müsse es eine "rote Linie" geben. Antisemitismus und Ausländerhass seien nicht zu tolerieren. Er schloss weitere Verbote rechtsextremistischer Gruppierungen nicht aus.
Mit diesem Mord sei "ein ganz anderes Stadium des Rechtsextremismus erreicht worden", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU). Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagte, der Mordfall zeige, wie weit sich "der braune Terror" ausgebreitet habe. Das Attentat müsse "ein Wendepunkt werden". Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz forderte, rechtsterroristische Strukturen stärker zu durchleuchten. Die Behörden müssten Menschen, die sich bedroht fühlten - etwa weil sie sich als Ehrenamtliche oder Politiker für Flüchtlinge einsetzen - eine Einschätzung über ihre konkrete Gefährdung liefern.
Irene Mihalic (Grüne) forderte die Prüfung möglicher Verbindungen von Stephan E. zu den Terroristen des NSU. Sie sagte, die Geschichte dieser Terrorgruppe müsse vielleicht sogar neu geschrieben werden.
Der Innenausschuss will nach Angaben der Vorsitzenden Andrea Lindholz (CSU) voraussichtlich im August eine weitere Sondersitzung zu dem Fall abhalten.