SPD-General im AZ-Interview
Lars Klingbeil: "Die Politik der AfD vernichtet Arbeitsplätze"
12. August 2019, 17:59 Uhr aktualisiert am 12. August 2019, 17:59 Uhr
Das sagt der SPD-General im AZ-Interview über die Landtagswahlen im Osten, ein neues Konzept gegen Rechts und die lange Suche nach Vorsitzenden.
Lars Klingbeil (41) ist seit Dezember 2017 SPD-Generalsekretär.
AZ: Herr Klingbeil, Sie waren gerade im Wahlkampf im sächsischen Görlitz, wo die SPD bei den Kommunalwahlen 2,3 Prozent holte. Wie schlimm wird es für die SPD bei den Landtagswahlen am 1. September?
LARS KLINGBEIL: Wir kommen jetzt in die entscheidende Phase des Wahlkampfes. Was ich merke, wenn ich an den Haustüren und auf den Marktplätzen unterwegs bin, ist, dass sozialdemokratische Themen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße liegen. Da geht es darum, ob die Schulen funktionieren, die Straßen halbwegs in Ordnung sind, oder ob es ein schnelles Internet und Mobilfunknetz gibt. Letztlich geht es also um die Handlungsfähigkeit des Staates. Martin Dulig und die SPD in Sachsen kümmern sich um diese Themen.
Ihr Wahlkampf richtet sich insbesondere gegen die AfD, gerade auch in Brandenburg. Was setzen Sie Ihr entgegen?
In Brandenburg geht es auf den letzten Metern ganz klar um die Entscheidung: SPD, mit einem erfolgreichen und beliebten Ministerpräsident Woidke, oder AfD. Wir müssen zeigen, dass die AfD spaltet und hetzt, und auf der anderen Seite die SPD die Partei ist, die sich um den Zusammenhalt in der Gesellschaft kümmert. Dafür haben wir gestern im Präsidium auch ein sehr klares Sieben-Punkte-Papier gegen Rechts verabschiedet. Wir fordern zum Beispiel ein länderübergreifendes Frühwarnsystem für rechte Gefährder, eine konsequente Verfolgung strafbarer rechter Inhalte in Sozialen Netzwerken und noch mehr demokratische Bildung in den Schulen. Wir stellen uns entschieden gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus und wollen die demokratische Ordnung und den Zusammenhalt stärken und verteidigen. Denn die AfD und andere rechte Hetzer behaupten ja immer wieder gern, dass dieser Staat nicht funktioniert.
Lars Klingbeil: "Wer sein Kreuz bei der AfD macht..."
Gelingt die Abgrenzung?
Ich erlebe in Gesprächen, dass die Menschen in Brandenburg sich Sorgen machen, wohin die internationale Abschottung führt, die die AfD propagiert. Es geht darum, ob sich große internationale Firmen, die Arbeitsplätze schaffen, noch in Bundesländern ansiedeln, in denen die AfD stark ist. Oder ob solche Unternehmen sagen, da gehen wir nicht hin, wo eine solche rechtspopulistische Kraft so stark ist. Die Politik der AfD vernichtet Arbeitsplätze. Wer sein Kreuz bei der AfD macht, dem muss klar sein, dass er damit Abschottung, Hass und Hetze wählt. Das sagen wir den Menschen sehr deutlich. Und darum sehe ich die Chance, jetzt noch weiter zuzulegen, auch in Sachsen.
Viele Bürger haben jedoch den Eindruck, dass die SPD im Moment vor allem mit sich selbst beschäftigt ist.
Ich bin im Wahlkampf bisher nicht einmal auf die Frage nach dem Parteivorsitz angesprochen worden, da geht es eher darum, ob das Schulklo repariert wird oder ob es genügend Lehrer gibt. Um genau diese Fragen muss die SPD sich kümmern.
Lars Klingbeil: "Ich werde mich bis zum 1. September entscheiden"
Bisher stammen die Bewerber für den Parteivorsitz eher aus der zweiten Reihe. Warum halten sich die prominenten Genossen so auffällig zurück?
Ich bin da gelassen, wir haben ja auch einen klaren Zeitplan. Bis zum 1. September haben alle Zeit, sich zu bewerben. Ich bin mir sicher, dass neben den tollen Bewerbern, die jetzt schon auf dem Platz sind, noch einige dazukommen. Und dann wird ein spannendes Rennen starten.
