Masken-Prozess
Moral darf nicht der Maßstab sein im Fall Tandler
4. Oktober 2023, 15:51 Uhr
Moralische Entrüstung ist hier fehl am Platz, Andrea Tandler darf nur durch Recht und Gesetz strafrechtlich verurteilt werden - in diesem Fall durch die Steuergesetze. Ob die immer mit Moral zu tun haben, sei dahingestellt.
Die Staatsanwaltschaft hat einiges an Vorwürfen aufgehäuft, was sich zu einer Hinterziehungssumme von mehr als 15 Millionen Euro addiert. Bei kritischem Studium des Anklagesatzes muss man zu der Einschätzung kommen, dass nicht jeder einzelne Punkt auf solidem juristischen Fundament beruht.
Schenkung darf bezweifelt werden
So darf man Zweifel haben, ob zwischen Tandler und ihrem Geschäftspartner N. tatsächlich eine Schenkung zustande gekommen ist. Und ob ein vollendeter Subventionsbetrug vorliegt, wenn doch die Subvention zurückgezahlt wurde, ist auch eine Frage. Beim Punkt Gewerbesteuerhinterziehung hingegen scheint die Angeklagte tatsächlich schlechte Karten zu haben, und der allein ist 4,2 Millionen Euro "wert".
Keine Hoffnung auf Bewährungsstrafe
Das Gericht hat alle Anklagepunkte unverändert zur Verhandlung zugelassen. Das bedeutet, dass es keinen der Anklagepunkte für völlig abwegig hält. Die seit nunmehr acht Monaten in Untersuchungshaft sitzende Andrea Tandler sollte sich keine Hoffnungen machen, den Gerichtssaal als freie Frau zu verlassen, denn nach Praxis der Rechtsprechung kann die Verkürzung von Steuern ab einer Million Euro nicht mehr mit einer Bewährungsstrafe abgehandelt werden. Das mussten auch schon Uli Hoeneß und Alfons Schuhbeck erfahren, die mit weit geringeren Summen konfrontiert wurden.
Andrea Tandler müsste schon Super-Anwältinnen haben, wenn der Anklagevorwurf auf weniger als eine Million Euro heruntergerechnet werden soll. Dafür haben sie nun bis Mitte November Zeit.