Pannenwahl in der Hauptstadt

Müssen die Berliner erneut an die Urnen?


Lange Schlange vor einem Wahllokal in Berlin am vergangenen Sonntag.

Lange Schlange vor einem Wahllokal in Berlin am vergangenen Sonntag.

Von mit Material der dpa

Von einer "Superwahl" war in Berlin vor dem 26. September die Rede, weil gleichzeitig Parlamente für Bund, Land und die Bezirke gewählt wurden, dazu kam noch ein Volksentscheid. Doch es gab viele Pannen.

Es begann mit Fotos von langen Warteschlangen vor Wahllokalen schon am Sonntagvormittag. Seitdem kamen täglich neue Pannen ans Licht, die Landeswahlleiterin trat zurück und viele Menschen rätseln, ob derartige Wahlen noch gültig sind oder wiederholt werden sollten. Fragen und Antworten zu einer unübersichtlichen Lage.

Was waren die Hauptprobleme bei den Wahlen in Berlin?

Vor manchen der 2257 Wahllokale in 78 Wahlkreisen zur Abgeordnetenhauswahl mussten Wähler lange anstehen. Stimmzettel fehlten zwischenzeitlich und mussten durch Boten gebracht werden. Zum Teil konnten Stimmen erst nach 18.00 Uhr abgegeben werden. An einigen Stellen erhielten Wähler falsche Stimmzettel aus anderen Bezirken oder Wahlkreisen, die später als ungültig gewertet wurden. Auch die Auszählung lief nicht überall glatt, wie Wahlhelfer berichteten. Bis Mitte der Woche lagen aus mehreren Wahllokalen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf noch keine Ergebnisse vor, im Internet wurden geschätzte Zahlen veröffentlicht.

Wie viele Wahllokale oder Wahlkreise waren betroffen?

Das war bis Mitte der Woche noch unklar. Die Bestandsaufnahme hielt am Donnerstag noch an. Am Montag hatte die Landeswahlleitung von Problemen in etwa 100 Wahllokale gesprochen. Seitdem mehrten sich Berichte von Wählern und Wahlhelfern aus vielen Berliner Bezirken. Der Sender RBB berichtete am Mittwoch, allein in mindestens 99 Wahllokalen seien auffällig viele Stimmzettel ungültig gewesen. Es gehe um mindestens 13.120 Stimmen bei allen Wahlgängen.

Welche Ursachen hatten die Pannen?

Hauptproblem waren die gleichzeitigen Wahlen zum Bundestag, zum Berliner Abgeordnetenhaus, zu den Bezirksparlamenten sowie ein Volksentscheid. Dazu kamen Corona-Bedingungen und Absperrungen wegen des Berlin-Marathons. Die Landeswahlleitung hatte mehr als 400 zusätzliche Wahllokale eingerichtet und die Zahl der Wahlhelfer von rund 20.000 auf 34.000 erhöht. Offenbar brauchten aber viele Wähler für ihre sechs Kreuze auf fünf Stimmzetteln mehr Zeit als erwartet. Fünf bis zehn Minuten hätten manche Menschen in der Kabine verbracht, berichteten Beobachter. Dafür standen in vielen Wahllokalen zu wenig Wahlkabinen bereit.

Dass tagsüber Stimmzettel fehlten, lag zum Teil daran, dass die Wahlvorstände mehr Kartons als früher in ihr jeweiliges Wahllokal bringen mussten. Manche holten erst im Tagesverlauf restliche Kartons nach. Andere Stimmzettel-Kartons waren falsch beschriftet und wurden in falsche Wahllokale gebracht. Die Wahlleitung wusste früh davon, weil es schon beim Verschicken der Stimmzettel an Briefwähler aufgefallen war. Sie wies alle Wahlvorstände darauf hin. Die Warnung kam wohl nicht überall an. Zudem hatten viele zusätzliche Wahlhelfer keine Vorerfahrung und erhielten nur eine kurze Unterweisung.

Wer ist für den Schlamassel verantwortlich?

Darüber wird kontrovers diskutiert. Unterm Strich hat die Landeswahlleitung die Verantwortung für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Abstimmungen. Landeswahlleiterin Petra Michaelis stellte ihren Posten am Mittwoch wegen der "Umstände der Wahldurchführung" zur Verfügung. Im Detail werden die Wahlen aber auf Ebene der Berliner Bezirke organisiert, die jeweils vergleichbar mit Großstädten sind. Die wiederum verweisen auf schlechte Ausstattung, gerade personell, durch den Senat.

Muss die Wahl wiederholt werden?

Bisher wird in der Berliner Politik und bei Wahlleitungen eher nicht davon ausgegangen, dass die Bundestags- oder Abgeordnetenhauswahl als Ganzes wiederholt werden muss. In einzelnen Wahlkreisen oder -bezirken könnte aber eine Neuwahl erforderlich werden, wenn Unregelmäßigkeiten sich "mandatsrelevant" ausgewirkt haben, etwa bei knappen Ergebnissen.

Wie geht es weiter?

Die Prüfung aller Ergebnisse in den Bezirken wird wegen der 1,8 Millionen gültigen Stimmen allein bei der Abgeordnetenhauswahl Zeit brauchen. Spätestens zur Sitzung des Landeswahlausschusses am 14. Oktober, auf der das endgültige Ergebnis festgestellt wird, dürfte mehr Klarheit herrschen. Dann erst wäre das Wahlergebnis der Abgeordnetenhauswahl anfechtbar. In diesem Fall müsste der Verfassungsgerichtshof angerufen werden. Bei der Bundestagswahl wäre es der Bundestag. Jedoch wies der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, darauf hin, dass nicht jeder Mangel eine Wahl ungültig mache.

Landeswahlleiterin Petra Michaelis hat ihren Posten zur Verfügung gestellt.

Landeswahlleiterin Petra Michaelis hat ihren Posten zur Verfügung gestellt.