Kommt da noch was? Auch Sie selbst zögern ja...
Für mich ist wichtig, dass wir jetzt ein Verfahren haben, bei dem die Mitglieder das Wort haben und nicht wie in den vergangenen Jahrzehnten in Hinterzimmern entschieden wird. Und auch ich werde mich dann bis zum 1. September entscheiden.
Klingbeil: "Es gibt immer Kommentierungen von der Seitenlinie"
Wenn Sie es machen, werden Sie sich dann eine Partnerin hinzuholen?
Ich habe sehr stark dafür geworben, dass eine Teamlösung möglich ist, das halte ich für richtig.
Was ist für die SPD im Moment wichtiger: Die inhaltliche Neuausrichtung oder die Kür einer neuen Parteispitze?
Das kann überhaupt nicht getrennt werden. Wir werden jetzt einen spannenden Wettbewerb der besten Köpfe und Ideen erleben. Die SPD war immer dann gut, wenn Inhalte und Personen auch zusammengepasst haben.
Teilen Sie die Kritik mancher Genossen, dass das Verfahren zur Wahl der neuen Vorsitzenden zu kompliziert sei?
Nein, es ist genau richtig, dass wir das jetzt so machen, dass wir die Mitglieder einbinden, dass wir auf Regionalkonferenzen vor Ort diskutieren und uns Fragen stellen. Es gibt immer Kommentierungen von der Seitenlinie, aber ich bin überzeugt, dass jetzt unsere rund 426.000 Parteimitglieder das Wort haben müssen.
Lars Klingbeil: "Wir wollen eine starke SPD"
Sie haben mit Ihrer Aussage, dass Sie offen für eine rot-rot-grüne Koalition im Bund sind, viel Aufregung ausgelöst. Hat Sie das überrascht?
Ich habe nur das gesagt, was wir seit Jahren sagen. Wir wollen eine starke SPD, dafür kämpfen wir und nach einer Wahl schauen wir, mit wem es die größten inhaltlichen Überschneidungen gibt. Selbstverständlich gehört es dann auch dazu, zu prüfen, welche Gemeinsamkeiten es mit Grünen und Linkspartei gibt.
Ihre Aussagen wurden deshalb so heiß diskutiert, weil die SPD sichtbar an der Großen Koalition leidet. Wäre der SPD ein linkes Bündnis nicht lieber als Schwarz-Rot?
Das muss man immer an Inhalten festmachen. Wir hatten jetzt in Bremen diese Situation, dass sich die Bürger eine soziale Perspektive wünschen, die mit der Union, die etwa Wohnungen privatisieren wollte, nicht zu haben war. In den anderen Bundesländern gibt es andere Gemengelagen, so dass ich nur ganz grundsätzlich ausschließen kann, dass wir mit der AfD koalieren. Mit diesen Spaltern und Hetzern wollen wir nichts zu tun haben. Und diese klare Abgrenzung würde ich mir auch von der Union wünschen, die ja doch auch immer wieder einige Lockerungsübungen in Richtung AfD macht. Da gibt es ja prominente Politiker, die sagen: können wir uns doch vorstellen, dass es irgendeine Form der Zusammenarbeit gibt.
Lars Klingbeil: Was er bei Unionsministern manchmal vermisst
Die SPD will ja am Jahresende GroKo-Bilanz ziehen. Wie fällt Ihre Zwischenbewertung aus?
Ich muss schon sagen, dass gerade unsere Minister gute Arbeit machen, vom Sozialen Arbeitsmarkt bis zum Starke-Familien-Gesetz. Wir haben vieles von dem umgesetzt, was wir in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt haben. Bei den Unionsministern vermisse ich manchmal diesen Tatendrang.
Was muss die Koalition bis Dezember noch gewuppt kriegen, damit Sie einen Sinn darin sehen, weiterzumachen?
Es gibt jetzt noch zwei große Punkte, die uns wichtig sind. Da ist das Klimaschutzgesetz, mit dem wir einen glaubwürdigen, ambitionierten und effizienten Klimaschutz auf den Weg bringen wollen. Und die Grundrente, mit der wir eine deutliche Verbesserung der Lebensverhältnisse von drei Millionen Menschen, drei Viertel davon sind Frauen, erreichen wollen. Da muss die Union sich jetzt bewegen und da muss die Regierung auch zeigen, dass sie lebendig ist. Das ist dann für die Halbzeitbilanz ganz wichtig.
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